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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Die Alpenfee.
Roman von E. Werner.

(Fortsetzung)

Wie hat Dir Benno gefallen, Alice?“ wandte Wally sich sich an ihre Freundin, „er war ganz trostlos darüber, daß er sich so ungeschickt benommen hat bei dem ersten Besuche. Hast Du ihm das wirklich übelgenommen, wie er glaubt?“

„Vertrauenerweckend war das Benehmen Ihres Vetters allerdings nicht, Frau Doktor Gersdorf,“ bemerkte die Baronin, die den Namen diesmal merklich betonte; zu ihrer größten Bewunderung aber stieß sie bei der sonst so passiven Alice auf einen Widerspruch, die junge Dame hob den Kopf und sagte mit ganz ungewöhnlicher Entschiedenheit:

„Mir hat Doktor Reinsfeld einen sehr angenehmen Eindruck gemacht, und ich theile das Vertrauen unbedingt, das Wolfgang in ihn setzt.“

Wally sandte der alten Dame einen triumphirenden Blick zu und war eben im Begriff, das Lob ihres „Verwandten“ noch weiter zu verkünden, als dieser selbst erschien.

Benno war heute in seiner schmucken Sonntagstracht, die von der eigentliche Volkstracht nur wenig abwich und auch von den Herren hier im Gebirge vielfach getragen wurde. Die graue Joppe mit den grünen Aufschlägen und der dunkelgrüne Hut mit dem Gemsbarte standen ihm vortrefflich, seine kräftige Erscheinung kam darin zur vollen Geltung, und hier, wo ihn keine fremde Umgebung beengte, benahm er sich auch den Damen gegenüber mit ziemlicher Unbefangenheit. Er begrüßte seine Verwandten und Erna herzlich, Waltenberg freundlich, und selbst seine Verbeugung vor Frau von Lasberg fiel ganz erträglich aus. Als er aber nun vor Alice stand, da war es aus mit der bisher so tapfer behaupteten Fassung, er wurde wieder dunkelroth, schlug die Augen nieder und brachte kein Wort über die Lippen. Er vernahm auch anfangs gar nicht, was die junge Dame zu ihm sprach, sondern hörte nur die weiche, sanfte Stimme, die ihm auch heute wieder so gütig entgegenklang wie damals im „Elfenreiche“. Erst als Alice auf ihre Begleiterin deutete, kam er wieder etwas zur Besinnung.

„Die arme Frau Baronin leidet an heftigen Kopfschmerzen und hat uns doch das Opfer gebracht, mitzufahren, aber das Uebel ist dadurch schlimmer geworden. Wissen Sie kein Mittel dagegen?“

Frau von Lasberg, die eben ihr Flacon zur Nase führte, hielt plötzlich inne; die Frage kam ihr sehr unerwünscht, denn sie war durchaus nicht gesonnen, ihre kostbare Gesundheit diesem Bauerndoktor anzuvertrauen.



Ihr Fenster

Ich weiß den Platz, da steht ein Haus,
Hat blanke Fensterlein.
Ein blaues Auge schaut hinaus,
Der Mond der schaut hinein.

5
Nun sage, wem dies Auge scheint,

Wo bleibt der Sonne Glanz?
Nun sage, wen das Auge meint –
Der hat die Wonne ganz!

Ums Fenster rankt ein Rosenstrauch

10
Und Blumen duften süß:

In meine Seele dringt ein Hauch
Aus jenem Paradies.

Klaus Groth.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 613. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_613.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)