Seite:Die Gartenlaube (1889) 796.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Stickerei auf gemalter Seide von H. Mankiewicz.

Als die idealste Form des ehelichen Güterrechts würde sich diejenige ergeben, in welcher die volle Vereinigung des ganzen Vermögens beider Ehegatten zu einem untrennbaren Ganzen, zu gemeinsamem Gedeihen und Verderben festgesetzt wird. Hier fände sich die volle Lebensgemeinschaft der Ehegatten auch in gemeinsamer Tragung von Ueberfluß und Entbehrung ausgesprochen. Aber dieses Ideal des Systems der allgemeinen Gütergemeinschaft trifft auf ein ihm feindliches Leben. Seine Durchführung verlangt auch ideale Ehegatten, welche eine strenge Verwendung des gegenseitigen Guts im Sinne des ehelichen Zwecks gewährleisten. In der Wirklichkeit würde das äußere und innere Gleichgewicht durch die Haftung des Gesammtguts für die vom Manne einseitig gemachten Schulden leicht eine Störung erleiden. Das aus dem französischen Rechte herübergenommene und daher in den linksrheinischen Gebieten Deutschlands noch giltige System der Mobiliargemeinschaft beschränkt die Gemeinschaft auf die bewegliche Habe der Ehegatten und schließt den Grundbesitz davon aus. Ein weiteres in Deutschland ziemlich verbreitetes System des ehelichen Güterrechts ist das der Errungenschaftsgemeinschaft. Hier wird an den vorehelichen Besitzverhältnissen nichts geändert. Jedem Ehegatten verbleibt das Seine, aber alles, was die Eheleute nach ihrem Eintritt in die Ehe mit ihren körperlichen, geistigen und materiellen Kräften erwarben, wird als gemeinsames Eigenthum betrachtet; die Lasten der Ehe werden aus dem Errungenen gemeinschaftlich bestritten und bei Ueberschuß gleichmäßig getheilt: ein System, für das man sich gemächlich wohl erwärmen kann, das aber vor der rauhen Wirklichkeit ebenso wenig Stand hält, theils wegen der Verwickeltheit der beiderseitigen Erwerbsverhältnisse, theils wegen des auch hier sich geltend machenden natürlichen Uebergewichts des Mannes.

Das System des römischen Dotalrechts, das an dem Eigenthum der Ehegatten nichts ändert und dem Ehemann nur den Nießbrauch und die Verwaltung an dem Heirathsgute der Frau einräumt, hat in Deutschland von Haus aus wenig Sympathien gehabt. Es widersprach zu sehr dem germanischen Ehebegriffe. Einen vermittelnden Standpunkt zwischen beiden Extremen nimmt das System der Verwaltungsgemeinschaft ein, welches ohne Aenderung des eigentlichen Vermögensbestandes den Ertrag des beiderseitigen Vermögens und der beiderseitigen Arbeit zur Bestreitung der ehelichen Lasten verwendet und zu diesem Zwecke das Vermögen in der Hand des Mannes als des Herrn und Hauptes vereinigt wissen will.

Dieses System nimmt nun auch der Gesetzentwurf als Grundlage seines ehelichen Güterrechts an. Er unterstellt das Vermögen der Ehefrau, das sie zur Zeit der Eheschließung besessen und während der Ehe erworben hat, unbeschadet ihres Eigenthums der Nutznießung und Verwaltung des Ehemanns und nimmt davon nur diejenigen Sachen aus, die ausschließlich zum persönlichen Gebrauche der Ehefrau dienen, insbesondere Kleidung und Schmuck. Daneben erlaubt er aber auch der Ehefrau, einen Theil ihres Vermögens von der Verwaltung und dem Nießbrauche des Mannes freizumachen (sog. „Vorbehaltsgut“). Dies kann geschehen durch einen Vertrag unter den Ehegatten, durch Zuwendungen von außen mit diesem Vorbehalte, sowie in betreff dessen, was die Ehefrau durch ihre besondere, nicht bloß häusliche Arbeit oder durch selbständigen Geschäftsbetrieb erwirbt.

Um aber den seitherigen Gewohnheiten und Gepflogenheiten einzelner Landstriche Rechnung zu tragen, läßt es der Entwurf den Ehegatten offen, im Wege des Ehevertrags eins der genannten Systeme für ihre Verhältnisse ganz oder theilweise anzunehmen und damit den strengen Boden des gesetzlichen Rechts zu verlassen. Auf diese Weise kann auch noch der „Allgemeine deutsche Frauenverein“ zur Befriedigung seiner Wünsche kommen, der in einer an den deutschen Reichstag gerichteten Eingabe zu gunsten der Selbständigkeit der Frauenwelt die

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 796. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_796.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)