Seite:Die Gartenlaube (1889) 464.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Die Wacht an der See im Frühling 1889.

Ein Ueberblick von Gerhard Walter. Mit Illustrationen von Hans Hampke.


Es giebt nichts Neues unter der Sonne!“ und „alles schon dagewesen!“ sind zwei bekannte Worte, mit denen mancher dasjenige kalt lächelnd zurückweist, was der andere als etwas Besonderes, Unerhörtes preisen möchte. Aber die beiden Worte halten zum Glück nicht immer Stich. Es hat in früheren Tagen keine Sonne auf die Ostsee niedergeschienen, die ihre Strahlen auf einen deutschen Kaiser geworfen hätte, welcher an der Spitze eines reisigen Geschwaders in stolzer Meerfahrt und Heerfahrt auf offener, rauschender See als auf seinem eigenen Gebiet seine goldene Standarte gehißt hätte. Es giebt wohl eine alte Fabel und Sage von „Kaiser Karls Meerfahrt“, an der wir als Kinder unser Herz gestärkt; aber „Kaiser Wilhelms Meerfahrt“ ist Wahrheit und Geschichte aus unseren Tagen, an der wir Männer unsere Herzensfreude haben.

Sie hat früher gekrönte Häupter getragen, die Ostsee: den Dänenkönig, der auf der „Kolberger Heide“ an der holsteinischen Küste seine Schlacht schlug; den Schwedenkönig, der am pommerschen Strande landete, um mit seinen Dalekarlen und Finnen auf des deutschen Reiches Boden zu kämpfen. Aber die Zeiten sind vorbei: über der Ostsee fliegt der Hohenzollernaar und breitet weit seinen Fittig: Suum cuique!

Vor vierzig Jahren noch, was war 1849 die deutsche Marine! Es gab eine dänische, schwedische, russische, französische, englische Marine. Und die dänische blockirte unsere Seehäfen und zerstörte mit zwei Fregatten unsern Handel, ohne daß wir an Gegenwehr denken konnten. Und als wir daran dachten – als „Barbarossa“, „Lübeck“ und „Hamburg“ hinausgingen, um mit den Dänen im Kampf sich zu messen, da fiel auf Helgoland ein Schuß, der sagte: Zurück! Und der englische Premier erklärte im Parlamente, bewaffnete Schiffe unter schwarz-roth-goldener Flagge würden als Piraten angesehen und behandelt werden. Ich entsinne mich noch des Wortes eines Dänen, der zu den Besten seines Volkes gehörte, wie er vor 1864 geringschätzig beim Anblick eines deutschen Buches mit Schiffsabbildungen sagte: „Nicht einmal richtig zeichnen können sie ein Schiff!“ Sie haben seitdem das Zeichnen gelernt und das Bauen und das Fahren, und das Kämpfen werden sie auch verstehen, und das Sterben im Kampf und überm Sieg wird ihnen eine stolze Ehre sein und denen, die nach uns kommen, ein Sporn: Vorwärts und durch!

Die deutsche Marine ist Deutschlands Lieblingskind geworden, das volle Symbol seiner Einheit, der sichtbare Ausdruck seines Einflusses, der hinübergreift bis an die fernen Küsten Ostasiens und hinein in das Gewirr der tausend Inseln des Stillen Oceans, der Macht des neuen Reiches, das seine Flagge hißt am Palmenstrande Afrikas und im Schatten der Urwaldriesen Neu-Guineas und, wo sie weht, es den Nachbarn vernehmlich zuruft: „Hände davon!“ Das Herz des deutschen Mannes draußen freut sich jetzt, wenn von fern die Segel eines Kriegsschiffes am Horizont auftauchen: es mag aus deutschen Planken gezimmert sein und deutsche Geschütze tragen, ihm und seinem Thun und Handeln zum Schutz. Die Zeiten sind vorbei für immer, in denen der deutsche Kaufmann hinter den Rumpf eines englischen Kreuzers sich duckte, um Schutz zu finden; wir können das jetzt alles selbst machen!

Ein so mächtiges Gefüge, wie unsere Marine in wunderbar kurzer Zeit geworden ist, muß notwendigerweise, um ein brauchbares Werkzeug zu sein in der Hand dessen, dem sie dient, zweckentsprechend beweglich und gegliedert sein. Demgemäß bestand von vornherein das Bestreben, die Kräfte des jungen Seewesens richtig zu vertheilen und sie nicht auf einem Flügel unserer Stellung zusammenzudrängen. Wenn Nordsee und Ostsee die deutschen Küsten in einer Länge von 150 Meilen bespülen, dann mußte hier sowohl wie dort unsere Wehrkraft zur See einen Stützpunkt haben. So entstanden die Marinestation der Nordsee zu Wilhelmshaven und die der Ostsee zu Kiel.

Wilhelmshaven ist ein gewaltiges Zeugniß dafür, wie Preußen in weitsichtiger Politik lange, ehe es an die Spitze von Deutschland trat, sich für seine Aufgabe vorbereitete. Das Gebiet am Jahdebusen, welches zum Kriegshafen umgestaltet werden sollte, wurde nicht etwa erst nach dem großen Kriege von 1870, oder nach 1866, oder nach 1864 von Oldenburg erworben, sondern – wohlgemerkt! – schon 1854, als noch männiglich über die Bestrebungen der Preußen, zur See fahren zu wollen, die Achseln zuckte. Wie viele Millionen die Riesenarbeit gekostet hat, dort aus Schlick und Triebsand und Moor ein Nest der Marine zu bauen, wie es jetzt vollendet ist – das entzieht sich der Berechnung. Aber das ungeheure Werk mit seinen Bassins und Riesenschleusen, seinen Molen und seiner Werft ist gelungen.

Leichter ward es uns gemacht an der Ostsee. Lange war die Rede davon gewesen, den Jasmunder Bodden auf Rügen zu einem Kriegshafen auszubauen, der Wilhelmshaven ebenbürtig wäre; denn Danzig erfüllte nicht annähernd die nöthigen Bedingungen, um Panzerschiffen Unterkunft zu gewähren, und Swinemünde war der einzige Hafen, der eine vollausgerüstete hölzerne

Das Torpedoschulschiff „Blücher“.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_464.jpg&oldid=- (Version vom 1.1.2023)