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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


nicht zu vermeiden, und der junge Fürst, der keine Ahnung von den hier obwaltenden geheimen Beziehungen hatte, beeilte sich, seinen Freund vorzustellen.

„Erlauben Sie mir, Excellenz, ein Versäumniß nachzuholen, zu dem mich damals auf dem Hochberge das spurlose Verschwinden meines Begleiters zwang; ich bin erst nach Ihrer Abfahrt seiner wieder habhaft geworden. Herr Hartmut Rojanow – Baron von Wallmoden.“

Die Blicke der beiden Männer begegneten sich, der scharfe, durchbohrende Blick des einen traf auf den Ausdruck eines heraus- fordernden Trotzes bei dem anderen, aber Wallmoden wäre nicht der vollendete Diplomat gewesen, wenn er nicht hier den Umständen Rechnung getragen hätte. Sein Gruß war kühl, aber höflich, nur wendete er sich allerdings in seiner Antwort an den Fürsten allein und bedauerte, nicht mit den Herren plaudern zu können, da er zum Herzoge gerufen sei. Die ganze Begegnung beschränkte sich auf zwei Minuten, aber sie hatte doch stattgefunden.

Photographie im Verlage der Photographischen Union in München.
Der Besuch.
Nach einem Gemälde von J. Kleinmichel.


„Excellenz sind heute noch zugeknöpfter als sonst,“ bemerkte Egon, als sie weiter gingen. „So oft ich dies kalte, unbewegliche Diplomatengesicht vor mir sehe, spüre ich ein Frösteln und das dringende Verlangen, wärmere Zonen aufzusuchen.“

„Deshalb gehen wir wohl so beharrlich den Spuren des schönen kalten Nordlichtes nach?“ spottete Hartmut. „Wen suchen wir denn eigentlich auf diesem Spaziergang durch die Säle, den Du so unermüdlich fortsetzest?“

„Den Oberforstmeister!“ sagte der junge Fürst, ärgerlich, sich verrathen zu sehen. „Ich wollte Dich ja mit ihm bekannt machen, aber Du bist heut wieder in Deiner Spötterlaune. Vielleicht finde ich Schönau drüben im Pfeilersaale, ich muß mich dort einmal umsehen.“

Er machte sich schleunigst los und lenkte wirklich seine Schritte nach dem Pfeilersaal, wo sich das herzogliche Paar befand und wo er auch Adelheid von Wallmoden vermuthete. Unglücklicherweise aber kreuzte er beim Eintritt wieder den Weg seiner allergnädigsten Tante, die ihn von neuem in Beschlag nahm. Sie wollte Näheres über den jungen, interessanten Rumänen hören, der in der That im Sonnenschein ihrer Gunst stand, und der ungeduldige Neffe mußte wohl oder übel ihren Fragen standhalten.




Das Fest nahm seinen Fortgang, die Gesellschaft fluthete und wogte durcheinander, während Hartmut langsam und scheinbar absichtslos durch die lange Flucht der Gemächer schritt. Auch er suchte etwas und er war darin glücklicher als Egon: ein flüchtiger Blick in das Thurmzimmer, dessen Eingang die schweren Vorhänge halb verhüllten, zeigte ihm den Saum einer weißen Schleppe, die dort über den Boden floß, und in der nächsten Minute stand er auf der Schwelle.

Adelheid von Wallmoden saß noch an demselben Platze wie vorhin und wendete langsam den Kopf nach dem Eintretenden. Plötzlich zuckte sie jäh zusammen, freilich nur einen Augenblick, dann erwiderte sie mit der gewohnten kühlen Ruhe die tiefe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_213.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)