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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


„Nun, ich werde einen Diener hinaufschicken, um ihn an seine gesellschaftlichen Verpflichtungen zu erinnern. Uebrigens – auch Dir habe ich noch etwas zu sagen, Engelbert! Du hast neulich auf dem Essen bei Rochlitz den deutlichen Wink sehr rasch vergessen, welchen ich Dir gegeben hatte.“

„Einen Wink, Papa? – Ich weiß wirklich nicht. – Ah, – etwa wegen der kleinen Gräfin Hainried?“

„Du mußt ein schlechtes Gewissen haben, da Du sogleich erräthst, was ich meine. Dein nachlässiges Benehmen gegen die junge Dame streifte in der That beinahe an Unhöflichkeit.“

„Wie genau Du solche Kleinigkeiten doch beobachtest, Papa!“ meinte Engelbert heiter, indem er vor einen Spiegel trat und sich wohlgefällig in allen Muskeln reckte. „Es ist möglich, daß sie mir an jenem Tage nicht recht gefiel. Sie hatte den Schnupfen, und niemand wird im Ernste bestreiten wollen, daß selbst die Venus von Milo mit einem Schnupfen aufhören würde, begehrenswerth zu sein.“

„Das sind Albernheiten, mein lieber Engelbert, und ich deutete Dir schon an jenem Tage an, daß es mir lieb wäre, wenn Du die Sache gerade diesmal von einer etwas ernsteren Seite nähmest. Reckenstein macht kaum noch ein Geheimniß daraus, daß die Reibungen nach unten und oben, die bei seiner knorrigen Natur von vornherein unvermeidlich waren, ihn bereits herzlich amtsmüde gemacht haben, und daß er das Kriegsministerium lieber heute als morgen verließe, wenn nur das Kommando eines Armeecorps frei wäre, das ihm versprochen worden ist. Darüber aber, daß kein anderer als Hainried, der unermüdliche Arbeiter und ausgezeichnete Redner, sein Nachfolger auf dem Ministersessel werden wird, waltet in eingeweihten Kreisen längst nicht mehr der geringste Zweifel.“

Engelbert drehte sich auf dem Absatz herum und schnitt eine drollige Grimasse des Entsetzens.

„Heirathspläne also, Papa? Schauderhaft!“

„So hoch versteigen sich meine Hoffnungen gar nicht! Ehe da vom Heirathen die Rede sein könnte, müßtest Du einem halben Dutzend von Nebenbuhlern den Rang ablaufen, die ihr Rößlein allem Anschein nach besser zu tummeln verstehen als Du.“

„Oho, wenn es nur darauf ankäme! Ich wollte ihnen zwanzig Längen vorgeben und sie doch noch alle mit einander um eine Nase, und zwar um eine recht lange, schlagen. Aber wenn es Dir wirklich Spaß macht, Papa, mich als girrenden Täuberich um dies verschnupfte Täubchen stolzieren zu sehen, so will ich Dir als guter Sohn mit Vergnügen gehorsam sein. Ich werde der Gräfin Hainried auf Tod und Leben den Hof machen, sollten sich auch die beiden Rochlitz darüber grün und gelb ärgern.“

Rasch nach einander rollten draußen die ersten Wagen vor; der General seufzte ein wenig und legte dann sein lebhaft gefärbtes, fast jugendlich frisches Gesicht in die verbindlichsten und liebenswürdigsten Falten. –

In einer Gesellschaft, die zum weitaus größten Theile aus Offizieren und ihren Damen bestand, nahm man es mit der Pünktlichkeit des Erscheinens ziemlich genau. Im Verlauf einer kurzen halben Stunde hatten sich die erhellten Gemächer mit einer sehr glänzenden Versammlung in bunten, blitzenden Uniformen und kostbaren, über Parkett und Teppiche rauschenden Gewändern gefüllt.

Da man unter einander fast durchweg gut bekannt war, herrschte von vornherein eine sehr angeregte Stimmung, das Geräusch einer allgemeinen, lebhaften Unterhaltung schwirrte durch die Säle, und namentlich den heiteren Mienen der Jugend beiderlei Geschlechts war es unschwer anzusehen, daß man sich äußerst vergnügliche Stunden versprach.

Sollte es doch auch eine rechte Tanzgesellschaft werden, bei welcher die junge Welt nicht durch die Marter eines stundenlang ausgedehnten Abendessens zur Verzweiflung gebracht werden würde. Auf den ersten Walzer sollte eine Erfrischungspause folgen, während der an kleinen Tischchen zu verspeisen war, was die aufgestellten Büffetts in verschwenderischer Fülle an auserlesenen Leckerbissen boten. Es war darum natürlich, daß derjenige Kavalier, welchem eine Dame diesen Walzer gewährte, auch ihr Ritter während der Erfrischungspause blieb, und jeder, dem es darum zu thun war, sich die Gunst irgend einer holden Ballelfe zu gewinnen, beeilte sich deshalb, seinen Nebenbuhlern für den bedeutsamen Tanz den Vorrang abzulaufen.

(Fortsetzung folgt.)




Bilder aus dem Landsknechtsleben.
Von H. Bauer.0 Mit Zeichnungen von Peter Schnorr.
III.
Der Zug gegen Rom. – Frundsbergs und Bourbons Ende. – Erlebnisse eines Leichnams.

Nicht bunt genug kann man sich den Heereszug denken, welchen Frundsberg nach Italien führte. Zwar es fehlten ihm manche Bestandtheile einer „wohlbestellten Armada“. Es war November; die Südausgänge der Alpen waren von den Feinden wohl verwahrt, und so galt es, in ungünstiger Jahreszeit auf wenig betretenen Wegen über das Gebirge zu kommen, um auf weitem Umweg durch das feindliche Venetien sich mit dem in Mailand bedrängten Bourbon zu vereinigen. Es fehlten also die prunkenden Ritterkompagnien, es fehlte die damals noch überaus schwerfällige Artillerie. Geschütze gedachte Frundsberg in Italien zu erobern oder von dem Kaiser zugewandten Fürsten zu entlehnen.

Aber schon der Landsknechte Aufzug allein mußte den wunderbarsten Anblick gewähren. Vor den größeren Abtheilungen ritten im prachtvollen Harnische, umgeben von Trabanten, die höheren Offiziere – Frundsberg, der Kommandirende, allerdings auf einem bedächtig schreitenden Maulthier. Vor jedem Fähnlein schritt der möglichst in die Farben des Regenbogens gekleidete Fähndrich mit der gewaltigen, „thurmhohen“ Fahne, hinter ihm kamen die Pfeifer und die Trommler mit Trommeln, groß wie Weinfässer, die Hälfte des „Gespiels“ vor den Hakenschützen, die andere Hälfte vor den langen Spießen. An sie schloß sich dann der Haufe der Landsknechte, jeder nach Laune und Umständen bewehrt, mit Sturmhaube, geschlossenem Helm, hohem Filzhut, Federbarett, in ganzen und halben Panzern; manche mit vollem Harnisch bis zum Knie, andere in Lederkollern, Kettenhemden und Kragen, gefältelten, geschlitzten, zerhackten, in grillenhaften Farben durcheinander schillernden Wämsern, mit dem ausschweifendsten Schnitte der Hosen, von den bis zum Knöchel

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_333.jpg&oldid=- (Version vom 27.1.2024)