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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

dreiviertel, jedenfalls die Hälfte auf dem Marsch zur Küste zu Grunde gehen mußten, hatten nicht weniger als 33000 Opfer gekostet, ein weites, ehedem mit glücklichen Dörfern besätes Gefilde war nun der Verödung preisgegeben.

Als Wißmann im Jahre 1881 durch das Land der Basongo reiste, begegneten seinen Augen überall schöne Dörfer, deren Bewohner das Land ringsum mit umsichtigem Fleiß bestellten und mit kundiger Hand Zeuge, Töpferwaren, Eisengeräthe und Schnitzwerk aus Holz zu fertigen verstanden. Als er aber fünf Jahre später desselben Weges zog, waren die ausgedehnten Dörfer zerstört und verlassen und das ehedem so reiche Land so arm geworden, daß er 80 seiner Leute durch Hunger und Kankheiten infolge von Entbehrungen verlor.

An dem großen Njassasee hat die englische Mission in Verbindung mit der großen englischen Afrikanischen Seen-Gesellschaft den Versuch gemacht, die Bevölkerung für die Gesittung und das Christenthum zu gewinnen. Aber wie anderwärts vernichteten die auch hierher dringenden Araber mit der Bevölkerung alle bislang geleistete Arbeit. Ein kriegerischer Raubzug zerstörte die Dörfer, schlachtete die Widerstand Leistenden ab und führte den Rest als Gefangene fort, um das von jenen Arabern eingehandelte Elfenbein zur Küste zu tragen. Ein Augenzeuge schilderte uns den Zug der 3000 Köpfe zählenden Karawane des mächtigen Händlers Kabunda:

„Zuerst kamen die Waffenträger, tanzend, gestikulierend und ihre Flinten in die Luft werfend und wiederfangend, wie nur Araber es thun können, zum Klang von Trommeln, Pfeifen und anderen weniger musikalischen Instrumenten. Dann folgte langsam und gemessen der große Mann selber in weißem goldgestickten Gewand, seidenem Turban, Schwert und Dolch reich mit Silber verziert, begleitet von seinem Bruder und anderen Häuptlingen, während sein prächtig aufgeschirrter Esel nebenher ging. Nun kamen die Frauen und Dienerinnen, lachend und scherzend, mit dem Hausgeräth und manchem Gut ihrer Herren, und auf diese folgte die eigentliche Karawane selber, bewacht von wildblickenden Männern mit Flinten, Speeren und Aexten. Von den unglücklichen Gefangenen waren die starken Männer, von denen man sich vielleicht nichts Gutes versah oder um sie am Weglaufen zu verhindern, in die schreckliche Sklavengabel[1] gespannt, ihre Hände auch wohl an dieselbe gebunden, alle aber mit schweren Halsringen und Ketten beladen und zu Zehn oder Zwölf aneinander gefesselt. Oft mußte eine schwerbeladene Mutter noch das ganz junge oder ermüdete Kind tragen, nicht selten wohl brach sie unter der doppelten Last zusammen und Speer und Axt sorgten dafür, daß das nothgedrungen zurückgelassene Eigenthum keinem andern in die Hände fiel. Das schauerliche nächtliche Geheul der Hyänen, welche der Spur des Zugs folgten, verkündete nur zu deutlich das Folgende.“

Nicht immer aber endet Kugel, Speer oder Schwert die Leiden des zusammenbrechenden Sklaven; das ist noch ein mildes Verfahren! Nur zu oft siegt die barbarische Lust an menschlicher Qual über die Habgier, und der Unglückliche wird mittels der Sklavengabel in aufrechter Stellung an einem Baum festgemacht und so einem Todeskampfe überlassen, schmerzlicher, weil länger als Kreuzigung oder Pfählen.

Stanley hat auf seinem Zuge zur Befreiung Emin Paschas den alten Sklavenhändler Tippu-Tip gegen ein Jahresgehalt dafür gewonnen, das Amt eines Gouverneurs am oberen Kongo zu übernehmen. Wißmann erzählt uns, wie er das Lager Sayols, eines der Offiziere dieses Arabers, besuchte. Bei seinem Eintritt sah er fünfzig rechte Hände an Balken genagelt und Flintenschüsse bezeugten, daß Sayol sich damit vergnügte, an seinen Gefangenen als Zielscheibe Schießübungen zu machen, ehe dieselben geschlachtet und zertheilt wurden, um Tippu-Tips Hilfstruppen vom Lomami als Festmahl zu dienen. Das war, ehe der Araber jene Gouverneursstelle annahm, daß es aber seit jener Zeit nicht viel besser geworden ist, bezeugen uns die Offiziere des Kongostaats selber.

Doch genug und übergenug der Greuel! Das Schlimmste, das Unaussprechbare ist dabei noch nicht gesagt. Kann und darf das so bleiben? Können christliche Nationen, welche jetzt Anspruch auf große Theile Afrikas erheben, es dulden, daß Scheußlichkeiten, wie die Welt sie nie schlimmer kannte, gewissermaßen unter ihrem Schutze weiter verübt werden? Sicherlich nein und abermals nein! Aber wie soll man sie verhindern? Wie soll dem vorgebeugt werden, daß Afrika jährlich an zwei Millionen seiner Kinder verliert, und zwar auf die unmenschlichste, grauenhafteste Weise verliert?

Findet sich kein Käufer, so wird auch keine Ware angebracht werden. Den Sklavenhandel im Innern freilich können wir nicht beseitigen, noch auch die Skaverei ersticken, welche in den Anschauungen der Afrikaner so fest begründet ist. Ihre Entfernung ist eine Frage der Zeit, sie wird mit dem Eindringen unserer Kultur, mit der Verbreitung des Christenthums verschwinden, wenn auch erst nach langer Zeit, und inzwischen sind die Schrecken, die ihr anhaften, die geringeren.

Dem Sklavenhandel aber, welcher den Weg zur Küste nimmt, um von dort aus seine unglücklichen Opfer übers Meer nach dem mohammedanischen Asien und dem Norden Afrikas fortzuführen, können und müssen wir unbedingt ein Ende machen. Die Meeresränder an der Ostseite sind jetzt in den Händen Portugals, Deutschlands, Frankreichs, Englands und Italiens. Verbinden sich diese fünf Mächte zu einmüthigem, gemeinsamem und zweckentsprechendem Handeln, so wird die Ausfuhr von Sklaven sehr bald unmöglich. Noch hat der Sultan von Sansibar das Recht, Neger von der afrikanischen Küste in seine Besitzungen auf den Inseln und an der Küste zu schaffen, und diese Vergünstigung öffnet dem Sklavenhandel Thür und Thor. Sie muß ihm genommen werden. Dann wird es ausführbar sein, mit solchen Maßregeln, wie Portugal sie der in Brüssel versammelten Konferenz vorgeschlagen hat, durch eine sorgsame Ueberwachung der Küste nach jetzt ja möglicher Kontrolle der ostafrikanischen Hafenplätze dem Sklavenhandel in ähnlicher Weise ein Ende zu machen, wie das an der Westküste geschehen ist. Ohne Zweifel wird das viel Geld, viele Arbeit und auch manches uns werthe Menschenleben kosten. Aber Deutschland und ebenso alle anderen genannten europäischen Mächte haben mit der Besitzergreifung afrikanischen Bodens und der Erklärung der Schutzherrschaft über die daselbst wohnenden Völker auch Pflichten übernommen. Oder wäre das eine Schutzherrschaft, welche fremden Eindringlingen erlaubt, die ihrer Hut Empfohlenen in grausamster Weise zu mißhandeln, der Freiheit zu berauben, hinzumorden?



  1. Die „Gartenlaube“ hat im Jahrgang 1889, Seite 745 ein Bild gebracht, nach welchem man sich diese Art der Fesselung veranschaulichen kann.




Blätter und Blüthen.


Einige Osterspeisen. Es giebt viele, die meinen, die Festspeisen seien nur dazu da, um die Feststimmung durch einen guten Bissen zu erhöhen. Sie mögen bis zu einem gewissen Grade recht haben; denn ein Blick auf die heutige, Osterfladen vertilgende Menschheit scheint kaum eine andere Deutung zuzulassen. Immer war dies jedoch nicht der Fall. Der Grund, warum man an verschiedenen Festtagen bestimmte Gerichte aß, war ein viel tieferer. Die Festspeisen erinnern an alte längst gestürzte oder vergessene Götter oder haben zum Theil noch heute eine symbolische Bedeutung. Das rothe Ei Ostaras, der heidnischen Frühlingsgöttin, ist allgemein bekannt, der Osterhase legt es noch heute in allerlei Farben. Aehnliche Bedeutung haben auch andere Osterspeisen, die sich hier und dort erhalten haben. Einige, wie das Osterlamm, das Osterbrot, hängen mit der christlichen Lehre zusammen und bedürfen keiner Erklärung, insofern sie als rein symbolische Speisen auftreten. An andere knüpfen sich jedoch ganz besondere Ueberlieferungen.

An vielen Orten wird z. B. das sogenannte „Karfreitagsbrot“ gebacken. Der kleine Brotlaib wird das ganze Jahr hindurch bis zum nächsten Karfreitag aufbewahrt, und kleine Abschabsel desselben werden in ein Glas Wasser gemengt und als Medizin den Kranken gereicht. Am Gründonnerstag soll irgend eine grüne Speise vorgesetzt werden; man ißt heute in der Regel Spinat mit Eiern; früher war das Gericht umständlicher, man bereitete den sogenannten „Osterkohl“, in dem neunerlei Kräuter enthalten sein mußten, und wählte dazu verschiedene um die Osterzeit aufschießende Pflanzen. Neunerlei Kräuter pflegte man auch in einen Eierkuchen hineinzubacken.

Diese Speisen sind sehr alten Ursprungs und stammen noch aus jener Zeit, da die germanischen Jungfrauen im ersten Schein des Ostermorgens das Osterwasser schöpften. Der Fruhlingsanfang, den ja das Osterfest bedeutet, brachte den Menschen jener heidnischen Zeiten viel Wunderbares mit, das später auf die christlichen Feiertage bezogen wurde. So sollen z. B. nach dem Volksaberglauben verschiedener Gegenden noch heute schwarze Hennen in der Nacht vom Gründonnerstag auf den Karfreitag

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_192.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)