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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Verwaltung und Ausbeutung des Gebietes widmen. – Peters und seine Beamten hatten in dieser Beziehung weniger Glück. Bei der Uebernahme der Zollverwaltung in den Häfen brach der Araberaufstand aus und Wißmann wurde zur Wiederherstellung der Ruhe und Herbeiführung geordneter Zustände vom Deutschen Reiche als Kommissär nach Deutsch-Ostafrika gesandt. Peters selbst wandte sich einer anderen Aufgabe zu.

Er übernahm die Führung der deutschen Expedition zur Rettung Emin Paschas. Ohne Zweifel trug er sich dabei mit neuen Plänen für die Erweiterung des deutschen Kolonialbesitzes in Ostafrika. Er wollte Uganda und die Aequatorprovinz dem bereits Erworbenen angliedern oder wenigstens dem ausschließlichen Einflusse Englands entrücken – aber die Zeit des Flaggenhissens war vorüber, afrikanische Besitzfragen sollten nicht mehr auf afrikanischem Boden, sondern zwischen den Kabinetten in Europa entschieden werden, und so waren Peters’ Kämpfe fruchtlos. Der Expedition legten zuerst die Engländer Schwierigkeiten in den Weg; Peters wußte sie aber schließlich zu überwinden.

Endlich konnte er den Tana aufwärts marschieren – er schlug sich tapfer durch das Land der Massai durch; lange Zeit war er wie Stanley ganz verschollen, und man erinnert sich, wie sich monatelang die Nachricht von seinem Tode behauptete. Nach vielen Mühen kam er endlich in die Nähe der Aequatorprovinz, mußte aber hier erfahren, daß Emin bereits abgezogen war; dann wandte er sich nach Uganda; aber was er hier auch zur Befestigung der Stellung des Christenkönigs Muanga gethan, welche Verträge er auch abgeschlossen haben mag – er handelte nicht im Sinne der deutschen Politik, welche Uganda England überließ. Unter diesen Umständen konnte die letzte Expedition Peters keine direkten praktischen Erfolge haben.

Als Führer und Afrikareisender hat sich aber Peters ausgezeichnet bewährt. Mit geringen Kräften hat er das erreicht, was von vielen als unmöglich dargestellt wurde, und vor allem bewiesen, daß der Weg über das Massailand zum Entsatze Emins besser war als die von Stanley gewählte Kongoroute.

Als er vor Jahresfrist todt gesagt wurde, sind auch seine Gegner seinen Verdiensten um die Gründung der deutsch-ostafrikanischen Kolonie gerecht geworden. Freilich ist die Sturm- und Drangperiode der kolonialen Tätigkeit bei uns vorüber; die Grenzen unserer Kolonie sind festgestellt. Die Aera einer ruhigeren ausbauenden Arbeit hat begonnen und dieses schwierige Werk wird viele Kräfte erfordern. Hoffen wir, daß Karl Peters, der nach seiner Heimkehr dem Kaiser persönlich Bericht über seine Thätigkeit abstattete, auch unter diesen neuen Verhältnissen Gelegenheit finde, seine Erfahrung und Thatkraft zum Besten des Vaterlandes zu verwenden. *




Lindenberg und seine Strohhutindustrie.

Mit Zeichnungen von H. Kaufmann.

Wie alle jene Gewerbe, welche sich in den Dienst der Mode gestellt haben, ist auch die Strohhutindustrie nervös und raschlebig. Ja, sie ist es um so mehr, als auch das jeweilige Wetter einen oft ganz unberechtigten Einfluß ausübt. Nach einigen Sonnentagen im zeitigen Frühjahr kommen die Aufträge nur so in die Fabrikcomptoire hereingeschneit, und wenn dann einige Regentage folgen, werden sie nur zu häufig mit demselben Eifer wieder zurückgenommen, als ob es nie mehr aufhören würde, zu regnen.

Diese unsicheren Zustände sind wohl die Ursache, daß sich die Strohhuterzeugung hauptsächlich in den Großstädten festsetzte. Der Fabrikant muß in engster Fühlung mit der modemachenden „fashionablen“ Welt bleiben, und nur die großen Verkehrsmittelpunkte gestatten ihm, die Vortheile des guten Wetters möglichst schleunig auszunützen und die Nachtheile der schlechten zu verringern. Dresden, Breslau, Köln, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Stuttgart sind die Hauptorte der deutschen Strohhutindustrie.

Aber es kommt auch das Entgegengesetzte vor. Im Erzgebirge, im Schwarzwald, im schlesischen Gebirge und besonders im bayerischen Allgäu finden wir weitabgelegene Ortschaften, in welchen Strohhüte in großen Mengen erzeugt werden. Man verfertigt hier ziemlich viel Stapelsachen, d. h. vielbegehrte Hutformen, die sich meist einer besonderen Kleidsamkeit rühmen dürfen. Es sei hier nur an zwei solcher Stapelformen erinnert, die eine ganze Reihe anderer Hutmoden überdauert haben und die daher wohl jeder Dame bekannt sein werden: es ist das die Pamelaform und der Florentiner Schäferhut. Aber auch die laufenden Moden lassen immer gewisse Typen erkennen, für welche ein größerer, länger andauernder Absatz vorauszusehen ist. Das sind, neben den Männer- und Kinderhüten, welche weniger in der Mode wechseln, die Artikel, welche für die Herstellung abseits der Verkehrsmittelpunkte geeignet sind. – Der weitaus bedeutendste aller Strohhutorte ist Lindenberg im Allgäu, welches heute den Lesern im Bilde vorgeführt wird.

Wo sich die Vorberge der Alpen nach dem Bodensee herabsenken, unweit Lindaus, liegt der saubere freundliche Markflecken mit seinen vielen neuen, hübschen, meist aus Holz gebauten Häusern auf einer rauhen, gegen Norden offenen Hochebene ausgestreut. Das Klima bannt in solchen Höhenlagen die Bewohner beinahe die Hälfte des Jahres an den wärmenden Kachelofen, und auch hier wie überall unter ähnlichen Verhältnissen hat man schon zu Urväterzeiten eine gesellige Arbeit ergriffen, um sich damit über die langen Winterabende hinwegzuhelfen. Ursprünglich fertigte man hier nur ein grobes Geflechte, das zu großen Schutzhüten vernäht wurde, wie sie die Bauern gern zur Erntezeit tragen; die Strohhuterzeugung bildete eben nur eine Nebenbeschäftigung der Bewohner. Heute aber ist Lindenberg einer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 637. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_637.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2023)