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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Blätter und Blüthen.

Gegen das Strumpfband! Den Herren von der Gefolgschaft Aeskulaps ist auch gar nichts recht zu machen – bald wird es keinen Toilettengegenstand mehr geben, gegen welchen sie nicht schon geeifert haben. Die Schnürbrüste, die Rockbänder, die hohen Absätze, nichts findet Gnade vor ihren Augen. Und jetzt soll gar noch das unschuldige Strumpfband auf den Index gesetzt werden!

Ein so harmloses Ding! Wie kann denn dieses kleine Bändchen, welches um die Beine geschlungen wird, gewaltigen Schaden anrichten?

Nun, der Schaden ist just groß genug, um einmal zu einer Betrachtung herauszufordern. Der menschliche Organismus ist ein sonderbar Ding – er kann recht gut einen gehörigen Ruck vertragen. Eine einmalige heftige Gewalt schadet oft weit weniger, als man erwarten sollte, ihre Folgen schwinden, wenn sie nicht allzu heftig waren, manchmal überraschend schnell.

Ganz anders wirkt ein dauernder Druck, selbst wenn er von geringer Stärke ist. Er stört sämmtliche Gewebe, auf die er sich erstreckt, in ihrer Ernährung, so daß in denselben die Stofferneuerung viel langsamer und unvollständiger von statten geht, als es sein soll. Nicht nur die weichen Gewebe, auch die Knochen werden auf diese Weise angegriffen. Jeder Theil des menschlichen Körpers nun, welcher sich nicht in normaler Weise entfalten kann, unterliegt einer mehr oder weniger hochgradigen Zerstörung. Am schnellsten aber und schwersten tritt dieselbe bei Organen auf, welche eine besondere Funktion ausüben, so bei den Drüsen und – was hier für uns vorwiegend in Betracht kommt – den Muskeln. Diese büßen von dem ihnen eigenthümlichen Stoffe mehr und mehr ein und werden an der betroffenen Stelle zum großen Theil in funktionsuntüchtiges Gewebe verwandelt.

Das ist die eine Hälfte der schädlichen Wirkung eines Strumpfbandes. Es übt einen beständigen Druck aus. Der Einwand, dieser sei doch sehr gering, gilt gar nichts, denn auf eine etwas größere oder kleinere Stärke kommt es nicht im geringsten an. Viel wichtiger ist der Umstand, daß der Druck nur eine verhältnißmäßig schmale Zone trifft, sich also nicht gehörig vertheilt und deshalb Schnürwirkung zeigt. Dabei ist es gleichgültig, ob das Band von Gummi, also elastisch ist oder nicht, die Wirkung ist immer dieselbe: Störung der Ernährung in der abgeschnürten Strecke, besonders aber in den Muskeln, daher Schwäche der Wadenmuskulatur. Wie stark der Druck wirkt, beweisen die tiefen Rinnen, welche durch ihn erzeugt werden und die selbst bei solchen Frauen nicht schwinden, welche seit Jahren keine Strumpfbänder mehr getragen haben. Am schädlichsten ist dieser Einfluß bei Personen, die sich in der Wachsthumsperiode befinden; hier kann er recht bedenkliche Entwickelungshemmungen zur Folge haben. –

Die bis jetzt angeführten Nachtheile des Strumpfbandtragens sind aber die am wenigsten wichtigen. Von weitaus größerer Bedeutung sind die dadurch erzeugten Kreislaufstörungen. Durch die Abschnürung des Unterschenkels wird der Zufluß von frischem (arteriellem) Blut erschwert, der Theil bekommt also zu wenig Nährmittel und kann sich nicht gehörig entwickeln. Er bleibt infolgedessen schwach und wenig leistungsfähig. In noch höherem Grade ist jedoch der Abfluß des verbrauchten (venösen) Blutes behindert. Hierdurch entstehen Stauungserscheinungen aller Art. Die nächste Wirkung sind die so häufigen und überaus lästigen Krampfadern mit ihren manchmal gefährlichen Folgeerscheinungen. Sie finden sich beim weiblichen Geschlecht weitaus häufiger als beim männlichen, und ein Hauptgrund hierfür ist das Strumpfband. Außerdem trifft man ungemein oft, zumal bei jungen Mädchen, Schwellung der Füße an, die abends am stärksten ist und ein vorzeitiges Gefühl der Ermüdung und Arbeitsunfähigkeit erzeugt. Die Kranken – diesen Namen verdienen sie – sind dann thatsächlich nicht mehr imstande, ihren häuslichen Pflichten nachzukommen, sie können nur unter großen Beschwerden gehen. Wird das Strumpfband weggelassen, so verschwindet die Stauungserscheinung fast immer schnell, wenn aber mit diesem Heilmittel zu lange gewartet wird, so können sich Veränderungen herausbilden, die den Gebrauch der Beine stark beeinträchtigen und nicht mehr rückgängig zu machen sind.

Fort also mit dem Strumpfband! Es ist ein schädliches und entbehrliches „Kleidungsstück“. Das letztere werden allerdings die Damen nicht zugeben wollen, allein es ist sehr leicht, Ersatz zu schaffen. Welcher Art dieser Ersatz sein soll, das zu entscheiden ist Sache der Damen, und ich würde, vorausgesetzt, daß meine Predigt gegen das Strumpfband überhaupt den wünschenswerthen Erfolg hat, nur dann wieder dreinreden, wenn auch er gesundheitsschädlich sein sollte. Das ist aber leicht zu vermeiden, wenn man nur im Auge behält, daß die Schädlichkeit des Strumpfbandes in seiner Schnür- und Druckwirkung begründet ist. Dr. K.

Der Name „Amerika“. Seit langer Zeit steht es fest, daß die Neue Welt nach dem Entdeckungsreisenden Amerigo Vespucci „Amerika“ genannt wurde und daß der Urheber dieser Benennung ein Deutscher aus St. Dié in Lothringen war. Er hieß Waldseemüller oder Waltzeemüller und übersetzte im Jahre 1507 ins Deutsche die Reiseberichte des berühmten Florentiners, die unter dem Titel „Vier Schifffahrten des Amerigo Vespucci“ erschienen. In der lateinischen Vorrede zu dem Werke schrieb Waldseemüller: „Diesen vierten Erdtheil darf man wohl füglich Amerigland oder America nennen, weil er von Amerigo entdeckt worden ist.“ Das Büchlein Waldseemüllers wurde verbreiteter als viele bessere Schriften über die neuen Entdeckungen, und der Name Amerika wurde zuerst in Deutschland und dann in der Welt allgemein angenommen.

In neuester Zeit fanden sich nun Gelehrte, die Waldseemüller den fraglichen Ruhm nicht gönnten und nach einem andern Ursprung des Wortes forschten. Ein Gebirge zwischen dem Nicaraguasee und der Moskitoküste heißt „Amerrique“, das heißt „das Land der Winde“, und nach diesem Gebirge soll ein Franzose den Namen Amerika vor Waldseemüller erfunden haben. Der Streit, der an und für sich ziemlich müßig ist, hat dennoch eine merkwürdige Thatsache zu Tage gefördert. Amerigo ist kein Vorname, es giebt im Kalender keinen Heiligen, ja es giebt überhaupt keinen Menschen, der so hieße, und man behauptete darum, Vespucci habe sich erst später, nachdem der Name Amerika feststand Amerigo genannt. Dem Streit ist durch den italienischen Gelehrten Govi ein Ende gemacht worden. Neuerdings veröffentlichte derselbe einen Brief Vespuccis vom 30. Dezember 1492, also aus der Zeit vor dem Jahre 1507, der unterzeichnet ist:

„Ser. Amerigho Vespucci
merchante fiorentino in Sybilia.“

Wie kam aber Vespucci zu dem sonderbaren Vornamen Amerigo? Auch das erklärt uns Govi. Die Florentiner hatten die Sitte, die Taufnamen umzuändern; so sind z. B. bekannt die Umänderungen Dante für Durante, Stagio für Anastasio, Goro für Gregorio, Beco für Domenico. Ebenso ist Amerigo nur eine Umänderung für den Namen Emmerico oder Emery. – Es bleibt also beim alten: die Neue Welt heißt „Amerika“ nach dem Florentiner Amerigo oder Emmerico Vespucci. *

Ein Führer durch die Privatheilanstalten. Viele der neuen Heilmethoden, welche die ärztliche Wissenschaft ersonnen hat, lassen sich im Hause nicht gut durchführen, es sind dazu Einrichtungen und Apparate nöthig, über die lediglich eine Anstalt verfügen kann. Selbst die Krankenhäuser sind nur selten in der Lage, solche besondere Einrichtungen zu beschaffen. Alles das führte zu der Entstehung von Privatheilanstalten, deren Zahl bereits sehr groß geworden ist. Wir haben diätetische Heilanstalten, physikalisch-mechanische Heilstätten, Wasserheilanstalten, Anstalten für Gemüths- und Nervenkranke, Special-Heilanstalten für Lungenkranke, Augenkranke, Kinderheilstätten, Sprachheilanstalten u. s. w. Diese Anstalten wetteifern mit den Bädern, und wie es für jene Bäderlexika giebt, in denen sich der Arzt rasch zurechtfinden kann, so schien auch ein Führer durch die Privatheilstätten nöthig zu sein. Ein solcher ist soeben von Dr. Paul Berger in Berlin herausgegeben worden. Sein Titel lautet „Führer durch die Privatheilanstalten Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz“ (Berlin, Hugo Steinitz). Derselbe ist zum Handgebrauch für Aerzte und Laien bestimmt. Wenn auch der Heilbedürftige bei der Wahl der Anstalt stets dem Rathe des ihn behandelnden Arztes folgen soll, so wird es ihm doch angenehm sein, sich über die fraglichen Einrichtungen vorher zu unterrichten. In diesem Sinne wird der neue Führer auch weiteren Kreisen nützen können. *




Kleiner Briefkasten.

M. D. in O. Der „Gottesfriede“, von dem Ihr Dichter singt, ist nicht eine poetische Redensart, sondern ein höchst reales Ding: die nothgedrungene Abwehr der mittelalterlichen Geistlichkeit gegen die furchtbaren und unausgesetzten Fehden und Ueberfälle im ganzen Land. Der Gottesfriede (pax Dei, treuga Dei) forderte, daß vom Mittwoch abends bis Montag früh keine Fehde irgend welcher Art ausgefochten werden dürfe bei Strafe des Bannes. Einzelne erleuchtete Bischöfe führten im 11. Jahrhundert diesen wohlthätigen Frieden, der vier Tage in der Woche die mordlustigen Arme band, in ihren Diöcesen ein, die Synode von Clermont erhob ihn 1095 zum Beschluß, und die Kaiser verliehen ihm Rechtskraft. Er behielt diese durch die nachfolgenden drei blutigen Jahrhunderte, bis endlich 1495 unter Maximilian die Einführung eines allgemeinen Landfriedens dem Faustrecht ein Ziel und den Gottesfrieden außer Wirksamkeit setzte.

H. A. in Frankfurt a. M. Die Schriftstellerin, nach der Sie fragen, ist geboren am 17. April 1852 zu Bergedorf und lebt gegenwärtig in Lübeck; ein Verzeichniß ihrer Werke finden Sie in „Kürschners Litteraturkalender“ 1889.[WS 1]

Dr. Eugen Wolff, Kiel. Wir erfüllen hiermit Ihren Wunsch und bestätigen, daß die Worte, welche zu der Berichtigung von Klaus Groth in Nr. 29 Anlaß gegeben haben, im Manuskripte ursprünglich folgende Fassung hatten: „‚Quickborn‘ zeigt ausgeprägte Ortsfärbung; wir spüren ditmarscher Erdgeruch. Die Dichtungen gruppiren sich um das Dorf dieses Namens“ etc.

Hausfrau in Bielefeld. Der beschwerlichen Arbeit des Plättens der Wäsche ist der Erfindungsgeist der Neuzeit durch verschiedene zweckmäßige Vorrichtungen zu Hilfe gekommen. Vielleicht kennen Sie schon das „freistehende transportable Plättbrett“, den „Plättofen“, mittels dessen mehrere Plätteisen gleichzeitig erhitzt werden können, die „amerikanischen Doppelspitzeisen ohne Bolzen“, bei denen man die hölzernen Griffe während des Erhitzens der Plätteisen leicht abnehmen und wieder befestigen kann etc. – Obgleich diese Hilfsmittel der Hausfrau, beziehungsweise der Plätterin manche Erleichterung beim Plätten der Wäsche verschaffen, so gelingt es selbst der geübtesten Hand nicht, die Wäsche so glänzend herzustellen, wie dies bei neugekaufter Ware der Fall ist. Sehr zufriedenstellende Ergebnisse liefern nach letzterer Richtung hin die praktisch erprobten „Plättpräparate“, die in jeder Haushaltung leicht und mit wenig Kosten hergestellt werden können und zwar wie folgt: 1) 75 Gramm borsaures Natron und 7½ Gramm Tragant werden in 1¼ Kilogramm Fluß- oder Wasserleitungswasser unter Umrühren aufgelöst und durch ein reines Tuch filtrirt. Die erhaltene Flüssigkeit parfümirt man mit 5 bis 6 Tropfen Lavendel- oder mit 6 bis 8 Tropfen Bergamottöl. Dieses Präparat wendet man in der Art an, daß man 1 Liter frisch gekochter Stärke mit ¼ Liter der Plättflüssigkeit innigst durch Umrühren vermischt und die damit gestärkte Wäsche auf die gewöhnliche Weise plättet. – 2) 28 Gramm reines kohlensaures Kali, 85 Gramm Stearin, 170 Gramm Spiritus (nicht denaturirten), 340 Gramm Fluß- oder Wasserleitungswasser werden in einem irdenen Topfe unter Umrühren so lange erhitzt, bis der Topfinhalt eine gleichmäßige Masse bildet; ist dies der Fall, so verdünnt man die Masse unter Umrühren mit 1075 Gramm Wasser. Das fertige Präparat füllt man in weithalsige Gläser, die fest zu verkorken sind. Beim Plätten der Wäsche verfährt man mit diesem Präparate wie folgt: Die Wäsche wird auf die gewöhnliche Weise gestärkt und geplättet; dann überstreicht man mittels eines in das Präparat getauchten und etwas ausgedrückten Schwämmchens die geplätteten Wäschestücke und bügelt sie nochmals.


Inhalt: Sicilische Rache. Ein Kulturbild aus den vierziger Jahren von A. Schneegans (Fortsetzung). S. 507. – Bianca. Illustration. S. 597. – Jagdleben im Hochland. Geschildert von Ludwig Ganghofer. 5. „Dem Jaager sein G’sell“. S. 602. Mit Abbildung S. 601. – Der Besuch des Kaisers Franz Joseph I. in Berlin. Eindrucksbilder vom zwölften und dreizehnten August. Von Hermann Heiberg. S. 605. Mit Abbildungen S. 605, 608 und 609. – Gold-Aninia. Eine Erzählung aus dem Engadin. Von Ernst Pasqué (Fortsetzung). S. 607. – Die Anschauungen von den Alpen im Wechsel der Zeiten. Von Julius Löwenberg. S. 611. – Blätter und Blüthen: Gegen das Strumpfband! S. 612. – Der Name „Amerika“. S. 612. – Ein Führer durch die Privatheilanstalten. S. 612. – Kleiner Briefkasten. S. 612.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

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