Seite:Die Gartenlaube (1889) 867.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

sofort, aber Götz war zum äußersten entschlossen und beschoß sogar von seiner Burg aus die Stadt, die jetzt zum Stützpunkt der Feinde geworden war. Noth an Lebensmitteln und Kriegsbedarf zwangen ihn aber bald zur Kapitulation. Als er im Vertrauen auf das Versprechen freien Abzugs die Burg verließ, wurde er heimtückischerweise überfallen, festgenommen und nach Heilbronn in Gewahrsam gebracht.[1]

Da stehen wir nun wieder an einem Punkte in Götzens Leben, den die Phantasie des Dichters und die rankende Volkssage am üppigsten überwuchert hat. Beide lassen den gefangenen Helden jahrelang in dem schauerlichen viereckigen Thurme schmachten, der am südwestlichen Ende der Heilbronner Altstadt unmittelbar am Neckarufer emporragt, und Goethe hat die ergreifende Schlußscene für sein Schauspiel dadurch gewonnen, daß er den Ritter in dem Gärtchen am Fuße des Thurmes sogar verscheiden läßt. Goethe hat überdies die Heilbronner Haft, welche Götz in den Jahren 1519–1522 zu erstehen hatte, zusammengeworfen mit jener anderen zu Augsburg, in welche der „Hauptmann der rebellischen Bauern“ im Jahre 1525 verfiel. Zum Glück wissen wir aus Götzens eigener Versicherung, daß er nur eine einzige Nacht in der Thurmzelle zugebracht hat. Jedermann erinnert sich der köstlichen Scene aus dem Goetheschen Drama, wie Götz vor dem Heilbronner Rath steht und den „Schmieden, Weinschrötern und Zimmerleuten“ nebst dem ganzen hochwohllöblichen Rath selber einen so heillosen Respekt einflößt und wie er sein treues Weib Elisabeth hinausschickt zu dem ihm befreundeten Sickingen, daß er komme und ihm zu einem ritterlichen Gefängniß verhelfe. Das alles ist im wesentlichen der Selbstbiographie Götzens treu nachgebildet, nur daß sich die Dinge nach der letzteren nicht so rasch abgespielt haben. Jedenfalls aber heißt es in den Aufzeichnungen des Ritters: „Daß that nun mein weib vnnd fuhrten mich die bündischen vff daß Rathhauß, vnnd vom Rathhauß inn thurn, vnnd must dieselbige nacht darinne liegen, vnnd wie sie mich vff den Pfingstabendt hinein legten, musten sie mich vff den Pfingstag deß morgens früe widerumb herauß thun.“ Er blieb von da an in ehrlicher Haft bis zum Jahre 1522, wo er sich mit einer Summe von 2000 Goldgulden auslöste.

Blick auf Jagsthausen.

Einige Jahre scheint sich nun Götz auf seiner Burg Hornberg verhältnißmäßig ruhig verhalten zu haben. Da aber brach im Jahre 1525 das Verhängniß über ihn herein, das ihn in die Arme und an die Spitze der aufrührerischen Bauern und auf solchem Wege abermals in die Gefangenschaft des Schwäbischen Bundes, diesmal nach Augsburg führte. Erst im Jahre 1530, nach fünfjähriger Haft, erhielt er seine Freiheit wieder und dies nur gegen Beschwörung einer harten Urfehde. Er durfte die Markung seiner Burg Hornberg nicht überschreiten, kein Pferd mehr besteigen, und selbst dann, wenn er innerhalb seiner Hofmarkung blieb, sollte er abends wieder auf die Burg zurückkehren.

Das war die lange Zeit des Stilllebens und Stillsitzens auf der Burg Hornberg, von dem ihn erst lange Jahre nachher – Götz behauptet 16 Jahre, aber die Rechnung will nicht ganz stimmen – ein kaiserliches Machtwort erlöste. Noch zweimal rückte der alternde Recke ins Feld, gegen die Türken und gegen die Franzosen, dann aber kehrte er für immer heim nach dem Hornberg, um hier ein beschauliches Alter zu verbringen. In diesen Tagen hat er die Erinnerungen aus seinem sturmbewegten Leben aufgezeichnet oder diktirt, die den vertrauenden Leser so treuherzig offen anmuthen und die den kritischen Geschichtsforscher zu solch tiefgreifenden Zweifeln veranlassen. – Götz war zweimal verheirathet. Zuerst mit Dorothea von Sachsenheim, dann seit 1516 mit Dorothea Gailing von Illesheim; Elisabeth hieß keine von seinen Frauen, den Namen hat Goethe frei gewählt. Von seinen 7 Söhnen starben 5 in ganz jungen Jahren, nur zwei, Hans Jakob und Philipp, hatten Nachkommenschaft. Ein Sohn von Hans Jakob, Philipp Ernst, hat im Jahre 1602 Hornberg verkauft – Götzens berühmte Burg kam damit in fremde Hände.




Noch einmal auf den Spuren des Weihnachtsbaums.

Von Alexander Tille.
Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.

Um die Weihnachtszeit des vorigen Jahres wurde in der „Gartenlaube“ (S. 831) von mir der Versuch gemacht, eine Antwort auf die Frage zu geben: Wie alt ist der Weihnachtsbaum und wo ist seine Heimath? Aber das Material, das jener Antwort zu Grunde lag, war noch lückenhaft und bedurfte sehr der Ergänzung. Zu letzterem Zwecke hat die „Gartenlaube“ damals einen Aufruf an ihre Leser gerichtet, alles irgendwie für die Geschichte unseres Christbaumes Wichtige ihr mitzutheilen, und heute möge denn an der Hand der freundlich eingesandten Nachweise und meiner eigenen weiteren Forschungen den Spuren des Weihnachtsbaumes weiter nachgegangen werden.

Mitten in der Weihnacht, im Augenblick der Wintersonnenwende, steht nach dem deutschen Volksglauben die Zeit eine Weile still, wie der in die Luft geworfene Stein still steht, wenn er seine höchste Höhe erreicht hat, bis er umkehrt und wieder herabsinkt. Es ist gleichsam ein Riß, eine Spalte in der Zeit, durch welche die Ewigkeit mit ihren Wundern hereinschaut. Da reden die Thiere, Berge thun sich auf, die Todten erstehen aus ihren Gräbern, Geister wandeln durch die Luft und Segen und Unheil sind dem Menschenkinde näher als sonst. In dieser Stunde läßt der Volksglaube auch einen Apfelbaum Knospen und Blüthen tragen, die in einer Stunde zur vollen Frucht ausreifen.

Zum erstenmal erscheint diese Sage im Jahre 1430. Damals berichtete Johannes Nider[2]: „Nicht weit von Nürnberg stand ein wunderbarer Baum . . . Jährlich in der rauhsten und


  1. Nach anderer Ansicht freilich wäre er beim Versuch, sich durchzuschlagen, in die Hände der bayerischen Knechte gefallen.
  2. F. A. Reuß, „Kleine Beiträge. Jahresbericht für den historischen Verein für Mittelfranken.“ 1859. S. 95.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 867. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_867.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)