Seite:Die Gartenlaube (1889) 251.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

ungern, eine ihm obliegende polizeiliche Pflicht. Allerdings kann ein Wirth eine solche Aufforderung in Ausübung seines Hausrechts erlassen, wenn ihm z. B. die späten Gäste unbequem sind, oder er wirklich das Lokal zu schließen wünscht. Wenn er diese Absicht, von seinem Hausrechte Gebrauch zu machen, in erkennbarer Weise, etwa durch den Ernst der Aufforderung oder in anderer Weise, kundgiebt, so begehen die trotzdem verbleibenden Gäste, wenn sie diese Absicht erkannt haben, allerdings einen Hausfriedensbruch. Im anderen Falle, wenn der Wirth bloß seiner Pflicht nachkommen wollte, sind die Gäste nur nach § 365, I des Strafgesetzbuches strafbar, und zwar heißt ihre That alsdann „Verweilen über Polizeistunde“ und wird mit höchstens 15 Mark Geldstrafe belegt.

Wie der § 123 weiter sagt, gehört der Hausfriedensbruch zu den „Antragsvergehen“, das heißt die Verfolgung dessen, der den Hausfrieden gebrochen, tritt nur ein auf Antrag desjenigen, dessen Hausfrieden gebrochen wurde. Der einmal gestellte Antrag kann nicht zurückgenommen werden. Man stelle ihn daher nur nach reiflicher Ueberlegung, denn gerade solche unwiderrufliche Anträge haben schon manchen, der „vorgethan und nachbedacht“ gereut. Auch kann der Strafantrag nicht getheilt werden. Ist er gegen einen Thäter gestellt, so verfolgt die Staatsanwaltschaft von Amts wegen, auch gegen den Willen des Antragstellers, alle Theilnehmer an der That, also auch etwa mit in die Sache verwickelte Freunde und Verwandte des Antragstellers, die zu verfolgen vielleicht gar nicht in dessen Absicht lag.

Der Hausfriedensbruch, den wir bisher besprochen haben, ist der sogenannte „einfache Hausfriedensbruch“. Geschieht er unter erschwerenden Umständen, so heißt er „qualifizierter Hausfriedensbruch“. So bedroht der Schluß des § 123 den Hausfriedensbruch, der von einer mit Waffen versehenen Person oder von mehreren gemeinschaftlich begangen ist, mit Gefängniß von einer Woche bis zu einem Jahre, ohne daß auf einfache Geldstrafe erkannt werden kann, der § 124 in dem Falle, daß sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und in der Absicht, Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Sachen zu begehen, in befriedete Räume eindringt, einen jeden, der an diesen Handlungen theilnimmt, mit Gefängniß von einem Monate bis zu zwei Jahren, endlich der § 342 den Hausfriedensbruch, den ein Beamter im Dienste begeht, mit Gefängniß bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu 900 Mark.

Bei allen diesen schweren Arten des Hausfriedensbruches ist kein Antrag erforderlich, der Staatsanwalt verfolgt die That von Amts wegen.

Nun noch eine Schlußbetrachtung:

Das Hausrecht ist ein altes, heiliges, seit undenklicher Zeit im Volksbewußtsein lebendes Recht. Das alte deutsche Recht kannte noch einen besonderen Kirchen- und Burgfrieden, dessen Verletzung es härter ahndete als die des einfachen Hausfriedens. Die Störung religiöser Andacht wird auch jetzt noch besonders bestraft, den Burgfrieden aber kennen wir nicht mehr. Hütte und Burg genießen jetzt denselben Schutz gemäß dem alten Wort: „Mein Heim ist mein Schloß.“

Wie heilig aber der alte Germane, gastfreundlich und keusch, trotz seiner sonstigen Neigung zu Fehde und Gewalt, das Hausrecht hielt, sehen wir daran, daß seine alten Rechte andere Verbrechen, wie Todtschlag, Diebstahl, Ehebruch, härter bestraften, wenn sie im eigenen Hause des Verletzten geschehen waren. In schöner Weise sagt ein altes nordisches Recht, das „Gulathing“:

„Das ist auch eine unsühnbare That, wenn jemand einen Mann innerhalb seiner Pfähle erschlägt, oder des Hofes draußen, oder innerhalb des Zaunes, welcher Feld und Anger umgiebt, neben seinem Hause – außer wenn er es thut, um sich zu wehren.“ Justus.




Der erste Ausgang.

(Zu dem Bilde S. 253.)

So lang’ lag unser Kind zu Bett,
Den Kopf so heiß und schwer;
Und wenn’s nicht gefolgt dem Doktor hätt’,
Dann lebte es wohl nicht mehr.
Dann wär’s ein Engel im Himmel hoch
Und hätt’ uns gelassen allein –
Und wir wollten’s doch herzen und küssen noch
Und mit ihm fröhlich sein!

So lang’ lag draußen der weiße Schnee,
Da gab es nicht Weg noch Bahn,
Da schrie vor Hunger im Wald das Reh,
Und der Frühling wollte nicht nahn!
Unser Kind, das hat verschlafen die Zeit,
Und die Mutter hat sie verwacht –
Nun trag’ ich’s ja aus, nun wandern wir beid’
In die blühende Frühlingspracht.

Und siehst Du Masliebchen und Veilchen auch?
Und die Leberblumen blau?
Und drüben zwischen dem Gras und Lauch
Die Himmelsschlüssel in Thau?
Sie schlossen nicht auf die Himmelsthür,
Es war nicht an der Zeit –
Sie ließen mein blondes Englein mir
Und meine Seligkeit.

Und hörst Du droben des Schwälbchens Laut,
Das am Haus die Jungen geatzt?
Die Nachtigall ist wieder die Braut,
Und der Star am Kasten schmatzt.
Sie flogen so weit ins fremde Land
Und fanden zurück mit Müh’ – –
Und hätte es Gott nicht abgewandt,
So flogst Du viel weiter als sie!

Mein Englein matt, ich halte Dich fest –
Die Welt ist so wunderschön!
Wenn Osterhäslein baut sein Nest:
Was gilt’s, dann kannst Du gehn?
Dann holst Du mir seine Eier stolz
Und die Veilchen vom Gartengang,
Und springst mit dem Eichhorn im grünen Holz,
Wie einst Dein Füßchen sprang.  Victor Blüthgen.




Lore von Tollen.

Roman von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Nun war Käthe das Glück geworden, das heiß ersehnte Glück! Wunderlich, in diesem Moment fühlte sie weiter nichts als eine seltsame Müdigkeit. Sie stieß die Bücher, die sie sich heimlich aus der Leihbibliothek geholt, zurück – sie hatte jetzt ein Stück Wirklichkeit erlebt, das schönste in einem Mädchenleben; war es wirklich so schön, als es beschrieben wird? Käthe wußte es nicht zu sagen. Sie gähnte auf einmal und nach kaum einer Viertelstunde lag sie im Bett und schlief. – – – –

Ihm ward es nicht so gut. Er suchte, zurückgekommen, die Mutter auf. Sie saß bei der Lampe mit einer Bekannten, der Frau Bürgermeisterin, die etwas „zum Lichten“ gekommen war, wie die abendlichen Besuche der Damen, denen daheim die Zeit zu lang wurde, hierorts genannt werden, denn die Westenberger Hausväter pflegten nach dem Abendessen in das Stammlokal zu gehen. Artigkeitshalber nahm Ernst Platz und hörte die große Neuigkeit mit an, daß zum ersten April jene sehnsüchtig erwarteten Schwadronen eines Ulanenregiments einziehen würden, die Westenberg zur Garnison zu erheben bestimmt waren. „Und denken Sie, liebste Frau Schönberg, die Beckersche Villa kauft die Stadt; da hinter dem Hause errichten sie Kasernen, nächst der Straße wird das Terrain zu Bauplätzen verwerthet, und die Villa selbst, – da miethet der Kommandeur die erste Etage, und die andere einer von den verheiratheten Rittmeistern.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_251.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2020)