Seite:Die Gartenlaube (1889) 613.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

No. 37.   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Sicilische Rache.

Ein Kulturbild aus den vierziger Jahren von A. Schneegans.
(Fortsetzung.)


Die Entrüstung des alten Marchese kannte keine Grenzen, als er Kenntniß von dem Schriftstücke seines ehemaligen Verwalters genommen hatte. In tausend Stücke zerriß er den Fetzen Papier, den Ueberbringer warf er die steinerne Treppe hinunter und mit lauter Stimme verschwor er sich vor seinen zusammengelaufenen Nachbarn, daß er dem sauberen Rechtspraktikanten bei erster Gelegenheit den Marchesetitel und die Lust, sich mit den Wappen der alten adeligen Geschlechter zu schmücken, mit Stock und Peitsche aus dem Kopfe herausprügeln würde.

Stock und Peitsche anzuwenden, fand aber der Marchese keine Gelegenheit, denn der schlaue Russo vermied es wohlweislich, sich irgendwie der Unannehmlichkeit, mit seinem früheren Patrone in Berührung zu kommen, auszusetzen; hingegen entwickelte er eine fieberhafte Thätigkeit, um von dem Gerichte die Anerkennung seiner beanspruchten Rechte zu erlangen, und dies gelang ihm auch nach unverhältnißmäßig kurzer Frist, dank besonders dem Umstande, daß der Marchese schon längst und, wie etliche munkelten, auf frühere von seinem eigenen Verwalter herrührende Berichte hin als ein unzufriedener, gefährlicher und mit den Revolutionären in geheimer Verbindung stehender Mensch bei der Regierung in schlechtestem Rufe stand.

So geschah es denn, daß eines schönen Morgens dem alten Marchese von der Ortsobrigkeit mitgetheilt wurde, er möge sich fürderhin mit seinem einfachen Familiennamen Filippo Ruggieri begnügen, die Marchese- und Baronentitulaturen aber mitsammt den hierzu gehörigen Wappen, Stempeln und Kronen gefälligst beiseite lassen. Und um der Sache noch einen ganz besonders beleidigenden Charakter aufzudrücken, erschien an diesem selben Tage, aber klüglich von Gendarmen begleitet, der neue Marchese della Rovere, Barone di Roccafiorita, in Taormina, nahm öffentlich von einem Hause, das er gerade dem alten Palazzo seines ehemaligen Herrn gegenüber angekauft hatte, Besitz, lud alle amtlichen Personen vom Ortsvorsteher bis zum letzten Klosterbüttel zum Essen zu sich ein und vertheilte nach aufgehobener Galatafel von seinem Balkone herunter Geld, Wein, Fleisch und Brot unter die aus allen Winkeln herbeigeströmten und in allen Tonarten „Viva il Marchese!“ jauchzenden und heulenden Bettler. Auf die Bürger von Taormina machte freilich diese Thronbesteigung des


Deutschlands merkwürdige Bäume: Die große Eiche auf der Rosenwiese bei Wörlitz.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 613. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_613.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)