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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

die berühmten, gegen allerlei Leiden wirksamen Antlaßeier legen, und noch heute gilt vielfach der Volksglaube, daß Pflanzen, die um die Osterzeit eingetragen werden, besonders heilkräftig seien und auch vor Krankheiten schützen. Man kurirt ja noch heute das Halsweh mit Weidenkätzchen, die am Palmsonntag gesammelt wurden.

Von allen den oben angeführten Speisen haben sich nur wenige bis auf unsere Zeit erhalten. Die praktische Welt hat das beibehalten, was gut schmeckt und gut nährt, und so sind bei uns die Osterfladen das Hauptgebäck für Ostern.

An diese knüpft sich sogar eine Begebenheit, die unserer heimathlichen Geschichte angehört. Der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen bekriegte Herzog Moritz wegen des Stiftes Wurzen. Der erstere besetzte die Stadt am Palmsonntag des Jahres 1542. Der Streit wurde durch Luther und Philipp von Hessen gütlich beigelegt, die Truppen hatten nun nichts mehr zu thun, als die Osterfladen zu verzehren, daher scherzhaft dieser Krieg der „Fladenkrieg“ genannt wird.

Thurmbläser am Ostermorgen. (Zu dem Bilde S. 169.) Die Sitte, vom Thurm zu blasen, war im Mittelalter in allen deutschen Städten üblich: es waren meistens junge Leute, die sogenannten Stadtpfeifer, welche bei festlichen Gelegenheiten, namentlich am Oster- und Pfingstfest, in früher Morgenstunde diese Thurmmusik besorgten.

Auf unserem Bilde sehen wir die jungen Musikanten fleißig bei der Arbeit. Namentlich die Posaunen schmettern lustig in den heitern Morgen des Ostersonntags hinaus, welcher über die Dächer und Thürme der Stadt sein helles freudiges Licht ausgießt. Der alte Thürmer trinkt seinen Morgentrunk; über ihm am Fenster lehnt die junge Frau, während das Kind der Thürmerfamilie am Geländer steht und mit dem treuen Hündchen in die sonnige Stadt hinabsieht.

Für das Bild ist die Zeit von 1540 bis 1600 angenommen; auch nach der Reformation erhielt sich die mittelalterliche Sitte. †     


Ostern im Försterhause.
Zeichnung von A. Brunner.

Ostern im Försterhause. (Zu dem obenstehenden Bilde.) Rings die erwachende Natur, das friedliche Dörfchen mit der Kirche; um den Zaun und die Einfriedigung des Försterhauses rankt sich das junge Grün. Die beiden vor der Thür sitzenden Kinder singen ein Osterlied. Der alte Förster betrachtet mit sichtlichem Wohlgefallen die junge Mutter mit dem Kleinsten auf dem Arm, welches die Händchen nach dem Osterlamm ausstreckt. Links beschäftigt sich ein anderes Kind damit, Ostereier zu suchen: daneben hat ein „Osterhase“ Posto gefaßt. Das Ganze ist ein freundliches Idyll; die aus dem Winterschlafe auferstandene Natur rüstet sich für die Reife und Fülle des künftigen Jahres und darum spielt auch die Kinderwelt am Ostertage die Hauptrolle; denn auch ihr gehört die Zukunft. †     


Das Feierabendhaus für Lehrerinnen in Gandersheim. Nordöstlich von der uralten Wirkungsstätte der Nonne Roswitha, die einst im 10. Jahrhundert lateinische Lustspiele nach dem Muster des Terenz verfaßte, dehnt sich der mit prächtigem hohen Buchenwalde bedeckte Rücken der „Schanze“ aus, unmittelbar am Eingange in den von mannigfachen Spaziergängen durchzogenen Wald liegt das in einfachem, aber ansprechendem Stile erbaute, von Waldesfrieden beschattete Lehrerinnenheim, das zu Ehren des ersten deutschen Erbkaisers aus dem Hause der Zollern und seiner Gemahlin das „Wilhelm-Augusta-Stift“ genannt worden ist. Als über dasselbe in der „Gartenlaube“ zum erstenmal berichtet wurde (Jahrgang 1882, Seite 870), war es eben vollendet worden und sah seiner Einweihung entgegen. Wenige wußten noch von ihm im großen deutschen Vaterlande. – Heute ist das anders, und gerne nehmen wir eine Anfrage aus unserem Leserkreise – weit her aus dem Innern Rußlands ist sie in die Redaktion der „Gartenlaube“ gelangt – zur Veranlassung, noch einmal auf dasselbe zurückzukommen.

Während seines siebenjährigen Bestehens hat sich das „Feierabendhaus“ im ganzen deutschen Lande einen Namen gemacht und von allen Seiten strömen ihm deutsche Lehrerinnen zu, die hier in stillem Frieden und in verdienter Muße den Abend ihres Lebens zu verbringen gedenken. Der Raum des Hauses reicht für 20 Mitglieder und 10 vorübergehende Besucherinnen, augenblicklich befinden sich außer der Oberin 13 Bewohnerinnen der erstgenannten Art darin. Die Aufzunehmenden müssen sämmtlich Mitglieder des Bochumer „Augusta-Lehrerinnen- Vereins“, evangelisch und natürlich deutsche Staatsangehörige sein, müssen ein Alter von 55, oder bei nachgewiesener Dienstunfähigkeit von 40 Jahren haben und eine mindestens fünfzehnjährige, berufsmäßig ausgeübte Lehrthätigkeit aufweisen können. Bei Zahlung eines Eintrittsgeldes von 300 Mark und eines Jahresbeitrages von derselben Höhe erhalten die Pensionärinnen volle Verpflegung, Wohnung, Licht, Feuerung und Wäsche (mit Ausnahme der Leibwäsche).

Von den Vorständen des Vereins nennen wir besonders Superintendent König in Witten und die Lehrerin Fräulein Schüßler ebendaselbst, welche beide gern bereit sind, die Satzungen des Vereins zur Einsichtnahme zu übersenden und Auskunft zu geben über alle sonstigen den „Augusta-Lehrerinnen-Verein“ und das „Wilhelm-Augusta-Stift“ betreffenden Fragen. Mögen diese Zeilen das Ihrige dazu beitragen, unsere deutschen Lehrerinnen auf die ihnen gewidmete Stiftung wahrhaft edelgesinnter Menschenfreunde hinzuweisen.


Eine dreitausend Jahre alte Flamme brennt seit den Tagen Homers in Lykien in Kleinasien. Es ist die im Alterthum hochberühmte Chimaera, ein brennender Gasstrom, der aus dem zerklüfteten Serpentingestein eines etwa 350 m hohen Berges hervorbricht. Heute heißt dieser Yanartach, („verbrannter Stein“), er trägt an seinem Gipfel eine Oeffnung, aus welcher eine meterhohe Feuersäule ohne Unterbrechung emporwirbelt, während kleinere Flämmchen aus andern Spalten schießen. Die älteste Erwähnung der Chimaera findet sich bei Homer, dann sprechen zahlreiche alte Schriftsteller von ihr, Plinius nennt sie Flamma immortalis, die „unsterbliche Flamme“. Der Umstand, daß man sie in neuerer Zeit, nach jahrhundertelanger Abgeschlossenheit Kleinasiens, wieder auf der alten Stelle findet, spricht für ihre ununterbrochene Fortdauer. Wie ungeheuer muß

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_193.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)