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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Jahrgang 1885, S. 467 unseren Lesern vorgeführt. Die Projekte blieben unausgeführt. Als nun der Luftballon erfunden wurde, dachte man gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts auch an den Fallschirm; denn man hatte inzwischen auch erfahren, daß chinesische Gaukler mit aufgespannten Schirmen von hohen Thürmen sich herabgelassen haben sollten, und solche Apparate mochten manchem als gute Rettungsgeräthe in Feuersgefahr erscheinen. In der That gelang es Sebastian Lenormand in Montpellier, mit einem aufgespannten und gegen das Umkippen gesicherten Regenschirm sich von seiner Wohnung auf die Straße hinabzulassen. Die Versuche wurden fortgesetzt, man ließ zuerst Thiere an Fallschirmen hinab, und endlich erfand im Jahre 1797 Jacques Garnerin einen brauchbaren Fallschirm. Der kühne Mann wagte am 22. Oktober desselben Jahres in Paris den Sprung vom Ballon aus einer Höhe von 1000 Metern und langte glücklich auf der Erde an. Seine That ist bis jetzt von anderen schwerlich übertroffen und auch sein Fallschirm wesentlich nicht verbessert worden. Er hatte die Form einer Kugelcalotte von 7,8 Meter größtem Durchmesser und auch das kleine Loch in der Mitte, durch welches die komprimirte Luft abfließen konnte und welches so viele Reklamehelden des 19. Jahrhunderts als ihre ureigenste Erfindung ausgegeben haben.

Der Fallschirm kam später in Mißkredit und schuld war daran eine „Verbesserung“ desselben. Der englische Gelehrte Cayley, der Erfinder der Luft- oder Flugschraube, die der Leser im Jahrgang 1882, S. 216 der „Gartenlaube“ abgebildet und beschrieben finden kann, verfiel auf den Gedanken, einen Fallschirm von der Form der Samenkrone der Kompositen zu konstruiren. Es fand sich ein „Amateur“, der seine ganzen Glieder der Idee anvertraute. Am 27. September 1836 nahm der Luftschiffer Green den Amateur Cocking in seinem Ballon von Vauxhall in London aus in die Höhe. Cocking ließ sich, als der Ballon die Höhe von 1200 Metern erreichte, nieder, aber der neue Fallschirm funktionirte schlecht; der Unglückliche sauste herab und wurde auf dem Erdboden zerschmettert. – Erst nach geraumer Zeit nahm man wieder Fallschirmexperimente auf, wobei man im großen und ganzen dem Modell Garnerins treu blieb. In Amerika wurden diese Schaustellungen, die ja ohne Zweifel interessant sind, Mode und die amerikanischen Luftstürzler kamen auch nach Deutschland.

Der Fallschirm des Luftschiffers Leroux hat kürzlich in der deutschen Hauptstadt auch seitens der militärischen Behörden Beachtung gefunden. In dem Gehöfte der Luftschifferabtheilung auf dem Tempelhofer Felde wurde der zwischen 11 und 12 Meter hohe seidene Ballon mit etwa 700 Kubikmetern Leuchtgas gefüllt und dann, trotz ungünstigen Wetters, für die Auffahrt in Bereitschaft gesetzt. Der Fallschirm war an der Seite des Ballons befestigt, von wo er durch eine einfache Vorrichtung leicht gelöst werden kann. Bis zu der Höhe von über tausend Metern war Leroux bereits emporgestiegen, als sich durch starke Ferngläser seine Vorbereitungen zum Fall erkennen ließen. Er löste den Schirm und im nächsten Augenblick glaubte man ihn auf die Erde niederstürzen zu sehen, aber schon hatte sich der Schirm entfaltet, aufgebläht und schwebte nun ruhig und langsam zur Erde nieder. Das Experiment war gelungen.

Der Aufstieg in dem Ballon ist in Berlin wiederholt worden und jedesmal der Absturz mit dem Fallschirm ohne Unfall von statten gegangen. Unsere Abbildung zeigt in der linken Ecke oben den aufsteigenden Ballon mit dem seitwärts daran befestigten „Schirm“, für den die Bezeichnung Reifrock vielleicht passender wäre. In einer am Ballon angebrachten Gondel hat neben Leroux sein Genosse Loyal Platz genommen, der in derselben bleibt, um nach dem Absturz des Fallschirmes seinerseits mit dem Ballon irgendwo zu landen. Die Darstellung rechts oben auf unserem Bilde zeigt den Schirm unmittelbar nach der Lösung vom Ballon, noch schlaff und mit schwindelerregender Schnelligkeit niedersausend. Doch nur eine oder zwei Sekunden noch, dann hat die Luft den Schirm gefüllt und ihm die Gestalt verliehen, welche unser Hauptbild wiedergiebt.

Seine ersten Versuche mit dem Schirm machte Leroux in New-York von sechs- und siebenstöckigen Häusern herunter, um zu erproben, ob bei Feuersbrünsten auf solche Weise Rettungen zu ermöglichen seien. Ob seine heutigen kühnen Experimente zu praktischeren Ergebnissen führen, wird wohl erst die Zukunft ausweisen können. Die Einführung des Schirmes zu Rettungszwecken bei Feuersbrünsten scheint vor der Hand ausgeschlossen. Das Interesse der Militärbehörden für den Fallschirm läßt aber seine Verwendung in Kriegszeiten nicht unmöglich erscheinen. **

Aus dem wissenschaftlichen und künstlerischen Leben Bayerns. Die Liebe zur Heimath, die den Deutschen so mächtig beseelt, daß sie im Widerstreit mit anderen Gefühlen bei ihm stets die Oberhand behauptet, hat von jeher in allen deutschen Gauen einen regen Wetteifer in Bekundung dieses angeborenen Triebes genährt. In allen Zeiten und selbst in jenen, da der unselige Hang, das fremde Ausland zu bewundern und nachzuahmen, auf dem Gipfelpunkte stand, hat es in allen Gegenden, wo Deutsche wohnen, Männer gegeben, welche die Vorzüge der Heimath zu ergründen und ihr Lob aller Welt zu verkünden ihr Leben lang beflissen waren. Scheint nun auch in dieser eingeschränkten Beschäftigung eine gewisse Einseitigkeit zu liegen, so wird gerade durch solche dem Sonderleben der einzelnen Glieder unserer Nation gewidmete Schriften die gegenseitige Erkenntniß und Werthschätzung der Brüder Eines Volkes unter einander am allermeisten gefördert.

Schriften dieser Art haben nicht wenig unserer politischen Wiedervereinigung vorgearbeitet und manchem Schriftsteller, der scheinbar in dem Leben seiner engeren Heimath aufging, ist ein unvergängliches Verdienst auch dem großen Vaterlande gegenüber zuzusprechen. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet ist jedes Werk, welches sich mit der Geschichte eines einzelnen deutschen Staates oder Stammes beschäftigt, ein allen Volksgenossen dargebotenes Geschenk. Wenn wir daher schon aus dieser Erwägung eine als gediegen anerkannte Schrift, welche Ludwig Trost unter dem Titel „Aus dem wissenschaftlichen und künstlerischen Leben Bayerns“ herausgegeben hat (München, M. Riegersche Universitätsbuchhandlung), den Lesern der „Gartenlaube“ gern empfehlen, so wirkt dabei auch noch ein anderer Beweggrund mit, den eine kurze Angabe über den Inhalt des Buches von selbst ans Licht stellen wird.

Die Reihe der Aufsätze eröffnet ein „Die Pflege der Geschichte durch die Wittelsbacher“ betiteltes Kapitel, welches von den die ganze ausgedehnte bayerische Geschichte durchdringenden Kenntnissen des Verfassers ein glänzendes Zeugniß ablegt und in dem darauf folgenden Kapitel „Der bayerische Schatz“ eine Ergänzung findet. Die beiden folgenden Monographien „Zur Geschichte der den historischen Fresken in den Münchener Hofgarten-Arkaden beigesetzten Aufschriften“ und „Die Grundsteinlegung der Allerheiligen Hofkirche in München“ enthalten höchst beachtenswerthe Beiträge zur Charakteristik des genialen ersten Ludwigs, welchem, soviel wir wissen, Ludwig Trost ein ausführliches litterarisches Denkmal auf Grund besonderer, ihm in seiner Stellung als Staats- und Hausarchivar erschlossener Quellen zu errichten beschäftigt ist. Auf König Max II. beziehen sich die beiden folgenden Abschnitte, welche gleichfalls nur infolge landesherrlicher Ermächtigung überhaupt veröffentlicht werden konnten, „Drei Briefe des Joseph Freiherrn von Hormayr zu Hortenburg an den König Maximilian II. von Bayern“ und „Das Sanktuarium des Königs Maximilian II. von Bayern“.

An diese Abschnitte schließt sich das Kapitel, welches für den Leser der „Gartenlaube“ ein ganz besonderes Interesse hat, „Zur Erinnerung an Herman von Schmid“ überschrieben. Wir haben in dieser von berufener Freundeshand geschriebenen Skizze die einzige bisher erschienene Biographie des berühmten bayerischen Volkserzählers. Herman von Schmid hat auch Stoffe aus der nichtbayerischen, zumal aus der Tirolergeschichte behandelt. Aber das außerordentliche Verdienst, welches er sich dadurch erworben hat, daß er, ohne eigentlich ein Dialektdichter zu sein, der unerreichte Darsteller seines heimathlichen Volksthums und damit auch der Vermittler desselben an die übrigen Glieder unseres großen Volkes geworden ist, geben das Recht, ihm den Ehrentitel eines bayerischen Volkserzählers dennoch beizulegen. Niemand aber hat die Natur und Eigenart dieses köstlichen Erzählers besser erkannt und überzeugender geschildert als sein treuer Landsmann Ludwig Trost.

Diese von so würdiger Hand uns geschenkte, ansprechende und zuverlässige Lebensbeschreibung kommt um so gelegener, als eben eine neue Ausgabe der Gesammelten Schriften Herman von Schmids im Erscheinen begriffen ist. Vielleicht könnten auch die im Anhang des Trostschen Buches mitgetheilten „Gedichte aus dem Nachlaß Herman von Schmids“ in vermehrter Zahl besonders herausgegeben werden. Das Gesammtbild des Dichters würde hiernach uns erst voll vor Augen treten.

Der Riesenweinstock von Kinnel. In dem romantisch gelegenen schottischen Schlosse Kinnel, dem Besitzthum des Marquis von Breadalbane, befindet sich ein Riesenweinstock, der ebenso wie der berühmte Weinstock von Hampton Court zu den Wundern der Pflanzenwelt zählt. Er wurde im Jahre 1831 oder 1832 von dem ersten Marquis von Breadalbane gepflanzt und fand zufälligerweise äußerst günstige Bedingungen, die sein Wachsthum ungemein förderten. Gegenwärtig befindet er sich in einem Treibhause, das 51,81 m lang und 17 bis 18 m hoch ist, und bedeckt mit seinen Trieben die ansehnliche Oberfläche von 387 qm. Sein Stamm, der an einem Ende des Gewächshauses wurzelt, hat in der Höhe von 0,3 m über dem Erdboden einen Umfang von 0,6 m und theilt sich in der Höhe von 1,8 m in zwei Hauptzweige, aus denen zahlreiche traubentragende Reben emporschießen. Die größte Weintraube wurde im Jahre 1879 gezeitigt, sie wog 2265 Gramm. Von den angesetzten Trauben läßt man nur einen Theil reif werden. So fand man z. B. im verflossenen Jahre an dem Weinstock 3170 Trauben vor; von diesen wurden aber 2620 grün abgeschnitten, so daß nur 550 reifen konnten. Das Ergebniß der Lese war trotzdem nicht gering, denn das Gesammtgewicht der gelesenen Trauben betrug 408 kg, also über 8 Centner. – Die Pflege dieses Riesenweinstockes ist ziemlich einfach; die Temperatur des Treibhauses wird stets auf der Höhe von 15,5° bis 18,5° C. erhalten. *

Die Zimmerpflanzen im Juli. Wenn man sagen könnte, daß in der Pflege der Pflanzen jemals ein Stillstand eintreten dürfte, so könnte man den Monat Juli nennen. In diesem Monat muß alles fertig und in Ordnung sein. Aber ein aufmerksamer Pflanzenpfleger findet immer etwas zu thun und zu verbessern. Die erste Bedingung ist das tägliche Begießen der Pflanzen mit nicht kaltem Wasser, oder sagen wir lieber, das tägliche Nachsehen, ob die Pflanzen des Begießens bedürfen, denn tägliches Begießen würde in vielen Fällen selbst die gesündesten Pflanzen zu Grunde richten. Wir wollen bei dieser Gelegenheit einige allgemeine Vorschriften für das Begießen der Topfpflanzen wiederholen. 1) Je wärmer die Temperatur, desto größer ist das Bedürfniß der Pflanzen nach Wasser. 2) Große stark durchwurzelte Pflanzen bedürfen mehr und öfter Wasser, als kleine und solche, deren Wurzeln das Gefäß noch nicht ausfüllen. Bei Pflanzen, die eben frisch in neue Töpfe gekommen sind, muß die Erde stets mäßig feucht sein und darf nie ganz trocken werden, aber Wasserbedürfniß haben diese eigentlich nicht. Die eingekürzten Wurzeln können kein Wasser aufnehmen und gerathen durch übermäßiges Begießen in Fäulniß, so daß der Tod der Pflanze daran erfolgen kann. Man muß, wo es angeht, durch Bespritzen das entzogene Wasser zu ersetzen suchen oder auch durch Umgeben der Töpfe mit feuchtem Moos. Großblätterige Pflanzen kann man durch tägliches leichtes Abwaschen mit einem Schwamm erfrischen. Die Zeit, wo das eigentliche Begießen wieder nothwendig wird, erkennt man in dem erneuten Wachsthum. Wenn die Pflanzen in Untersätzen stehen und dadurch bewässert werden, schüttet man stehenbleibendes, nicht aufgesogenes Wasser nach einigen Stunden wieder ab. Sollte man bemerken, daß eine noch nicht genug bewurzelte Pflanze zu viel Wasser bekommen hat, so legt man sie vorsichtig um, damit das Wasser wieder ablaufen kann. Dies muß auch mit schon eingewurzelten Pflanzen geschehen, wenn sie durch zu reichliches Begießen oder im Freien durch starken Regen so viel Wasser bekommen haben, daß es oben auf der Erde stehen bleibt. In diesem Falle sieht man zuerst nach, ob das Abzugsloch unten nicht durch Erde oder Regenwürmer verstopft ist, in welchem Falle die Pflanze aus dem Topfe genommen und das Abzugsloch gereinigt wird. Ist die Erde sehr naß, so läßt man die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_446.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)