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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Siebzig Jahre im Dienst der Waffen und der Ehre.

Es war eine laue Sommernacht; ich fuhr in das kleine mecklenburgische Städtchen Parchim ein, der Mond schien hell und senkte seinen Strahlenkranz verschönend auf die Häuserreihen des Ortes. Da hielt mein Kutscher plötzlich, mit der Peitsche nach einem Standbilde deutend, welches sich auf einem freien Platze erhob.

„Un dat is nu uns’ Moltke,“ erklang es aus dem Munde des biederen Mecklenburges. „Unser Moltke!“ – ich hätte den Mann dafür umarmen mögen, stieg aus und schaute mit Ehrfurcht zu der Statue des großen Mannes auf. Wie feierlich alles ringsum da lag, als ob die Stadt den großen Sohn, der in ihren Mauern das Licht der Welt erblickt hatte, dadurch ehren wollte! Unser ist er, allen, allen gehört er an, dem Kaiser und dem König, den geeinten deutschen Fürsten, dem gesammten Heere, dem ganzen Vaterlande, dem alten biederen Rosselenker auf dem Kutscherbocke und mir selbst! „Unser Moltke!“ Wer nennt ihn anders? Der älteste Greis, das Kind auf dem kleinsten entlegensten Dorfe weiß, wer unser Moltke ist und was er für das Vaterland gethan hat!

Heute nun steht er 70 Jahre im Dienste der Waffen und der Ehre! Siebzig Jahre, ein langer, langer Zeitraum, der so Großes in sich birgt, wie es das deutsche Vaterland noch nie erfahren hat.

Ich ging in das einfache Gasthaus des Städtchens, da schauten mich schon wieder seine Denkeraugen an. Die Bildnisse dreier Männer, die für ewige Zeiten im Buche der Geschichte, im Gedächtnisse des Volkes ein Kleeblatt von unerreichbarer Menschengröße bilden werden, hingen dort an der Wand. Der große Kaiser, ihm zu seiten der Fürst Bismarck und unser Moltke. Zieht durch das weite deutsche Vaterland, geht übers Meer, bis dahin, wo nur noch eine deutsche Zunge klingt, und dieses Dreigestirn fehlt fast in keinem Hause, bald als Kunstwerk von höchstem Werthe, bald einfach schlicht, bald kaum noch erkennbar, nur noch ein schwacher Abglanz der Züge dieser Männer, doch überall als Zeichen treuer Liebe und Verehrung.

Der eine von ihnen hat nun sein trauernd Volk verlassen, ist eingerückt zur großen Armee. Die beiden anderen leben noch,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_157.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2020)