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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Deutsche Art, treu gewahrt.
Eine Hofgeschichte aus dem 17. Jahrhundert von Stefanie Keyser.

(Fortsetzung.)

Niedergedrückt, zerschlagen und zerstoßen kehrten die Bewohnerinnen der Dornburg heim. Die Damen des Gefolges sahen gänzlich deformirt aus, da sie aus den Kutschen und von den Pferden kletterten. Die Herzoginnen verschwanden lautlos in ihren Gemächern, ohne nur einen Augenblick die tief hereingezogenen Reisemützen zu lüften.

Käthchen verschmähte das Warmbier, das ihre Mutter heute wie bei allen Heimsuchungen kochte. Sie schloß sich ein und weinte die ganze Nacht in ihr großes, blaugewürfeltes Kopfkissen. Müde und verdrießlich begab sich am andern Morgen die Familie an ihr gewohntes Tagewerk. Der Schloßhauptmann wollte auf die Felder reiten, seine Ehegesponsin den Wirthschaftshof besichtigen, Käthe, wieder im kartekenen Röcklein, ihre Tauben füttern.

Da standen auf einmal alle drei wie vom Donner gerührt.

Wer kam dort durch das Thor herein geschritten, feierlich geschmückt mit scharlachenem Wams und einem Hut, von dem die Feder holzgerade emporstieg wie der Pappelbaum drüben neben seinem schönen Herrenhaus? Junker Utz! Zwei Diener folgten ihm, in die Farben seines Wappens gekleidet.

„Gott steh’ uns bei!“ brummte der Schloßhauptmann für sich. „Der sieht aus wie ein Freier. Zu ungelegenerer Zeit konnte er sich auch nicht aufmachen.“

Frau von Tautenburg faßte sich rasch, ging dem Gast freundlich entgegen und nöthigte ihn zum Eintritt, während ein verstohlener Wink Käthchen gebot, ihr zu folgen.

Dieser fiel das Herz bis in die Fußspitze. Sie hörte noch, wie Utz sagte: „Ich habe, seit Ihr verreist seid, nicht geschlafen, und mir schmeckt kein Bissen und kein Trunk. Solcherlei Sorgen, wie mich quälen, will ich mir lieber vom Halse schaffen.“

Und er verschwand mit ihren Eltern geruhig und selbstbewußt in der Hauspforte.

Käthchen sah sich um gleich einem gescheuchten Wild. Flugs wischte sie dem Taubenschlag zu, das dünne Leiterlein hinauf, schlüpfte durch die Thür und saß zwischen ihren Täubchen. Neugierig guckten die brütenden Täubinnen aus ihren Nestern auf sie herab, und die Tauber kamen heran, ob Krumen oder Körner für sie gestreut würden.

Wie gut hatten es die Thierlein! Die Schopftaube, die sich so zärtlich mit dem schlanken Feldflüchter schnäbelte, durfte sich paaren, wie es ihr Herzchen befahl. Niemand zwang sie, mit dem dicken Kropftauber dort ein Nest zu bauen. Er war zwar ein gutes Thier, der Kropftauber. Er fraß ihr aus der Hand und hatte auch ein schneeweißes Weibchen gefunden mit Lätschchen an den Füßen. –

„Käthe, wo bist Du?“ tönte die Stimme ihrer

Großmütterchen. Nach dem Oelgemälde von J. Günther.
Mit Genehmigung der Photographischen Gesellschaft in Berlin.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 789. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_789.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)