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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

niedliche aschgraue Affengesichtchen tief eingezogen auf die Brust. Nur versteckt unter den kurzen weißbündigen Flügeln schaut das viermal weiß quergestreifte Schwänzchen hervor.

Jetzt hebt das Käuzchen den einen Fuß unter den aufliegenden Bauchfedern hervor, als wollte es in die Luft greifen. Es hat lebhaft den Anschein, als ob der kleine Federbalg aus einem Traum erwache und, noch halb in diesen verloren, eine phantastische Bewegung ausführe. Wie niedlich und zierlich sehen sich die dichtbefiederten Füßchen an, und doch wie wehrhaft mit scharfen Fängen versehen sind sie! Plötzlich streckt sich der Vogel, und siehe: aus dem Federball wird stracks ein schlanker glatter Vogel, dessen Gefieder sich gar nicht ansieht wie das weiche, lockere seiner Eulenverwandten, sondern eher dem Kleide eines Sperbers oder andern Tagräubers gleicht. Auch sein Köpfchen mit dem stark übergehakten, gezahnten Oberschnabel erinnert, namentlich im Profil, an die Räuber des Tages. Doch mit einem Male empfangen wir einen Blick von dem uns zugewandten Auge, aus dessen Tiefe der nächtliche Schimmer des Eulengesichts dringt. Aber kaum hat sich dieser Zug wie ein übergleitender Schatten der Nacht einen Augenblick verrathen, so zeigt sich auch schon wieder ein freundlicheres Bild ist des Vogels behenden Wendungen, womit er sich auf dem Geäste bewegt. Mit Hilfe des Hakenschnabels klettert er papageiartig herum, lüftet die Flügel ein wenig und hält schelmisch Umschau. Gleich darauf verfällt der Kauz in eine wahre Possenreißerei. Mit dem hellkreischenden Rufe „Kirr kirr“ nickt er rasch mit dem Kopfe, schaut, denselben abwechselnd schief haltend, bald zur rechten bald zur linken, streckt sich jetzt mit glattanliegendem Gefieder senkrecht in die Höhe, um sich kurz darauf wie in übermüthiger Laune aufzublasen, oder unter Knappen des Schnabels sich zu schütteln; er verdreht den Hals, wobei sich das Gesicht unter auf- und zugehendem Schnabel und unter Sträuben der Wangen. und Kopfseitenfedern affenartig verzerrt.

Zwergeule von Meisen ausgeschimpft.
Zeichnung von Adolf Müller.


Sein Ab- und Zuflug von Baum zu Baum geht rasch in bogigen Linien wie derjenige seines nahen Verwandten, des Steinkauzes, ganz anders also als der Flug der Nachtkäuze oder der Ohreulen. Auch sein Betragen zur Minnezeit im März bietet Eigenartiges. Aus der Höhle einer Eiche, Föhre oder Buche erklingt dann der hohle Ruf des Männchens in den Silben „Klululu“; des Abends aber verläßt es das Nestloch, fliegt in fast senkrechter Richtung am Stamme herunter und streift meist ganz niedrig über die Triften und Schläge dahin. Erwähnt muß werden, daß das Käuzchen sich sehr nützlich von Kerfen aller Art ernährt; so ist es auch nach dieser Seite hin unserer Schonung und Theilnahme würdig.

Das gerade Gegentheil von dem Zwergkauze lernen wir in dem Riesen der Ohreulen, dem Uhu, kennen. Die ansehnlichen Federbüschel über dem Gehöre und seine bedeutende Leibesgröße, (er wird über 60 cm lang) machen ihn zum urbildlichen Vertreter der Familie der Ohreulen. Ist die Zierde seines Kopfes schon auffallend, so vollendet dessen Dicke und Größe das Absonderliche dieses Nachtvogels; sein großes, abgeplattetes, mit goldgelber Iris leuchtendes Auge, der ausgebauchte Schnabel und die stämmigen befiederten Beine mit der Räuberwehr von starkgebogenen, festen und langen Krallen verrathen schon im Aeußeren einen mächtigen Gesellen der Nacht.

Düster wie die Nacht ist auch sein massiges Gefieder. Unbestimmt rostgelb erscheint es in seiner Grundfärbung, oberseits dunkler als unterhalb, hier schwarz längsgestreift, dort schwarz geflammt, nur die Kehle und das Innere der sonst schwarzen Federbüsche zeigen hellere Töne. Der männliche Uhu, obgleich kleiner als der weibliche, hat erheblich höhere Ohrenbüschel, die sich etwas nach hinten biegen.

Sein Gebahren ist verschlossen, scheu, linkisch und täppisch am Tage; in der Nacht aber entfaltet sich sein Wesen; da wird er ein wilder, ungestümer, räuberischer Gesell.

Seine eigentliche Heimath sind Gebirgswaldungen mit schroffen Hängen und Felsgeklüften. Hier in diesen versteckten düsteren Schluchten und Winkeln sitzt er Tags über wie ein versteinertes Bild. Findet er keine passende Felsspalte, so wählt er auch wohl Waldstellen, wo das Laubdach der Bäume den Blick in seine Einsiedelei verschließt, oder versenkt sich in eine finstere Baumhöhle.

Im Odenwald und Taunus haben wir den scheuen, unheimlichen Vogel der Nacht eingehend zu beobachten Gelegenheit gehabt. Merkwürdigerweise trat dabei zu Tage, daß der Uhu da, wo er selten war, in der Zurückgezogenheit wilder Waldnatur hauste, bei häufigerem Vorkommen aber nahe an Plätzen menschlichen Verkehrs und bewohnten Stätten lebte und hier sogar nistete, so bei Winterkasten im Odenwalde. Dort war das Thier früher häufig vertreten, und es ist gewiß kein Zufall, daß von dort auch die Sage vom Auszuge des wilden Ritters Rodenstein entstammt.

Wild wie die Einöde, in der sie leben, ist auch die Liebe der Uhus. Die männlichen verursachen bei ihren Kämpfen der Eifersucht ein gespensterhaftes Geräusch, das übertönt wird von den eigentümlichsten, schauerlichsten Rufen, die weithin aus den Wäldern dringen. Neben dem bekannten hohlen „Uhu“ entstehen krächzende, ächzende Laute, stöhnende und wie fernes Heulen schallende Töne, verbunden mit Knappen der Schnäbel und Klatschen der Flügel. Die weiblichen Uhus begleiten dieses unheimliche Konzert der erzürnten Kämpfer mit Tönen, die menschlichem Jammergeschrei

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_243.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)