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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

sehen und hören als die gewohnte Hofgesellschaft, die ihnen jahraus jahrein dasselbe langweilige Gesicht zeigt. Der Herzog scheint bereits ganz eingenommen zu sein von dem Rumänen.“

„Ja, es scheint so,“ murmelte Wallmoden, auf dessen Stirn sich eine Wolke legte.

„Uebrigens, was geht uns die Geschichte an!“ meinte Schönau. „Ich will mich jetzt einmal nach Toni umsehen, die nun überall ohne ihren Bräutigam erscheinen muß. Das war wieder ein Einfall von Regine. Wie eine Rakete fuhr sie mit ihrem Sohne ab. Sobald das geliebte Burgsdorf ins Spiel kommt, ist Deine Schwester nicht zu halten. Hätte sie mir nur wenigstens den Willy hier gelassen! Kein Mensch begreift es, daß mein künftiger Schwiegersohn vor den Festen Reißaus genommen hat, und ich begreife es erst recht nicht.“

„Ein Glück, daß sie fort sind!“ dachte Wallmoden, als er sich von seinem Schwager trennte. Wenn Willibald hier unvermuthet dem einstigen Jugendfreunde begegnet wäre, hätte sich vielleicht eine ähnliche Scene abgespielt wie neulich auf dem Hochberge. Wer konnte denn auch ahnen, daß Hartmut den Trotz so weit treiben würde, in einem Kreise zu erscheinen, wo er sicher war, dem Gesandten zu begegnen!

Fürst Adelsberg, der durch seinen Namen und seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem regierenden Hause in diesem Kreise eine der ersten Stellen einnahm, hatte in der That die Einführung seines Freundes durchgesetzt, und der Herzog schien von jener ersten Begegnung in Rodeck einen sehr günstigen Eindruck empfangen zu haben, denn er stellte selbst den jungen Fremden der Herzogin vor. Dieser Rojanow, mit dem bestechenden Zauber seiner Persönlichkeit und dem Hauch des Fremdartigen, der ihn umgab, war allerdings eine ungewöhnliche Erscheinung, die nur aufzutreten brauchte, um sofort allgemeine Beachtung zu finden, und heut entfaltete er all die glänzenden Eigenschaften, die ihm so reich zu Gebote standen, im vollsten Maße. Seine Unterhaltung und seine Bemerkungen sprühten von Geist und Leben, sein feuriges Temperament, das sich unwillkürlich verrieth, lieh allem, was er sagte und that, ein eigenartiges Gepräge, während er sich andererseits als Meister der gesellschaftlichen Formen zeigte. Kurz, die Voraussetzung des jungen Fürsten erfüllte sich: Hartmut wußte auch hier alles im Sturme zu erobern und hatte kaum den Fuß auf diesen Boden gesetzt, als er ihn auch schon mit der Macht seiner Persönlichkeit beherrschte.

Dem Gesandten konnte das nicht entgehen, wenn er dem „Rumänen“ auch noch nicht unmittelbar gegenüber getreten war; in dem Gewühl der Gäste war es ja nicht schwer, sich gegenseitig zu vermeiden, und gesucht wurde die Begegnung von beiden Seiten nicht. Wallmoden schritt soeben durch einen Nebensaal, wo die Schwester des Herzogs, Prinzessin Sophie, einen größeren Kreis um sich versammelt hatte. Die Prinzessin, die an den jüngeren Sohn eines fürstlichen Hauses vermählt gewesen, aber früh zur Witwe geworden war, lebte seitdem wieder am Hofe ihres Bruders, wo sie aber keineswegs beliebt war. Während die Herzogin mit ihrer Anmuth und Herzensgüte alles gewann, was in ihre Nähe kam, galt ihre bedeutend ältere Schwägerin für hochmüthig und ränkesüchtig. Man fürchtete allgemein die scharfe Zunge der Dame, welche überdies die liebenswürdige Gewohnheit hatte, jedem etwas Unangenehmes zu sagen. Auch Herr von Wallmoden entging diesem Schicksal nicht; er wurde huldvoll herangewinkt und empfing Schmeicheleien über die Schönheit seiner Gemahlin, die nun allerdings nicht zu leugnen war.

„Ich statte Ihnen meinen Glückwunsch äb, Excellenz. Ich war ganz überrascht, als mir Ihre junge Frau vorgestellt wurde, ich hatte selbstverständlich eine ältere Dame erwartet!“

Das „selbstverständlich“ klang ziemlich boshaft, denn Prinzessin Sophie wußte natürlich schon seit Monaten, daß die Gemahlin des Gesandten neunzehn Jahre alt war; aber dieser lächelte in der verbindlichsten Weise, als er antwortete:

„Hoheit sind sehr gütig, ich kann nur dankbar sein, wenn meine Frau das Glück hat, bei den fürstlichen Herrschaften einen günstigen Eindruck zu machen.“

„O, daran dürfen Sie nicht zweifeln, der Herzog und die Herzogin sind ganz meiner Meinung. Frau von Wallmoden ist wirklich eine Schönheit – Fürst Adelsberg scheint das auch zu finden. Sie haben es wohl gar nicht bemerkt, wie sehr er Ihre Gemahlin bewundert?“

„Doch, Hoheit, das habe ich bemerkt!“

„Wirklich? Und was sagen Sie dazu?“

„Ich?“ fragte Wallmoden mit vollkommener Ruhe; „es ist ja lediglich Sache meiner Frau, ob sie die Huldigungen des jungen Fürsten annehmen will. Wenn sie Vergnügen daran findet – ich mache ihr in dieser Beziehung gar keine Vorschriften.“

„Eine beneidenswerthe Sicherheit, an der sich unsere jüngeren Herren ein Beispiel nehmen könnten,“ sagte die Prinzeß, die sich ärgerte, daß der Pfeil sein Ziel verfehlt hatte. „Jedenfalls ist es sehr angenehm für eine junge Frau, wenn der Gemahl nicht eifersüchtig ist. – Ah, da haben wir ja Frau von Wallmoden selbst, natürlich mit dem Ritter an ihrer Seite! Meine liebe Baronin, wir sprachen gerade von Ihnen!“

Adelheid von Wallmoden, die eben in Begleitung des Fürsten Adelsberg eingetreten war, verneigte sich. Sie machte heute in der That einen blendenden Eindruck, denn die reiche Hoftoilette ließ ihre Schönheit noch siegreicher hervortreten. Der kostbare Brokatstoff des weißen Kleides, der in schweren Falten niederfloß, paßte vortrefflich zu der hohen schlanken Gestalt, die Perlen, welche sich um ihren Hals schlangen, und die Diamanten, die in dem mattblonden Haar funkelten, waren vielleicht die werthvollsten, die heute abend überhaupt getragen wurden; aber schärfer als je prägte sich auch das eigenthümlich Kalte und Ernste in der Erscheinung der jungen Frau aus. Sie glich so gar nicht ihren Altersgenossinnen, die auch schon zum Theil vermählt waren und doch noch in duftigen Spitzen und Blumen das Recht der Jugend geltend machten. Freilich besaß sie auch nichts von jener lächelnden Anmuth, jener geschmeidigen Liebenswürdigkeit, die man dort so geflissentlich zur Schau trug, der herbe strenge Zug, der als ein Erbtheil des Vaters ihrer Natur nun einmal unverwischbar eingeprägt war, verrieth sich immer in einzelnen Andeutungen.

Egon hatte seiner erlauchten Tante die Hand geküßt und war mit einigen gnädigen Worten beehrt worden, einstweilen aber galt die liebenswürdige Aufmerksamkeit Ihrer Hoheit der jungen Frau, die sofort in die Unterhaltung gezogen wurde.

„Ich sprach soeben Seiner Excellenz meine Freude darüber aus, daß Sie sich so schnell und leicht in unseren Hofkreisen zurecht zu finden scheinen, liebe Baronin. Sie betreten diese Kreise ja heute zum ersten Male und haben vermuthlich bisher in ganz anderen Umgebungen gelebt. Sie sind eine geborene –?“

„Stahlberg, Hoheit,“ lautete die ruhige Antwort.

„Ganz recht, ich erinnere mich des Namens, der mir schon öfter genannt wurde. Er ist ja vortheilhaft bekannt in der – Industrie.“

„Meine allergnädigste Tante, Sie müssen mir schon erlauben, Sie etwas genauer zu unterrichten,“ fiel Fürst Adelsberg ein, der selten eine Gelegenheit vorübergehen ließ, wo er seine allergnädigste Tante ärgern konnte. „Die Stahlbergschen Industriewerke haben einen Weltruf und sind jenseit des Oceans ebenso rühmlich bekannt wie hier zu Lande. Ich hatte vor einigen Jahren, als ich in Norddeutschland war, Gelegenheit, sie kennen zu lernen, und kann Sie versichern, daß diese Werke mit ihren Eisenhütten und Fabriken, ihren Beamtenkolonien und ihrem Arbeiterheere es mit manchem kleinen Fürstenthume aufnehmen können, dessen Herrscher aber jedenfalls kein so unumschränkter Machthaber ist, als der Vater Ihrer Excellenz es war.“

Die Dame warf ihrem durchlauchtigen Neffen einen nicht gerade freundlichen Blick zu, seine Einmischung war ihr sehr unerwünscht.

„In der That, von dieser Großartigkeit hatte ich keinen Begriff,“ sagte sie im harmlosesten Tone. „Da dürfen wir also jetzt wohl Seine Excellenz als einen solchen Herrscher begrüßen?“

„Nur als Reichsverweser, Hoheit,“ fiel der Gesandte mit einem anscheinend ebenso harmlosen Scherze ein. „Ich bin nur Testamentsvollstrecker meines Schwiegervaters und Vormund meines noch jugendlichen Schwagers, auf den die sämmtlichen Werke übergehen, sobald er seine Mündigkeit erreicht.“

„Ah so! Nun, der Sohn wird dies Erbtheil wohl zu wahren wissen. Es ist wirklich staunenswerth, was in unseren Tagen die Thatkraft eines einzelnen zu leisten vermag, und das ist um so anerkennenswerther, wenn er wie der Vater unserer lieben Baronin aus den einfachsten Verhältnissen hervorgegangen ist. So glaube ich wenigstens gehört zu haben, oder irre ich mich darin?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_171.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)