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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Zimmerluft 1 Theil Kohlensäure höchstens in 1000 Theile Luft enthalten soll, steigert sich dieser Kohlesäuregehalt in schlecht gelüfteten Schulräumen bis über 10 Theile. Das Schulzimmer müßte daher eigentlich so groß sein., daß es den für jeden Schüler notwendigen Luftraum für die Zeit des Unterrichts enthielte; es würden dann aber Zimmergrößen entstehen, welche den Unterricht unmöglich machten; die Lufterneuerung, Zuführung von reiner kohlensäurearmer Luft und Entweichung der verdorbenen Luft muß daher als Ersatz eintreten. Während sonst 60 Kubikmeter frische Luft für Stunde und Kopf zugeführt werden sollen, genügen für Schulzwecke 15 bis 20 Kubikmeter, da die Schulen nur zeitweise benutzt werden; 4 bis 5 Kubikmeter Zimmerraum muß dann für das Kind vorhanden sein. Die Lüftung erfolgt als natürliche Ventilation durch die Poren der Wände, Undichtigkeiten neben Thüren und Fenstern etc., ferner durch die Oeffnung der Thüren und Fenster, im Winter durch die künstliche mit der Heizung verbundene Luftzufuhr.

Es kommen in der Schule zwei Heizsysteme zur Anwendung, die lokale und Centralheizung. Der Kachelofen unserer Jugendzeit ist glücklicherweise nur in Ausnahmefällen noch vorhanden und durch den bedeutend zweckmäßigeren Mantelofen verdrängt worden. Es sind dieses Füllöfen zumeist mit cylindrischen durch den Rauch mit erwärmten Nebenröhren; den Ofen umgiebt ein eiserner Mantel, so daß zwischen Mantel und Ofen ein Hohlraum vorhanden ist. Die Luft in diesem Zwischenraume kommt aus dem Freien durch einen Kanal herein, wird zwischen Ofen und Mantel erwärmt und geht oben am Ofen durch eine Oeffnung, als reine erwärmte Luft in die Klasse. Es kann hier wie bei den Centralheizungen nur das Grundprinzip Erwähnung finden, da die mannigfachste Veränderungen vorhanden sind, welche bei einer nur einmaligen genauen Besichtigung klar zu Tage treten. In der Neuzeit haben auch in den Klassenzimmern manchmal Gasöfen Eingang gefunden; der Lehrer verbiete den Kindern aber aufs strengste, sich irgendwie mit denselben zu beschäftigen, weil durch nicht sachgemäße Behandlung derselben leicht üble Folgen entstehen können.

Bei der Centralheizung in der Schule kommen mehrere Arten jetzt in Betracht. Die Luftheizung führt die in einer Heizkammer erwärmte Luft durch eine oder mehrere Wandöffnungen direkt in das Klassenzimmer. Bei der Dampf- und Heißwasserheizung befinden sich dagegen die Röhrensysteme in dem Zimmer selbst. Sie sind zumeist an der Innenfläche der Fensterwand angebracht und enthalten je nach der Heizung Dampf oder erwärmtes Wasser. Mit der Dampf- und Wasserheizung ist die Ventilation häufig verbunden; die in einer Heizkammer erwärmte Luft strömt außerhalb der Röhrenleitung in das Zimmer hinein.

Wie soll nun die Ventilation wirken? Warme Luft ist leichter als kalte und steigt deshalb in die Höhe. Diese bekannte Thatsache erleidet in dem Zimmer aber einige Aenderung. Die durch die Athmung erwärmte Luft steigt allerdings bis zur Decke des Zimmers, wird jedoch hier ebenso wie an den Wänden etwas abgekühlt und sinkt entlang der Wände und als breite Querzone an Stück herab, um sich dann mit der übrigen Luft zu vermischen. Wird nun Ventilationsluft zu warm oder zu hoch eingeführt, so ist zu fürchten, daß sie, ohne sich mit der durch die Kohlensäure und den gesättigten Wassergehalt schweren Athmungsluft in genügender Weise zu vermischen, wieder entweicht und der Schüler eine an Kohlensäure zu reiche Luft zur Athmung erhält.

Der oft verminderte Wassergehalt der durch die Luftheizung zugeführten warmen Luft entsteht dadurch, daß dieselbe mehr Wasser aufnehmen kann, als sie kalt besaß, und daher, wenn sie nicht bei der Erwärmung über große Wasserbecken streicht, einen trockenen Eindruck hervorbringt; eine direkte Verminderung des Wassergehaltes der Zimmerluft durch die Centralheizung findet nicht statt. Die zu trockene Luft ist ebenso nachtheilig für den Organismus wie eine zu nasse. Im ersten Falle machen sich Kopfschmerzen und Reizung des Athmungsapparates besonders bemerkbar, während durch die zu starke Feuchtigkeit die Verdunstung des Körpers gehindert wird, Beklommenheit und Mattigkeit entsteht. Die relative Feuchtigkeit des Zimmers soll 50 bis 60 Prozent betragen, beträgt sie weniger, so muß für die Aufstellung von Wasserbecken im Zimmer gesorgt sein. Wir messen dabei nicht die Wassermenge, welche die Luft wirklich enthält, sondern drücken in Prozenten aus, inwieweit sie noch nicht vollkommen mit Feuchtigkeit gesättigt ist.

Ueber Heizung und Ventilation seines Zimmers muß der Lehrer aufs genaueste unterrichtet sein, denn auf deren zweckmäßiger Einrichtung beruht hauptsächlich das Wohlbefinden seiner Kinder. Ein Thermometer ist in dem Schulzimmer unentbehrlich. Dasselbe darf nicht befestigt sein, weil die Temperaturmessung während der Heizung an verschiedenen Stellen und Höhen des Zimmers vorzunehmen ist.

Es ist bei manchen Centralheizungen leider der Fall gewesen, daß zwischen den Luftschichten zu Köpfen und zu Füßen der Schüler Wärmeunterschiede von über fünf Grad stattgefunden haben. Das Klassenzimmer soll durchschnittlich 16 Grad R. enthalten. Die größte Reinlichkeit der Heizanlagen ist ein strenges Erforderniß, da Staub und Schmutz durch Verbrennung die Luft verunreinigen.

Da die in der Nähe des Ofens und der Heizröhren sitzenden Schüler mehr Wärme als die entfernteren erhalten, so kann der Lehrer dadurch viel verbessern, daß er blutarmen, für größere Wärme empfänglicheren Kindern diese Plätze anweist.

Empfindet der Lehrer, daß schon nach einigen Stunden eine sehr bemerkbare Luftverschlechterung eintritt, so muß er um sofortige Abhilfe besorgt sein. Auch in den kleineren Schulen beschäftigt sich wohl jetzt fast jeder Lehrer so viel mit Physik und Chemie, daß er eine einfache Kohlensäurebestimmung vornehmen kann, und sollten sowohl hierzu die notwendigen Apparate als auch zur Feststellung des Wassergehaltes der Luft (Wolpertsches Strohhygrometer) überall vorhanden sein.

Aus unserer obigen Darstellung ergiebt sich von selbst, daß die beste Ventilation durch das geöffnete Fenster geschieht. Durch die Oeffnung nur einiger Fensterflügel und der Thür wird in der Zwischenstunde die Kohlensäureanhäufung innerhalb fünf Minuten auf die Norm zurückgebracht. Während der Stunde muß aber der Lehrer berücksichtigen, daß auch bereits an nur einem geöffneten Fenster Zug stattfindet; nach oben fließt die warme Luft ab, nach unten tritt die kältere herein. Diesen leichten Zug können empfindliche Naturen schon nicht vertragen; Erkältung, selbst Gesichtslähmung schließen sich an. Während der Stunde ist daher ein von den Schülern entfernteres und womöglich oberes Fenster zu öffnen. Am Schluß der Schule soll aber eine ausreichende Fensterlüftung eintreten; doch wie wenig geschieht dies! Ich besuchte abends eine größere Anzahl Schulen; bei 60 Prozent war kein Fenster geöffnet, bei 30 Prozent ein kleines Schiebfenster, bei 10 Prozent ein Fensterflügel, nirgends standen die sämmtlichen Fenster offen! Auch bei Landschulen beobachtete ich die gleichen Verhältnisse. Selbst im Sommer, während der Mittagszeit, fanden sich die Fenster meistens geschlossen.

An den Schulfenstern zeigt die moderne Schularchitektur die geringsten Fortschritte; sämmtliche Fenster, auch die oberen, müssen leicht zu öffnen und zu schließen sein und Haken zum Feststellen überall das Offenbleiben ermöglichen. Vorrichtungen sind zu treffen, daß auch in der Nacht die Fenster offen zu halten sind und Regenwasser keinen Schaden stiftet, da in den Sommermonaten nur hierdurch eine gründliche Lufterneuerung möglich ist.

Je größer die Luftdifferenz in Bezug auf Temperatur, Kohlensäureanhäufung und andere Verunreinigungen ist, desto schneller erfolgt die Ausgleichung, wenn plötzlich gute Luft zugeführt wird. Sofort nach Schluß der Schule, im Sommer auch mittags, muß der Lehrer, nachdem die Kinder rasch das Zimmer verlassen haben, durch einige zurückgebliebene sämmtliche Fenster, womöglich auch Thür und Korridorfenster, öffnen lassen, wodurch binnen kürzester Zeit die vollkommenste Durchlüftung erfolgt; selbstverständlich aber darf er weder die Kinder, noch sich der entstehenden Zugluft aussetzen. Das Schließen abends hat der Schulwärter zu besorgen. Vollständig verwerflich ist es, Kinder in der verdorbenen Luft nachsitzen zu lassen; hier muß jedesmal eine genügende Lüftung vorausgehen. Das Gleiche gilt von den jetzt in der Entstehung begriffenen, äußerst wohltätigen Instituten der Knabenhorte und von den Schulen, welche von Fortbildungsschülern benutzt werden.

Auf die einfachste Weise kann so der Lehrer, besonders mit Beihilfe von nur einige Male vorgenommenen Thermometermessungen an verschiedene Theilen des Zimmers und Berechnung der Wärmeabnahme vor und nach der Oeffnung von verschiedene Fenstern in der Zwischenstunde, eine Luft in seinem Klassenzimmer einführen, welche allen Anforderungen an die Gesundheit entspricht und ihm und seinen Schülern die geistige Arbeit erleichtert.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 703. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_703.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)