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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Diese Frage, die alljährlich, wenn die Schwalben zurückgekehrt sind, so häufig gestellt wird, läßt sich im allgemeinen dahin beantworten, daß die Sommerfrische in erster Linie reine Luft, gesunden Boden und günstige Vegetationsverhältnisse bieten muß.

Obgleich die wissenschaftlichen Untersuchungen über die Zusammensetzung einer reinen Luft, über die Mengeverhältnisse des Sauerstoffes in derselben, über die Bedeutung des Ozons (einer Form des Sauerstoffes) noch in ihren Anfängen sind, so läßt sich doch nach dieser Richtung so viel als sicher angeben, daß die Luftreinheit durch die Beimengung gewisser gasförmiger Stoffe sowie staubförmiger und chemischer Zersetzungsprodukte beeinträchtigt wird, welche ihre Entstehungsursache in organischen Vorgängen in dem Grund und Boden haben, oder von Menschen und Thieren ihren Ausgangspunkt nehmen. Kohlensäure, Kohlenwasserstoff, Kohlenoxydgas, schweflige Säure, Schwefelwasserstoff, Salzsäure sind, wenn sie in beträchtlicher Menge der Luft beigemengt sind, solche Luftverderber, und ebenso zählt der Staub bekanntlich zu den gesundheitsschädlichen Bestandtheilen der Luft. Bei der erstaunlich großen Menge Luft, die wir zur Athmung bedürfen, erscheint schon ein kleines Deficit an Sauerstoff, welches durch das Ueberwiegen schädlicher Stoffe in der eingeathmeten Luft gedeckt wird, von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Lebensvorgänge. Während in der Luft geschlossener, von Häusern und Rauch umgebener Plätze 20,6 bis 20,87 Prozent Sauerstoff nachgewiesen wurden, wird als Mittel des Sauerstoffgehaltes einer besonders reinen Luft am Seeufer und auf offenen Heiden 20,999 Prozent angegeben. Der Unterschied ist anscheinend äußerst gering, aber seine Wirkung auf den Organismus ist eine empfindliche. Das Ozon fehlt dort, wo sich viele in Fäulniß begriffene Stoffe befinden, ebenso wie in den Krankensälen der Spitäler gänzlich; in freier Luft, im Walde, auf den Bergen, am Meeresstrande kann man aber reichliche Ozonmengen in der Luft nachweisen.

Der Staub bildet eine in ihrer Menge und Zusammensetzung sehr wechselnde Verunreinigung der Luft. Der Mineralstaub der Luft ist vorzüglich von der Bodenbeschaffenheit abhängig und besteht vorwiegend aus den diesem Boden entrissenen kleinen Mineraltheilchen von Kiesel, Eisen, Kalk etc., welche oft von weiter Ferne herbeigetragen werden. Der pflanzliche Staub ist aus seinen vegetabilischen Theilchen, aus Blütenstaub und Pflanzenhaaren, zusammengesetzt. Beiden Arten von Staub sind oft Keime von Pilzen und jene mikroskopisch kleinsten Lebewesen beigemengt, welche in der letzten Zeit so verschiedenfach als Träger von Ansteckungsstoffen, als Gährungs- und Fäulnißkeime, überhaupt als Krankheitserreger erkannt worden sind. Der ursächliche Zusammenhang zwischen Staub und Krankheiten, welchen die Forschungen der Gegenwart dargelegt haben, läßt den großen Unterschied ermessen, welcher zwischen der stauberfüllten dicken Stadtluft und der reinen klaren Luft der Gebirgsgegend in gesundheitlicher Beziehung herrscht.

Begreiflich ist es daher, daß das oben aufgestellte Erforderniß der Luftreinheit nicht leicht zu befriedigen ist in der näheren Umgebung von Städten, wo Fabriken ihre schwarzen Rauchwolken in den Dunstkreis senden, wo viele Menschen dicht zusammengedrängt in kleinen Räumen ihr Leben fristen, oder in Orten, welche, an vielbefahrener Landstraße gelegen, oft in dichte Massen des aufwirbelnden Staubes gehüllt werden, oder auch dort auf dem Lande, wo die Begriffe von Reinlichkeit noch sehr dunkel sind und man auf Schritt und Tritt Resten von pflanzlichen und thierischen Stoffen begegnet, welche unter dem Einflusse von Feuchtigkeit und Wärme sich zersetzen und die Atmosphäre mit Fäulnißstoffen erfüllen. Die reinste Luft findet man im allgemeinen in Gebirgsgegenden, wo die Höhenluft den Vorzug bietet, frei von Gährung erzeugenden und Zersetzung fördernden Stoffen zu sein, und am Meeresstrande, wo die Seeluft keine schädlichen Beimengungen mit sich führt. Es genügt jedoch nicht bei der Wahl einer Sommerfrische, darauf zu sehen, daß die Luft daselbst sich durch möglichst große Reinheit auszeichne, sondern es sind noch andere Verhältnisse der Atmosphäre: die Wärme der Luft, die Menge von Feuchtigkeit, welche in derselben enthalten ist, die Häufigkeit des Regens, die Stärke und Dauer der Besonnung des Ortes, die Dichtigkeit der Luft, die Richtung der vorherrschenden Winde wohl zu berücksichtigen. Die Sommerfrische muß, um den Stoffwechsel in günstiger Weise zu beeinflussen, eine gewisse milde Atmosphäre bieten, welche den Luftschnappern daselbst gestattet, recht viele Stunden des Tages in angemessener Kleidung im Freien zu verweilen und so in behaglicher Weise ihren Hunger nach frischer Luft zu stillen.

Die Gestaltung des Bodens, die Erhebung eines Ortes über dem Meere hat nicht nur mannigfachen Einfluß auf die Temperatur der Luft, auf ihre Feuchtigkeit und auf den Luftdruck, sondern in der Bodenbeschaffenheit liegt, wie die wissenschaftliche Forschung nun klar erwiesen hat, auch ein hochwichtiges Moment für die gesundheitsgemäße Entwickelung des Ortes oder für die Entstehung von Krankheiten unter seinen Bewohnern. Wo die physikalische Beschaffenheit der Bodenoberfläche oder der unterhalb derselben befindlichen Gesteinsart ein schnelles Abfließen der in den Boden gedrungenen Feuchtigkeit nach unten verhindert und der Boden zugleich reich an sich zersetzenden thierischen und pflanzlichen Stoffen ist, ergiebt sich leicht Anlaß zur Entwicklung mannigfacher Krankheiten. Namentlich das Wechselfieber, der Unterleibstyphus, die Cholera, die Ruhr sind solche Krankheiten deren Zusammenhang mit dem Boden durch eine Reihe von Thatsachen dargelegt wurde; aber auch bei der Lungenschwindsucht ist der Einfluß der Bodenverhältnisse auf die Entwickelung dieser eben so sehr verbreiteten wie mörderischen Erkrankung sehr wahrscheinlich. In welcher Weise der Boden seine Rolle als Förderer von Krankheiten spielt, wie nach dieser Richtung die Schwankungen des Grundwassers wirken, davon wollen wir hier nicht sprechen, sondern nur eben darauf hinweisen, daß dieser Einfluß des Bodens auch bei Wahl der Sommerfrische in Rechnung zu ziehen ist.

Sumpfboden ist als durchaus schädliches Gebiet sorgfältig zu vermeiden. Bodenarten von Thon, dichtem Mergel sind ungesund, da das Wasser weder abläuft noch durchgeht. Krystallinisch körnige und schieferige Gesteine hingegen, die stark abfallen und das Wasser gut abfließen lassen, sind gesund; Sümpfe sind in ihnen selten; die Luft über ihnen ist verhältnißmäßig trocken. Ein Gleiches gilt vom Thonschiefer, von Kalkstein- und Dolomitfelsen, sowie vom Kies; auch diese zeichnen sich durch starken Abfall gegen die Ebene und den schnellen Wasserablauf aus. Auch der Kreideboden ist, wenn er nicht mit Thon gemischt ist, sehr gesund. Sandboden ist gesund, wenn die durchlässigen Sandsteine eine mächtige Lage bilden, ungesund aber, wenn der Sand mit viel Lehm gemischt ist oder Lehm unter einer flachen Sandsteinschicht liegt.

Einen wesentlichen Einfluß auf das Klima hat endlich die Vegetation des Bodens, und darum sind Sommerfrischen in waldiger Lage am meisten vorzuziehen. Der Wald gewährt nämlich nicht nur Schutz gegen heftige Windströmungen und gegen sengende Sonnenstrahlen, sondern der Gang der Temperatur in einer Waldgegend ist gleichmäßiger als im Freilande; die Extreme der Temperaturgrade sind geringere als an nicht bewaldeten Stellen. Die häufigeren Niederschläge in der Waldgegend haben eine bessere Reinigung der Luft von verschiedenen Beimengungen zur Folge. Im Walde findet ferner durch einen stetigen Luftstrom am Boden des Waldes nach dem Freien und von hier zurück nach den Baumkronen eine beständige Ventilation statt, welche die Luftreinheit fördert. Die Ausdünstungen der Bäume, besonders diejenigen harziger Natur in den Nadelholzwaldungen, die Veränderungen, welche der Athmungsprozeß der Blätter des Laubholzbestandes im Ozon-, Sauerstoff- und Kohlensäuregehalte der Luft mit sich bringt, sind gleichfalls von günstiger Rückwirkung auf die Gesundheit. Der mit Gras, Klee und anderen dicht an einander stehenden Pflanzen bedeckte Boden, das Gras- oder Wiesenland, bietet keine so günstigen Verhältnisse wie die durch Wald oder reichlichen Baumwuchs ausgezeichnete Gegend. Die Abkühlung der Wiesenluft und ihre Feuchtigkeit ist zuweilen eine allzu große. Wo aber die Vegetation nur durch Torf vertreten ist, da lasse man sich nicht nieder, denn da ist die Luft stets feucht und kühl und enthält die mit Recht gefürchteten Pilze des Sumpfbodens.

Am besten eignet sich zur Sommerfrische ein ringsum von hohen Bergen und Waldungen gegen rauhe Winde geschütztes, nach Süden offenes Gebirgsthal, dessen Breite der Sonne genügenden Zutritt zu gewähren vermag, wo zugleich der Boden recht trocken ist, und wo es an schattigen Spazierwegen in Nadelholz- oder Laubholzwaldungen nicht fehlt. Die Nähe von Sümpfen, versumpften Teichen und Pfützen, von Fabriken und gewerblichen Anlagen, welche belästigende oder gesundheitsschädliche Ausdünstungen mit sich führen, ist bei der Wahl der Wohnungen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_354.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)