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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

ergraut zwar im Dienste des Vaterlandes, doch jünglingsfrisch an Geist und Thatkraft und so ergeben dem Enkel ihres heimgegangenen Kaisers wie einst diesem selbst.

Soll ich erzählen, was unser Moltke gethan hat? Ein jeder weiß es und man müßte Bücher schreiben, wenn man nur annähernd das berichten wollte, was er geleistet hat, und dennoch, heute an seinem Ehrentage, verlangt es ein Bedürfniß des Herzens, sein thatenreiches Leben flüchtigen Blickes zu streifen.

Das mecklenburger Land, das uns schon „den alten Blücher“ gegeben, hat uns auch Helmuth Karl Bernhard von Moltke geschenkt. In Parchim erblickte er am 26. Oktober des Jahres 1800 das Licht der Welt, lebte dann mit seinen Eltern auf dem Lande und von 1803 bis 1807 in Lübeck, der alten Hansastadt. Da sah er, wie 1806 am 6. November die Franzosen die ehrwürdige Stadt und auch sein Vaterhaus in wilder Wuth plündernd überfielen, und wohl mag den Knaben damals schon der Wunsch beseelt haben, den Franzmann einst dafür zu strafen. Nun, wahrhaftig, er hat’s ihm heimgezahlt!

Die Erziehung des Knaben machte seine Entfernung aus dem väterlichen Hause nöthig und er sowohl wie sein jüngerer Bruder wurden bei dem Pastor Knickbein in Hohenfelde untergebracht. Das war eine schöne Zeit und Helmuth hat sie nie vergessen, denn seine „Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839“, jene Meisterwerke deutscher Sprache, voller Verständniß für die damaligen Verhältnisse im Orient, reich an tiefen Gedanken, gewürzt mit feiner Satire und gutem Humor, hat er dem ehrwürdigen Herrn mit folgenden Worten überschickt:

„Meinem lieben Lehrer und väterlichen Freunde, dem ich so vieles verdanke, sende ich dies, mein Erstlingswerk, als ein schwaches Zeichen meiner Verehrung. H. von Moltke.“ 

Doch lange sollte diese schöne Zeit in Hohenfelde nicht dauern, denn bald brachte der Vater, der dänische Generallieutenant Viktor v. Moltke, die beiden Söhne nach Kopenhagen in die Landeskadettenakademie, um sie zum dänischen Kriegsdienste ausbilden zu lassen. Moltke selbst sagt als reifer Mann über jene Zeit, daß seine Erziehung eine strenge, ja eine fast zu strenge gewesen sei; desto freundlicher gedenkt er der schönen Stunden, welche er im Hause des Generals Hegermann-Lindencrone verleben durfte. Im Jahre 1818 bestand er mit Auszeichnung die Offiziersprüfung, mußte ein Jahr als Hofpage dienen und rückte endlich am 8. März 1819 als Lieutenant in das „oldenburgische Infanterieregiment“ ein, welches in Rendsburg garnisonirte. Unsere Illustration zeigt neben einem Porträt des Feldmarschalls aus neuester Zeit, nach einer Photographie von Loescher und Petsch in Berlin, auch ein Bildniß des jungen dänischen Lieutenants v. Moltke in sorgfältiger Holzschnittausführung nach einem feingemalten Medaillonporträt, dem einzigen Jugendbilde Moltkes, welches, soweit bekannt, existirt und dessen Benützung uns durch die Güte eines Freundes der „Gartenlaube“ gestattet wurde. Die jugendlichen Züge lassen schon denselben energischen Schnitt und geistvollen Ausdruck erkennen, welche den Kopf des späteren Schlachtenlenkers charakterisiren. Dem jungen Lieutenant gaben schon damals eiserner Fleiß, energischer Wille, Dienstkenntniß, gepaart mit Freundlichkeit und regem kameradschaftlichen Gefühle, eine hervorragende Stellung unter seinen Kameraden und gewannen ihm doch zugleich ihre Herzen. Die Aussichten in Dänemark waren aber trübe, Norwegen war an Schweden abgetreten worden, und man verringerte zwar dem entsprechend die Armee, behielt aber das Offiziercorps in voller Stärke bei. Das war kein Feld für einen Geist, wie er in dem jungen Moltke schlummerte. Er erbat seinen Abschied, über welchen unsere Leser unter „Blätter und Blüthen“ dieser Nummer interessante Einzelheiten finden.

Von Geburt ein Deutscher, fühlte und dachte Moltke deutsch, und somit wandte er sich nach Preußen, legte dort eine vorzügliche Offiziersprüfung ab und trat im Jahre 1822 als Sekondlieutenant im 8. Leibinfanterieregiment, welches damals, wie noch heute, in Frankfurt an der Oder lag, ein. Mit regem Eifer widmete er sich dem täglichen Dienste, betrieb aber dabei doch noch seine kriegswissenschaftlichen Studien. Schon 1823 besuchte er die allgemeine Kriegsschule, jetzt Kriegsakademie zu Berlin. Neuere Sprachen, Militärwissenschaften, die Geschichte beschäftigten seinen nimmerrastenden Geist, und schon im Jahre 1831 erschien eine Schrift von ihm, worin er lebhaft für Kaiser Joseph II. – „dem die Weltgeschichte noch eine große Ehrenerklärung schuldig sein dürfte“ – eintrat. Ein Jahr später – man bedenke, Moltke war noch Sekondlieutenant – wurde er zum großen Generalstab kommandirt und schon im nächsten in denselben eingereiht. Um diese Zeit veröffentlichte er eine zweite Schrift, über Polen.

Moltkes Drang, die Welt zu sehen, nicht um sich in ihr zu vergnügen, sondern um seine Kenntnisse und seinen Blick zu erweitern, war ein unbegrenzter, und so nahm er Urlaub, um den Orient zu bereisen. Seine Abwesenheit sollte ursprünglich nur von kurzer Dauer sein, währte aber schließlich vom Jahre 1835 bis 1839. Aus dieser Zeit, während deren er in der Türkei die eingehendsten militärischen Studien machte, im Auftrage der Regierung die Festungen besichtigte, zur Neugestaltung der türkischen Armee beitrug und dem Sultan bei den in diese Zeit fallenden Kämpfen als Generalstabsoffizier diente – er focht am 27. Juni 1839 in der Schlacht bei Nisib mit – stammen jene schon erwähnten Briefe aus dem Orient. An Erfahrungen und Ehren reich, kehrte Moltke im Herbste 1839 nach Berlin zurück. Das, was er in der Ferne gelernt hatte, ist der Heimath zugute gekommen. Sein freier Blick, seine Gewandtheit in Benutzung des Terrains hatten sich dort mehr und mehr erweitert, und dieser Schule mögen zu einem großen Theile die Lorbeeren mit zu verdanken sein, welche die preußische Armee bei Königgrätz und die deutsche auf den französischen Schlachtfeldern sich errungen hat. Jetzt erschienen von seiner Hand Karten von Konstantinopel, von den Befestigungen des Bosporus und von Klein-Asien, die von seinem Talent als Zeichner, von seiner Gabe scharfer Auffassung beredtes Zeugniß ablegten. 1840 wurde er zum Generalstabe des 4. Armeecorps versetzt und zwei Jahre später zum Major befördert. Um diese Zeit war es, daß der nicht mehr junge Offizier der lieblichen Mary Burt die Hand zum Ehebund reichte. Wohl mancher erinnert sich noch des jungen Paares, wie es in Berlin durch den Thiergarten schritt: er groß, stramm militärisch, und sie blond, zart, wie eine Blüthe an seinen Arm geschmiegt.

Es konnte nicht ausbleiben, daß die Bedeutung dieses Mannes in den höchsten Kreisen mehr und mehr anerkannt wurde. So kam es, daß er 1845 zum persönlichen Adjutanten des Prinzen Heinrich von Preußen, eines Onkels des Königs Friedrich Wilhelm IV., der sich vielfach in Rom aufhielt, ernannt wurde. Moltke fand hierdurch Gelegenheit, dort eingehenden topographischen Studien obzuliegen, infolge deren seine „Wanderungen um Rom“ entstanden.

Im Jahre 1848 wurde er Chef des Generalstabes in Magdeburg, und hier hatte ich das Glück, ihn im Hause meiner Eltern zu sehen. „Moltke hat zugesagt,“ hörte ich meine Mutter voller Freude zu meinem Vater sagen. Er kam wirklich, und selbst mir, dem Knaben, fiel es auf, wie klug sein Auge blickte, wie fein und geistreich seine Züge waren und wie sein Erscheinen einen wahren Glanz über den kleinen Kreis verbreitete. Voller Andacht lauschte ich, wie er vom Orient erzählte und von Rom, wo während seiner Anwesenheit Gregor XVI. gestorben war und Graf Mastai-Ferretti als Pius IX. den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte.

„Du mußt nun zu Bett, mein Sohn!“ sagte meine Mutter.

„So was höre ich in meinem ganzen Leben nicht wieder, Mama,“ bat ich dagegen.

Ein freundliches Lächeln umspielte Moltkes Mund, er legte ein gutes Wort für mich ein, und wirklich durfte ich bleiben.

Im Jahre 1855 wurde der nunmehrige Generalmajor zum ersten persönlichen Adjutanten des damaligen Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, des späteren Kaisers Friedrich III., ernannt, siedelte mit ihm nach Breslau über, war sein Begleiter nach Rußland, London, Paris und Italien. Alle diese Reisen gaben ihm abermals Gelegenheit, die fremden Armeen und fremdländisches Leben kennen zu lernen und die Welt mit neuen litterarischen Schätzen zu bereichern.

Das Jahr 1857 sollte ein entscheidendes für Preußen werden; König Friedrich Wilhelm IV. erkrankte, der Prinz von Preußen übernahm die Stellvertretung und ein Jahr später die Regentschaft. Da wurde Moltke sein Generalstabschef, und fortan waren diese beiden Helden unzertrennlich im Frieden wie im Kriege.

Von jetzt an genügte Moltke nicht mehr das reine militärische Wissen, seine hohe Stellung machte auch diplomatische Gewandtheit nothwendig und mehr als einmal fand er Gelegenheit sich als gewandten Staatsmann zu zeigen. Das Jahr 1864

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_158.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)