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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

durchlöchert ist. In diesem Falle läßt sich durch Bedeckung der beschädigten Stelle und einen gleichzeitig ausgeübten sanften Druck auf den stehengebliebenen Theil des Häutchens zuweilen viel helfen. Die Apparate, welche zur Verschließung des Loches benutzt werden, nennt man gewöhnlich „künstliche Trommelfelle“; sie bestehen aus Gummistoff, Papier, Watte oder ähnlichen leichten Körpern und können bei einiger Uebung vom Kranken selbst je nach Bedarf eingeführt werden. Doch ist ihre Verwendung nur dann gestattet, wenn keine Entzündung, namentlich kein eiteriger Ausfluß im Ohre besteht, und da sie immerhin sowohl die Schleimhaut als auch die Hörnerven nicht selten erheblich reizen, so dürfen sie auch nur tagsüber, zuweilen selbst nur wenige Stunden, getragen werden.

Leider finden sich unter den vielen Tausenden von Personen, welche beschädigte Trommelfelle besitzen, nur verhältnißmäßig wenige, denen das künstliche Trommelfell wirklich gute Dienste leistet. Es rührt das auch hier daher, daß eine Anzahl von hier nicht näher zu erörternden Bedingungen erfüllt sein muß, wenn die Vorrichtung anwendbar oder nutzbringend sein soll.

Gerade auch das künstliche Trommelfell darf nur auf Verordnung eines in der Ohrenheilkunde bewanderten Arztes in Gebrauch genommen werden, denn kein Instrument kann so schädlich werden wie dieses, weil hierbei nicht allein die oftmals sehr bedeutende Ueberreizung der Hörnerven eintritt, die in vielen Fällen für die Anwendung ein unüberwindliches Hinderniß bietet, sondern auch eine Entzündung der Paukenhöhlenschleimhaut und des Trommelfells hervorgerufen oder verstärkt und dann eine Zurückhaltung von Eiter herbeigeführt werden kann, welche nicht selten zu tödlichen Folgekrankheiten Veranlassung giebt.

Bei Besprechung des „künstlichen Trommelfells“ müssen wir zum Heile vielleicht manches schwerhörigen Lesers eines seit einigen Jahren lebhaft betriebenen Schwindels mit sogenannten „künstlichen Ohrtrommeln“ gedenken, welche leider nur zu häufig bei den Kranken, welche sie benutzen, Unheil stiften. Bekanntlich versuchen es viele an einer unheilbaren Krankheit Leidende, nachdem sie verschiedene Aerzte ohne den gewünschten Erfolg zu Rathe gezogen haben, schließlich gern mit irgend einem Geheimmittel oder dem Rathe eines Kurpfuschers. Ganz besonders neigen hierzu die Schwerhörigen, und dieser Umstand hat eine Unmasse von Geheimmitteln und angeblich sicher wirkenden Apparaten gegen Taubheit gezeitigt, unter anderem auch einen gewissen Nicholson veranlaßt, zum Zwecke des Gelderwerbes das leichtgläubige Publikum durch den Verkauf seiner „künstlichen Ohrtrommeln“ auszubeuten, – was den Ertrag betrifft, augenscheinlich mit bestem Erfolge, denn die Anfragen von Kranken bei den Ohrenärzten in betreff der angepriesenen Wundervorrichtung oder der darauf bezüglichen Schrift mehren sich von Monat zu Monat, zumal da die Art und Weise, mit welcher der „Erfinder“ des Apparates vorgeht, dazu angethan ist, bei weniger urtheilsfähigen Menschen den Eindruck der Vertrauenswürdigkeit zu erwecken. – Betrachtet man indessen die Schrift, welche mit ihren zum Theil gefälschten (weil auf das längst bekannte „künstliche Trommelfell“, nicht aber auf die „künstlichen Ohrtrommeln“ bezüglichen) Anführungen aus wissenschaftlichen Werken, ihren anatomischen Abbildungen. facsimilirten Diplomen und Empfehlungsschreiben für die „neue Erfindung“ Reklame zu machen bestimmt ist, so findet man, daß es sich um einen Schwindel handelt, und wir halten es für unsere Pflicht, denselben aufzudecken.

Was zunächst das Instrument selbst betrifft, so ist es ein künstliches Trommelfell in veränderter Gestalt; es besteht aus einem durchsichtigen Gummihäutchen, welches mit einer Gold- oder Silberplattirung versehen ist und auf das Trommelfell aufgedrückt wird; als Stiel dient ein Röhrchen von magnetischem Stahl, welches zum Zwecke einer verstärkten nervösen Thätigkeit „die Schallwellen in die Ohrnerven mit geringer magnetischer Kraft entladet“; das Röhrchen trägt überdies an seinem andern Ende eine zweite Scheibe, welche in den Gehörgang zu liegen kommt und den Apparat in der richtigen Lage halten soll. – Daß ein solches Instrument in Fällen, in welchen das natürliche Trommelfell schadhaft ist, von Nutzen sein kann, ist nicht zu bestreiten; aber gerade darin, daß wohl manchen Patienten damit geholfen wird, liegt eine Begünstigung und eine besondere Gefahr des Schwindels; eine Gefahr, weil die Vorrichtung gerade wie das gewöhnliche, von Ohrenärzten schon längst angewandte „künstliche Trommelfell“, von dem sie ihre Grundform und den leitenden Gesichtspunkt überhaupt entlehnt hat, bei der überwiegenden Mehrzahl der Kranken schädlich wirken muß. Die Versicherung des „Erfinders“, daß seine „künstlichen Ohrtrommeln“ „die Gehörorgane in keiner Weise schädigen“ und daß sie „ohne Unbequemlichkeit Tag und Nacht im Ohre getragen werden können“, ist daher ebenso unwahr wie die an anderer Stelle zu lesende Behauptung, daß die Erfindung „von den ersten Fachmännern Europas und Amerikas geprüft und als vollkommen unschädlich befunden worden ist.“

Was man ferner von der Betheuerung des „Erfinders“ zu halten hat, daß er seine „Ohrtrommeln“ niemals in Fällen versende, bei welchen seiner Ansicht nach keine Besserung durch Anwendung derselben zu erwarten sei, geht zur Genüge aus der Anpreisung hervor, daß, wie er schreibt, sein Instrument „vertrauensvoll als ein sichres Linderungsmittel angewandt werden kann, wenn die Taubheit verursacht wird durch Skrophulose, Katarrh, Brüche, Abscesse, Ausflüsse oder Trockenheit der Ohren, verhärtetes Ohrenschmalz, Wirkung von Chinin, Erkältung des Kopfes, Scharlach, Masern, Keuchhusten, Kanonenschüsse etc., oder wenn das natürliche Ohrtrommelfell durchbohrt, zerstört (wie wir gesehen haben, die einzige mögliche Vorbedingung für Anwendung des künstlichen Trommelfells!) oder locker ist, oder die Taubheit eine Folge hohen Alters ist.“ Es gehört wahrlich nicht viel Urtheilsvermögen dazu, um in dieser Liste den Schwindel sofort zu erkennen!

Natürlich ist der „Erfinder“ auch „genöthigt, auf Vorausbezahlung in allen Fällen zu bestehen,“ denn wenn die Apparate vor der Bezahlung versuchsweise angewandt werden dürften, so würde er sie mindestens in neun Zehnteln der Fälle zurückbekommen.

Indem wir unsere Leser eindringlich vor denselben warnen, empfehlen wir, vorkommenden Falles sich von einem sachkundigen Arzte ein geeignetes Hörrohr verordnen zu lassen. Wird sich auch leider, wie wir gesehen haben, nicht für jeden Schwerhörigen ein erfreulicher Erfolg damit erzielen lassen, so ist doch in einer großen Reihe von Fällen viel mit solchen Hilfsmitteln zu erreichen, und dieselben sollten deshalb viel öfter versucht werden, als es bisher geschah.




Theodor Fontane.

Am 30. Dezember des vergangenen Jahres feierte ein deutscher Dichter von ausgesprochener Eigenart und liebenswürdiger Begabung seinen siebzigsten Geburtstag: es ist dies Theodor Fontane, der am 30. Dezember 1819 in Neu-Ruppin geboren wurde. Er hat die Chronik seiner Vaterstadt in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ mit großem Fleiß und sehr eingehend aufgezeichnet, wie er überhaupt seine Anhänglichkeit an die heimathliche Scholle treu gewahrt hat und sein schriftstellerisches Wirken wesentlich durch dieselbe bestimmt worden ist; er besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt und später die Berliner Gewerbeschule, da er sich dem Studium der Naturwissenschaften, besonders der Chemie widmen wollte. Zu diesem Zwecke begab er sich im Jahre 1840 nach Leipzig; doch fesselte ihn das erwählte Studium nicht und er wandte sich bald der Dichtkunst und litterarischen Bestrebungen zu. Im Jahre 1844 finden wir ihn, nachdem er vorher eine kurze Reise nach England unternommen, in Berlin. Hier schloß er sich dem litterarischen Verein „Tunnel“ an; wahrscheinlich hat er aber schon früher einem solchen Verein angehört; in dem Gedicht „Lebenswege“ heißt es:

 „... blutjunge Ware,
Studenten, Lieutnants, Referendare.
Rang gab’s nicht, den verlieh das Gedicht,
Und ich war ein kleines Kirchenlicht.
So stand es, als Anno 40 wir schrieben,
Aber ach, wo bist du, Sonne, geblieben?
Ich bin noch immer, was damals ich war,
Ein Lichtlein auf demselben Altar;
Aus den Lieutnants aber und Studenten
Wurden Gen’rale und Chefpräsidenten.“

Im Jahre 1850 trat Theodor Fontane zuerst in die Oeffentlichkeit mit einer kleinen Sammlung „Männer und Helden“; ihr folgte der Balladencyklus „Von der schönen Rosamunde“ (1850), später „Gedichte“ (1851) und „Balladen“ (1861). In der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_012.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)