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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

zum erstenmal ihrem Emanuel schreibt, wie sie ihr Glück nicht fassen kann.

„Es ist mir unglaublich noch,“ gesteht sie, „daß nun in Wirklichkeit alles so gekommen ist, wie ich es mir so gern ausmalte und doch immer wieder ausreden wollte. Ich habe heute nacht wenig geschlafen, es war aber doch die seligste Nacht meines ganzen Lebens, ich habe Gott von ganzem Herzen um seinen Segen gebeten und um Kraft, alle neuen Pflichten treu zu erfüllen. Als Du gestern fort warst, hätte ich traurig sein sollen über den Abschied; ich konnte aber nicht, ich war zu selig und überrascht. Gottlob[1] sagte mir heut morgen, wenn ich ausginge, würden alle Menschen mir mein Glück ansehen, sie ermahnen mich immer, ich sollte nicht so strahlen, ich kann’s aber nicht lassen, denn ich weiß es gar nicht.“

Geibel war den nächsten Winter längere Zeit in Berlin und eine Fülle von Anregung und Genuß stürmte auf ihn ein; aus allem diesem mitten heraus schreibt er ihr am 14. März 1852: „Ach Kind, all das Leben hier ist wohl schön und bunt und reich, aber mich verlangt nach Dir, und Du fehlst mir an allen Enden, sobald ich nur einen Augenblick zur Besinnung komme. Wie werd’ ich mich der guten Gaben erst recht freuen können, wenn ich Dich hier habe und alles mit Dir theilen darf!“

Das Glück, das Geibel in Amandas Besitz empfand, die er von jetzt an Ada nannte, gab uns Deutschen seine unvergänglichsten, zartesten Lieder. Aber nicht ungetrübt sollten die beiden ihren Brautstand genießen dürfen. Eine schwere Sorge zog über ihnen auf, die, was aus seiner Gesundheit werden würde. Es hatte sich ein organisches Leiden bei ihm entwickelt, und wenn die verordnete Badekur ihm nicht half, so traf ihn die harte Prüfung, seine frische Kraft gerade in der Zeit für immer untergraben zu fühlen, in der er seine Braut heimzuführen hoffte und in seinem reifsten, inhaltsvollsten Schaffen stand.

Geibels Denkmal in Lübeck.
Modellirt von Prof. H. Volz.

Ergreifend wirkt es darum, zu lesen, wie er aus Tübingen den 15. Juli 1852 an Ada schreibt:

„Geheilt hat mich also die Emser Kur nicht und wir müssen zufrieden sein, wenn es hinfort nur erträglich geht. Daß ich dabei nicht gar froh bin – um meinet- und Deinetwillen – magst Du denken, aber ich ringe danach, geduldig und ergeben zu sein! Das ist mein Trost und das muß auch der Deine sein, daß wir wissen, daß der Vater im Himmel uns kein Leid auflegt, was nicht so oder so zu unserm Besten dient. In dem Gedanken rüste ich mich wie in einen festen Harnisch . . . Zu berichten hab’ ich nichts mehr, so setz’ ich Dir noch ein paar Verse her:

Kann es sein, so laß, o Herr,
Diesen Kelch vorübergehen!
Heb’ noch einmal mich empor
Aus dem Abgrund meiner Wehen.

Gieb mich meinem Kind zurück
Meinem Kind und seiner Liebe,
Ach so spät erst ging mir auf
Dieser Stern im Weltgetriebe.

Laß mich nicht verdorren, Herr,
In der Mitte meiner Tage;
Viel noch drückt mir in der Brust,
Daß ich’s schaffe, daß ich’s sage.

Diesen Kelch des bittern Leids,
Nimm’ ihn von mir um mein Flehen;
Kann es sein, so hilf, o hilf!
Doch Dein Wille soll geschehen!“

Von dem Gedicht, aus dem wir nur diese Verse mittheilen, schreibt Geibel, daß es ihm tief aus der Seele gekommen sei, er will es sonst aber nicht für Poesie gelten lassen, weshalb er es auch nie dem Druck übergeben hat, und das kennzeichnet so recht seine Gesinnung. Der Oeffentlichkeit gab er nur das ganz Vollendete, nie konnte er strenge genug feilen und manche schöne Dichtung behielt er noch, nachdem sie abgeschlossen war, viele, viele Jahre zurück, immer in der Furcht, sie noch nicht rein genug ausgestaltet zu haben. Ein Beispiel mag hier für viele genügen. Das herrliche Gedicht „Nausikaa“ vollendete er schon im Jahre 1858, im Jahre 1877 ließ er es erst in den Spätherbstblättern erscheinen. In seinem ungedruckten Nachlaß befindet sich darum auch noch manches goldene Wort, z. B. unter dem Titel „Aphorismen“. Dort sagt er: „Wer seine künstlerische Kraft nicht zu sammeln versteht, wird sie leicht in untergeordneten Schöpfungen verpuffen.“

Ferner: „Ich bin, wenn ich von einzelnen kleineren lyrischen Ergüssen absehe, selten imstande gewesen, aus der ersten überwältigenden Empfindung des Augenblicks heraus poetisch zu produciren.


  1. Ihr Schwager, Dr. Reuter.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 781. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_781.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)