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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Bilder aus dem Landsknechtsleben.

Von H. Bauer. 0Mit Zeichnungen von Peter Schnorr.
II.
Blüthe und Verfall. – Karl v. Bourbon und Georg von Frundsberg.


 Karl v. Bourbon.   Sebastian Schertlin v. Burtenbach.  
Georg v. Frundsberg.

Länger als ein Jahrhundert lag die Entscheidung fast aller Kriege Europas in den Händen der deutschen Landsknechte. Nicht nur auf dem blutgetränkten, Heere verschlingenden Boden Italiens fochten sie für des römischen Reiches deutscher Nation Ehre und Macht, mitunter auch gegen beide; nein: das damals schon sich innerlich mehr und mehr lockernde Staatengefüge verschwendete seine unerschöpflich scheinende kriegerische Kraft, welche Maximilian lebendig gemacht hatte, an fremde Interessen und Strebungen, wenn diese Kraft nicht gar von Soldgier verleitet, gegen ihr Vaterland sich kehrte. Wenn deutsche Landsknechte Ungarn eroberten und gegen die Türken vertheidigten, so setzten sie, freilich ohne sich dessen immer bewußt zu sein, ihr Leben für die europäische Civilisation, für des Reiches Ostmarken ein. Aber schon gegen das Ende der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts finden wir im Lager Frankreichs vor dem tapfer durch deutsche Landsknechte vertheidigten Neapel deutsche Handwerksgenossen derselben, welche unter dem Lilienbanner ihr Blut wider den deutschen Kaiser vergossen. Deutsche Landsknechte waren es, welche dem Moskowiter Iwan IV. oder dem Schrecklichen es ermöglichten, gegen die Polen das Feld zu halten, welche Schweden der Union unterwarfen, in England gegen die Sache der Yorks mit seltsamem Feuereifer kämpften, welche endlich der französischen Krone lange die Bretagne streitig machten und unter Frankreichs Königen ebenso tapfer als ruhmlos die Waffen führten; ruhmlos, da die Fremde geflissentlich ihre braven Thaten todtschwieg, Verräther am Vaterland, aber treu bis zur Aufopferung dem fremden Soldherrn. Wohl suchten Frankreichs Könige die deutschen Söldner überflüssig zu machen, indem sie unternehmende französische Ritter veranlaßten, aus französischem Volke ähnliche Scharen zu bilden, ein Versuch, bei welchem namentlich jener von Schiller in der Ballade „Der Handschuh“ besungene Ritter M. Delorges eifrig mitwirkte. Es blieb indessen bei dem Versuche. Die „unerschöpfliche Mutter der Soldaten“ hieß den Völkern Europas damals unser Vaterland.

Leicht wäre es nun, wollten wir ein verschönerndes Bild deutschen Kriegswesens im 16. Jahrhundert entwerfen, dem Stande der frommen Landsknechte einen Ruhmeskranz strahlenden Heldenthums zu flechten. Denn der Raum dieser gedrängten Skizze würde nicht ausreichen, um nur in größter Kürze alle diejenigen Kriegsthaten zu schildern, durch welche die Soldläufer, über sich selbst sich erhebend, des Lobes echten Ritterthums sich werth gemacht haben. Wollten wir das Landsknechtsthum in seiner schönsten, idealsten Entwicklung zeigen, wir brauchten bloß jenen „königlichen“ Krieg um Pavia zu schildern, so genannt, weil Franz I. von Frankreich mit dem Könige von Navarra und anderen königlichen Helden in der dortigen Entscheidungsschlacht kämpfte.

Die Schlacht von Pavia an dem denkwürdigen 24. Februar 1525 würde ja auch sonst für die Kennzeichnung des damaligen Kriegswesens sich besonders eignen, weil in ihr das alte, romantische Ritterthum noch einmal in unmittelbaren Wettstreit seiner persönlichen Tapferkeit mit den Massen namenloser Fußknechte trat, in einen Wettstreit, welcher in beiderlei Hinsicht, ob nun die Landsknechte als Gegner oder als die Mitstreiter jener Harnischreiter auftraten, zum Nachtheile der letzteren ausfiel. Es möge hier nur ein Begebniß angeführt sein.

Als die Kaiserlichen in den ummauerten Thiergarten von Pavia eindrangen, geriethen zuerst ihre deutschen und spanischen Ritter mit den französischen aneinander. Die französischen Ritter, die sich in der Uebermacht befanden, brachten ihre Gegner in hartes Gedränge. Der kaiserliche Feldherr Marchese di Pescara merkte die Noth. Schon sein Aufzug kennzeichnet ihn im Gegensatze zu der in bunt gestickten Sammetröcken, vergoldeten Stahlrüstungen auf gepanzerten, wunderlich geputzten, schweren Hengsten streitenden Ritterschaft als Vertreter des neuen Kriegswesens. Auf leichtem Pferde, in Landsknechtstracht, den Spieß in der Hand, fliegt er zu den spanischen „Arcabuceros“, den ständigen Gefährten der im kaiserlichen Dienste südlich der Alpen streitenden Landsknechte, und giebt einem Hauptmann einen kurzen Befehl. Auf dessen Wink springen einige hundert mit langen Luntenflinten bewaffnete Pyrenäenschützen aus dem Haufen hervor, umgehen im Laufe von hinten die französischen Ritter und senden, mit besonderer Kunst rasch feuernd, einen Stahl und Eisen durchschmetternden Kugelregen auf Mann und Roß. Bestürzt sehen die Eisenreiter einen der Kampfgefährten nach dem andern von unsichtbarer Gewalt dahingerafft. Sie stutzen, wenden sich, vertheilen sich in kleinere Gruppen und werfen sich auf die kecken Schützen. Aber diese Gebirgskinder sind behender als die schwergepanzerten Hengste; wie leichtes Gewölk theilen sie sich vor den Ansprengenden, fassen sie wieder in Flanke und Rücken, die Wuthschäumenden zur Verzweiflung bringend. Da sank der Adel Frankreichs vor den Kugeln gering geachteter Fußknechte von den hohen Rossen sieglos in den Staub, und die unter dem Schutze des verheerenden Schnellfeuers (nach damaligen Begriffen) wieder gesammelten kaiserlichen Ritter vollendeten dann die Niederlage. Den entscheidenden Schlag aber führten die deutschen Landsknechte unter Georg von Frundsbergs Führung, indem sie die „Schwarze Schar“ erschlugen und die Schweizer in den Tessin sprengten, dessen Wasser von deren Blute sich röthete.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_285.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2021)