Seite:Die Gartenlaube (1890) 550.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

gesagt, und Richard mußte sich mit Beschämung bekennen, wie schweres Unrecht er ihr mit seinem Verdacht gethan hatte. Allein seinen Entschluß vermochte auch diese Einsicht nicht mehr zu erschüttern. Was den Gutsverkauf betraf, so sah die Witwe wohl ein, daß die Weiterführung des großartigen Betriebs ohne Tromholts Hilfe für sie eine Unmöglichkeit sei, zugleich war ihr die Freude an dem einstigen Familienbesitz durch die Erinnerung an die letzten Ereignisse völlig verleidet. Auch sie war müde, und so hatte sie, wenn Graf Snarre den Kauf zu angemessenen Bedingungen einging, gegen Tromholts Vorschläge auch in dieser Richtung nichts mehr einzuwenden.

Nachdem sich Richard von der Witwe mit einem Händedruck, dessen warme Erwiderung ihm mehr als alle Dankesworte bezeugte, was er ihr gewesen war, verabschiedet hatte, stieg er zu Ingeborg empor, die im oberen Stock ein Zimmerchen bewohnte. Er traf sie mit Dina und sah sich von beiden aufs herzlichste begrüßt. Zwischen den beiden Mädchen hatte sich in der kurzen Zeit ihres Zusammenlebens ein überaus inniges Verhältniß gebildet, und als Dina nun hörte, daß er gekommen sei, ihr die Freundin zu nehmen, gab sie ihrem Kummer Ausdruck. Ingeborg, welcher der Abschied gleichfalls nicht leicht wurde, hatte alle Mühe, sie zu trösten. Aber so angenehm der Aufenthalt im Hause der Frau Ericius für Ingeborg auch gewesen und so gütig die Aufnahme war, die sie dort gefunden hatte, widerstrebte es ihr doch, das fremde Gastrecht ohne Gegenleistung länger zu genießen. Sie sehnte sich nach einer Thätigkeit, wie sie sich ihr in Trollheide bot, und nur der Gedanke, daß Larsen sie dort aufs neue mit seiner gewaltthätigen Zudringlichkeit verfolgen könnte, machte ihr bang. Allein in dieser Hinsicht beruhigte sie Tromholt, der seine letzten Pläne vor dem Mädchen noch geheim hielt, und so reiste sie noch am gleichen Abend, nachdem sie ihre Habseligkeiten zusammengepackt und sich von der Familie verabschiedet hatte, mit ihrem Beschützer nach Limforden zurück.




9.

Graf Snarre hatte sein Möglichstes gethan, Susanne zu bewegen, daß sie ihre Abreise noch einige Tage aufschiebe, und auch seine Tante hatte sich diesen Bemühungen angeschlossen, aber Susanne bat, nicht in sie zu dringen. Ihr Benehmen war seit der Unterredung mit Tromholt so verändert, daß es den Hausgenossen auffallen mußte; sie war ernster, stiller als zuvor, und vergebens mühte sich Snarre, ein Lächeln auf ihre Züge zu rufen, vergebens mühte er sich auch, zu errathen, was zwischen ihr und Tromholt vorgefallen sein möchte.

Mit ruhigem Ernst reichte sie ihm beim Abschied die Hand, und aus ihren Dankesbezeigungen sprach wohl warmes Gefühl, aber auch nicht mehr, nichts, was seine Hoffnungen irgend hätte ermuthigen können, ja, selbst seine Begleitung hatte sie abgelehnt.

Snarre war zornig bald über sich, bald über Tromholt, er suchte sich in dem Schmerz über Susannens Kälte die ganze Angelegenheit aus dem Kopf zu schlagen, aber die Folge war, daß er sich nur immer leidenschaftlicher in die schöne Frau verliebte, immer ernster über die Mittel nachdachte, sie ganz zu besitzen.

Gleich nach Susannens Abreise hatte er einen Boten zu Tromholt nach Limforden geschickt, von dort aber die Nachricht erhalten, daß der Direktor in Geschäften nach Kiel gereist sei. Nun erwartete er voll Ungeduld Tromholts Zurückkunft, und er stand schon im Begriff, selbst nach den Werken hinüberzureiten, als sich der Heimgekehrte bei ihm melden ließ.

„Ah, mein verehrtester Herr Direktor!“ rief Graf Snarre mit sichtbarer Freude. „Ich bin sehr glücklich, Sie zu sehen, ja, ich muß sagen, ich stand schon mit dem Fernrohr auf meinem Schloßthurm und schaute nach Ihnen aus! Nun, ich bitte, was bringen Sie Neues? Nehmen Sie gütigst Platz! Sie waren in Kiel?“

Tromholt nickte.

„Ja, Herr Graf! Ich komme mit viel Neuem, und da Sie in erster Linie daran betheiligt sind, gestatten Sie, daß ich Ihre Aufmerksamkeit dafür in Anspruch nehme. Um zunächst kurz die Sachlage zu erörtern: Sie haben mich bezüglich Ihres neulichen großmüthigen Angebots um Verschwiegenheit gegenüber jedermann und besonders gegenüber den Damen Ericius ersucht. Leider war es mir nicht möglich, dieses Versprechen in seinem ganzen Umfang zu erfüllen.“

„Ah!“ machte Snarre und seine Züge verfinsterten sich.

„Es mußte sich mir,“ fuhr Tromholt fort, „nachdem ich mich von dem ersten Erstaunen über Ihr Gebot erholt und die Sache näher überlegt hatte, die Frage aufdrängen, ob ich ein derartiges, einem Geschenk gleichkommendes Anerbieten allein auf meine Verantwortung annehmen dürfe, so lange noch irgend eine Möglichkeit vorhanden war, die bestehenden Wirrnisse in anderer Weise zu lösen, ob ich nicht verpflichtet sei, diejenigen, die mich mit ihrem Vertrauen beehrten und denen das Geschenk zugute kam, davon in Kenntniß zu setzen. Nun, Herr Graf, Pflicht und Gewissen sagten mir, daß die Unterlassung einer solchen Mittheilung einem Vertrauensmißbrauch viel schwererer Art gleichgekommen wäre, als Sie ihn in dem Bruch meines Schweigens erblicken mögen. Pflicht und Gewissen sagten mir ferner, daß ich erst mit allen Mitteln die Möglichkeit einer andern Lösung suchen und, nachdem ich sie gefunden, nicht der Gräfin Susanne, obwohl sie die Nächstbetheiligte ist, aber doch ihrer Mutter, der Witwe Ericius, von Ihrem Angebot vertrauliche Mittheilung machen und ihr die freie Wahl des nunmehr einzuschlagenden Weges überlassen müsse. Und so habe ich gehandelt.“

Der Graf hatte der überzeugenden Sprache Tromholts nichts entgegenzusetzen.

„Sie haben recht gethan wie immer,“ sagte er ohne Zögern. „Aber nun, wofür hat sich die Dame entschieden?“

„Frau Ericius,“ erwiderte Tromholt, „glaubt unter tiefempfundenem Danke für solche Güte Ihr großherziges Anerbieten dennoch ablehnen zu müssen, Herr Graf. Sie hat sich überzeugt, daß Frau Susanne ein solches niemals annehmen würde, und hält eine Verheimlichung der Sache für ebensowenig angängig. Ihrer Tochter ausgeprägter Unabhängigkeitssinn würde sich dagegen auflehnen. Ich theile diese Ansicht, ja, bin schon kurz nach unserer Unterredung – wie ich offen bekennen muß – zu derselben Einsicht gelangt. Wir griffen, um den Wünschen der Gräfin schnell und sicher zu entsprechen, zu einem Mittel, das sich doch bald genug als ein unausführbares herausstellte. Wer irrte nicht einmal? – Ich komme aber nun mit einem anderen von Ihnen ursprünglich angeregten Vorschlage, hochgeehrter Herr Graf, und diesem bitte ich freundlich Gehör schenken zu wollen.

Es ist mir doch schließlich klar geworden, daß es nur einen Weg giebt, um all der vorhandenen Schwierigkeiten Herr zu werden, und er besteht in dem Verkauf der Ericiusschen Besitzungen. Ich bitte deshalb, Sie fragen zu dürfen, ob Sie Limforden und Trollheide erwerben wollen, und bin beauftragt, im bejahenden Fall sofort mit Ihnen abzuschließen. Daß Sie ein solides, ja vortheilhaftes Geschäft machen, dafür bürge ich Ihnen. Ist genügendes Betriebskapital vorhanden, so kann der Besitz schon in wenigen Jahren eine Goldgrube werden.

Die genaueren Nachweise vermag ich Ihnen jederzeit vorzulegen; alle auf die Werke bezüglichen Papiere: die Abschätzungen und Ertragsberechnungen liegen vor, und bei den letzteren ist mit der größten Vorsicht verfahren worden. Im allerschlechtesten Falle werden Sie mit Ihrem Gelde sechs Prozent machen, wahrscheinlich aber ist, daß sich der Gewinn dauernd auf das Doppelte stellen wird.“

Snarre nickte mit dem Kopf. Alles, was Tromholt zuletzt gesprochen, hatte seinen Ohren sehr wohl geklungen. Die Erwerbung von Limforden und Trollheide paßte in seine Pläne, und sie würde – es sagte ihm das ein unbestimmtes, sicheres Gefühl – seinen geheimen Wünschen nützlich sein.

„Ich danke Ihnen für Ihre Mittheilungen,“ entgegnete er – die guten Eindrücke, die er empfangen hatte, als kluger Geschäftsmann äußerlich verbergend – „und will Ihnen gern gestehen, daß auch in mir inzwischen wegen der Hergabe des Geldes Bedenken aufgestiegen sind. Betrachten wir also diesen Punkt als erledigt! – Was nun den Ankauf von Limforden anbetrifft, so möchte ich, bevor ich eine Meinung äußere, mich über zwei sehr wichtige Punkte unterrichten. Erstens: wie viel fordern Sie, und zweitens – werden Sie, Herr Direktor Tromholt, den Werken auch ferner Ihre Thätigkeit widmen?“

Snarre schaute Tromholt bei diesen Worten mit großer Spannung an und erhob sich dann, um nach einer neuen Cigarre zu greifen und auch Tromholt eine solche anzubieten.

Und während der blaue Rauch durch das hohe, mit schweren Seidentapeten ausgestattete Gemach schwebte und den Weg durch die geöffneten Fenster nahm, sagte Tromholt mit seiner ernsten, vertrauenerweckenden Miene:

„Der Preis der Gesammtbesitzungen stellt sich mit Aktiven

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1890, Seite 550. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_550.jpg&oldid=- (Version vom 2.11.2022)