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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Die Wettinerstadt Meißen.

Ein Erinnerungsblatt zum 800jährigen Jubiläum des Wettiner Fürstenhauses.
Von E. Rasche. Mit Illustrationen von Paul Nemmert.

Schloß Wettin.

Meißen, die alte Markgrafenstadt, ebenso reich an geschichtlichen Erinnerungen wie an Reizen der sie umgebenden Natur, ist in ihrer fast tausendjährigen Entwickelung mit der Geschichte der Wettiner, deren altes Stammschloß sich heute noch, freilich in gänzlich umgewandelter Gestalt, einige Wegstunden unterhalb Halle über das freundliche Ufer der Saale erhebt, eng verknüpft. Sind doch die drei Stätten, die der Meißner mit berechtigtem Stolze als die Perlen seiner so reich begnadeten Heimath rühmt – die Albrechtsburg, das altehrwürdige Denkmal gothischer Baukunst, die Fürsten- und Landesschule St. Afra, die altbewährte Heimstätte klassischer Bildung, und die Porzellanmanufaktur, die Pflegstätte gewerblicher Kunst, die Meißens Ruhm in alle Lande hinausgetragen hat – Schöpfungen Wettiner Fürstenhuld!

Die Pflicht der Dankbarkeit gebietet daher, am achthundertjährigen Jubelfeste des Wettiner Herrscherhauses den Beziehungen der Wettiner zu dem geschichtlichen Entwickelungsgange der Stadt Meißen ein Blatt freundlichen Gedenkens zu widmen.

Von hoher Bedeutung war das alte „Misni“ mit seinen Festungswerken schon vor der Zeit der Wettiner. Die alte Feste bewährte sich im Sinne ihres hochherzigen Erbauers, des Königs Heinrich I., als ein starkes Bollwerk gegen das heidnische Slaventhum, und christliche Religion und deutsche Gesittung fanden von hier aus sicheren Schutz und kräftige Ausbreitung.

Während der Minderjährigkeit des Markgrafen Ekbert II. von Braunschweig, der mit der Mark Meißen belehnt worden war, führte ein Graf Dedo von Wettin, Markgraf der Niederlausitz, die Regierung. Nun wurde Ekbert II., gleich Dedo wiederholt in Fehde mit dem Kaiser Heinrich IV., 1089 seiner Markgrafenwürde entsetzt, dagegen Dedos Sohn, Heinrich von Eilenburg, mit der Markgrafschaft betraut. Heinrich wurde damit der erste Markgraf von Meißen aus dem Hause Wettin und von diesem Zeitpunkt an sind die Jahre des Wettiner Fürstenhauses gerechnet. Konrad von Wettin († 1157), der erste Wettiner, von welchem aus die Markgrafenwürde in dem Hause erblich weiter geführt wurde, verlegte dann sein Hoflager nach Meißen, in „das wohl verwahret fest Schloß“, das König Heinrich hatte erbauen lassen.

Die zielbewußte, kraftvolle Regierung Konrads, unter dessen Scepter sich die Landesgrenzen bedeutend erweiterten, die fürsorgliche Landesverwaltung Ottos des Reichen († 1190), dem durch die Entdeckung der ergiebigen Silberlager des Erzgebirges große Mittel zuströmten, und die umsichtige, besonnene Regierungsweise Heinrichs des Erlauchten († 1288), der die Landgrafschaft Thüringen als Erbtheil erkämpfte und sich dadurch zu einem der einflußreichsten Fürsten Deutschlands aufschwang, erhöhten nicht nur die politische Bedeutung der Mark, sondern auch den Wohlstand der Bevölkerung, was sich besonders auch in Meißen, dem Mittelpunkte der landesherrlichen Regierung, bekunden mußte.

Wohl blieb Meißen nicht die ausschließliche Residenz des Landes, denn die früheren Wettiner Fürsten liebten es, ihre Residenzen des öfteren zu wechseln; das Interesse der sächsischen Fürsten ist aber dem alten Stammsitz nie ganz verloren gegangen.

Die Bedeutung Meißens in früherer Zeit lag aber nicht allein in seiner Eigenschaft als Residenz der weltlichen Fürsten, sondern Meißen war durch Kaiser Otto I., den Nachfolger Heinrichs I., im Jahre 967 auch zum Sitz eines Bischofs erwählt worden. Unter dem Schutze desselben entstanden in Meißen drei Klöster: das Afrakloster, das Franziskanerkloster und das Nonnenkloster zum heiligen Kreuz. Drei Kirchen, ehemals mit diesen Klöstern verbunden, sind heute noch die Zeugen jener längst entschwundenen Klosterherrlichkeit: die Afrakirche, die arg verfallene Franziskanerkirche und die kleine idyllische Jakobskapelle an der alten Wasserburg, in welch letzterer anfänglich das Kloster zum heiligen Kreuz eingerichtet war. Später wurde das Nonnenkloster weiter stromabwärts verlegt, und malerische Ruinen erinnern noch an den stolzen Bau, der ihm einst diente.

Den Glanzpunkt des Meißner Bisthums bildete aber die prächtige Domkirche, die in ihrer eigenartigen Architektur ein rühmenswerthes Zeugniß gothischen Kunstfleißes bildet.

Drei Thürme, von denen nur der merkwürdige höckerige Thurm auf der Ostseite erhalten ist, schmückten ehemals den Dom, der in seiner heutigen Form 1312 unter Bischof Witigo II. vollendet wurde. Unter diesem Bischof wurde auch der Grund zu dem die Westgiebelfront abschließenden breiten Thurm gelegt. Im nächsten Jahrhundert aber erst wurde dieser Unterbau mit zwei gothischen Thürmen, zwischen denen sich die thurmartige Glockenhalle erhob, geziert. Bald nach ihrer Vollendung wurden diese zwei Thürme durch einen heftigen Sturmwind zerstört. Von neuem wieder aufgeführt, wurden sie am 24. April 1547, am Tage der Schlacht von Mühlberg, an welchem im Dom zu Ehren des Sieges das Tedeum erklang, durch einen Blitzstrahl abermals vernichtet. Die Thurmruine wurde 1600 nothdürftig überbaut, und da die erforderlichen Mittel zu einem dem Original entsprechenden Neubau fehlten, wurde 1698 auf der gemeinsamen Basis der alten Thürme ein breiter Aufbau, im Volksmunde „der Schafstall“ genannt, aufgeführt, der dem herrlichen Dome nichts weniger als zur Zierde gereichte. 1842 wurde dieser unschöne Aufbau abgetragen, und an seine Stelle trat eine Plattform mit Steingalerien, welche aber die fehlenden Thürme immer noch schmerzlich vermissen läßt.

Die durch den breiten Thurm gebildete Westfassade des Domes enthielt früher den Haupteingang, ein mächtiges Portal, mit vorzüglich ausgeführten Reliefs und Statuen geschmückt. Aber durch die fürstliche Begräbnißkapelle, 1425 bis 1428 von Friedrich dem Streitbaren, welcher das fürstliche Erbbegräbniß von dem Kloster Alt-Zella nach Meißen verlegte, erbaut, wurde dieses imposante Hauptportal verdeckt. An die fürstliche Begräbnißkapelle, in welcher die Kurfürsten Friedrich der Streitbare, Friedrich II. und Ernst und der Herzog Albrecht ruhen, schließt sich die kleine Begräbnißkapelle Georgs des Bärtigen, die Ruhestätte ihres Erbauers.

Dom und Schloß standen in früherer Zeit in unmittelbarer Verbindung, und gar oft entfaltete sich in den herrlichen Säulengängen der Domkirche, die mit überladener Pracht ausgeschmückt war, fürstlicher Glanz. Tiefernste Beisetzungen weltlicher oder geistlicher Würdenträger wechselten mit Festgottesdiensten, an denen feierliche Orgelklänge und jubelnde Lobgesänge ertönten, die hier, an den mächtigen Wölbungen sich brechend, zu ganz besonders

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_381.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)