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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)


Hier kann nur Abhilfe geschaffen werden durch Herstellung von Krankencoupés. Die Einrichtung muß derart sein, daß ein Haften von Ansteckungsstoffen nicht zu erwarten und eine Desinfektion schnell zu ermöglichen ist, also etwa der dritten Klasse ähneln. Das Sitzbrett muß zum Abheben sein wegen des schnellen Abwaschens, für die Polsterung des Sitzes können die Insassen selbst das nothwendige Material liefern. Eine leicht anzubringende Schwebe kann zur Aufnahme schwer beweglicher Kranker dienen. Wünschenswerth ist eine Vorrichtung, welche die Theilung des Coupés der Quere nach ermöglicht, so daß im Nothfalle mehrere Familien untergebracht werden können. Derartige durch ein rothes Kreuz kenntlich zu machende Krankencoupés sind auch für die während der Fahrt plötzlich vorkommendem Erkrankungen von praktischer Wichtigkeit, da es für solche Kranke von der größten Unannehmlichkeit ist, ihr Unwohlsein vor allen Blicken ertragen zu müssen, ferner zur Beförderung von Epileptischen etc.

In manchen Städten (Mainz, Dresden z. B.) hat die Behörde Krankenwagen zur Ueberführung ansteckender Kranker in das Spital oder nach anderen Wohnungen eingeführt und bei strenger Strafandrohung öffentliche Droschken zu diesem Zwecke zu benutzen verboten; so müßte auch von der Eisenbahnverwaltung streng gefordert werden, daß Kranke, welche an ansteckenden Krankheiten leiden oder dieselben kürzlich überstanden haben, nur in diesen Coupés für den gewöhnlichen Fahrpreis befördert werden.

Ein Umgehen dieser Maßregel wird viel seltener stattfinden, als man glaubt: so viel Nächstenliebe ist im Durchschnitt noch vorhanden, um der Erkenntniß von der Nothwendigkeit dieser Abschließung zum Durchbruch zu verhelfen, und die Gefahr, durch gesunde Mitreisende angezeigt zu werden, liegt besonders bei Keuchhusten zu nahe. Ein einfaches ärztliches Attest müßte genügen, die Erlaubniß zur Benutzung des Krankencoupés zu erwirken. –

Noch in einer anderen Hinsicht könnten die Eisenbahnverwaltungen der allgemeinem Gesundheitspflege hilfreich zur Seite stehen. Die bedeutendste Entdeckung der Neuzeit auf medizinischem Gebiete, die Feststellung der Tuberkelbacillen durch Dr. Koch, weist leider bis jetzt für das allgemeine Leben nicht den gehofften Erfolg auf; man glaubte, aus der Entdeckung der Ursache müßte sich sofort ein Heilmittel für die ausgebrochene Krankheit ergeben, während man nicht versuchte, wie bei der Trichinose, die Ursache selbst zu vermindern. In letzterer Hinsicht sind nun durch die neuesten Untersuchungen von Dr. Cornet die wichtigsten Fingerzeige gegeben worden. Schon Dr. Koch stellte fest, daß der Tuberkelbacillus nicht überall in der Luft umherfliegt, sondern stets dem Auswurfe Brustkranker entstammt und auch außerhalb des Körpers Monate lang die Fähigkeit der Ansteckung behält. Dr. Cornet wies nun nach, daß die Ausathmungsluft und der feuchte Auswurf der Schwindsüchtigen zur Uebertragung der Schwindsucht auf dem gewöhnlichen Wege durch Einathmung von Tuberkelbacillen ungeeignet ist, daß vielmehr die Uebertragung durch den vertrockneten Auswurf geschieht, und zwar besonders durch das Ausspucken in Taschentücher und auf den Fußboden. Dr. Cornet konnte in dem Staube an den Wänden und Bettstellen von 21 Krankensälen in 15 Fällen Tuberkelbacillen durch Einspritzung dieses Staubes in Thiere nachweisen. In 6 Krankensälen, wo nur Schwindsüchtige lagen, welche aber streng angewiesen waren, ihren Auswurf nur an Wasser-Spucknäpfe zu entleeren, kamen keine Tuberkelbacillen vor. Dr. Cornet konnte die Richtigkeit seiner Befunde auch statistisch begründen, denn von den Schwestern der Krankenpflegerorden sterben mehr als ⅔ als Opfer ihrer Pflichttreue und der bisherigen leichtfertigen Handhabung der Ordnung in Beziehung auf den Auswurf der Kranken.

Nach diesen Entdeckungen ist der Brustkranke nicht, wie es bei der Feststellung der Tuberkelbacillen den Anschein hatte, ein Gift für seine Umgebung, er selbst ist im Gegentheil ungefährlich, nur sein Auswurf muß streng überwacht werden. Man bedient sich am besten eines Gefäßes mit Wasser, wie überhaupt jeder Auswurf so behandelt werden sollte. Die hergebrachten Näpfe mit Sand und Sägespänen verbreiten durch Eintrocknung die Ansteckungsstoffe.

Am meisten wird in dieser Hinsicht aber in den Eisenbahnwagen gesündigt. Die Mehrzahl unserer Leser wird von Eisenbahnfahrten her Beispiele verzeichnen können, mit welcher Rücksichtslosigkeit der Boden des Coupés durch Auswurf verunreinigt wird, und bei dem schnellen Eintrocknen ist dann die beste Gelegenheit zur Uebertragung von Krankheiten gegeben. Von Dr. Dettweiler sind neuerdings Taschenfläschchen für Hustende hergestellt worden, welche bei dem billigen Preise (1 Mark 50 Pf.) jeder an chronischem Katarrh Leidende leicht bei sich führen kann. Von der Eisenbahnverwaltung aber muß das Ausspucken auf den Boden der Coupés streng untersagt werden. –

Noch mehr Verbesserungen in hygieinischer Hinsicht ließen sich anbringen: z. B. vortheilhaftere Ventilation der Coupés. Die jetzt vorhandene Fensterlüftung ist nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer öfters ungenügend. Selbst wenn nur ein Fenster offen steht, werden empfindliche Menschen durch den Zug belästigt und können sogar krankhafte Störungen, wie Gesichtslähmungen, dadurch erhalten, so daß bei neuen Wagen die Einrichtung eines Luftdurchzuges an der Decke dringend wünschenswerth ist. Gut wäre ferner eine Besprengung der von der Sonne erhitzten Wagen im Sommer und Einführung von Fenstervorhängen in sämmtlichen Wagenklassen; doch soll man nicht zu viel verlangen, wenn man etwas erreichen will. Die Bahnverwaltungen haben in den letzten Jahren so viel zum Wohle der Reisenden gethan, daß sie sicher auch die berechtigten Forderungen der Gesundheitspflege in Berücksichtigung ziehen werden. Dr. med. Taube.




Quickborn.

Eine Berichtigung. Von Klaus Groth.

Mit Entrüstung schreibt mir noch erst am Pfingsttage wieder ein ungenannter „alter Ditmarscher“: „Sie haben vieles über sich müssen ergehen lassen … Da lese ich z. B. in der ‚Gartenlaube‘:

‚Quickborn zeigt ausgeprägte Ortsfärbung; die Dichtungen gruppieren sich um das Dorf dieses Namens, welches einige Wegstunden nördlich von Altona liegt‘.

Ist das nicht zum Lachen? Keine Ahnung hat der Mann von der symbolischen Bedeutung der so glücklich gewählten Bezeichnung der Sammlung, sie wird ganz oberflächlich topographisch erklärt, und das Topographische noch dazu unrichtig. Zum Lachen ist das wohl nicht, sondern zum Splitter-Hagel-rasend-dull-warrn.“

So mein unbekannter Landsmann. Entrüstet bin ich selbst nun nicht über diese Irrung. Der Aufsatz über mich, in welchem sie sich findet, ist mit Liebe und Wohlwollen gegen mich geschrieben und hat mir Freude gemacht.

Ja, wenn ich über jede Irrung, die ich in den vielen Aufsätzen allein, die über mich in Veranlassung meines 70. Geburtstages geschrieben worden sind, entrüstet werden wollte, so hätte ich mir alle Freude verderben können, die ich – mehr als ich verdiente – im vollen Maße und mit dankbarem Herzen genossen habe.

Allerdings hätte Herr Eugen Wolff, der den Artikel für die „Gartenlaube“ geschrieben hat, sich gar leicht bei mir erkundigen können, ob seine Vermuthung richtig sei, daß meine Gedichte und Erzählungen ihre Ortsfärbung von dem Dorfe Quickborn bei Altona[1] erhalten, ob sie sich um diesen Ort „gruppieren“; denn er wohnt nur fünf Minuten vom „Klaus-Groth-Platz“ und ist persönlich mit mir bekannt. Er hätte dann erfahren, daß ich das Dorf Quickborn nie mit Augen gesehen, auch nicht die drei anderen in Hannover, ja nicht einmal das mir näher gelegene Quickborn in Ditmarschen, von dem mein angeführter Landsmann vielleicht eine Beziehung zu mir vermuthet – nicht ganz ohne Grund.

Vollständig recht hat mein Landsmann darin, daß der Titel meines Buches nur eine symbolische Bedeutung hat.


  1. Daß das Dorf Quickborn bei Altona genannt ist, beruht auf einer nachträglichen mißverständlichen Einschaltung unserseits; Herr Dr. Wolff hatte in seinem Artikel nur gesagt: die Dichtungen gruppieren sich um das Dorf dieses Namens. Die Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_490.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)