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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

sich tragen und die Nächte an der Grenze der Schneeregion unter freiem Himmel und bestenfalls in einer jener Steinhütten verbringen, die vom skandinavischen Alpenklub in anerkennenswerther Weise vereinzelt hergerichtet worden sind, deren Baumaterial roh aufeinander geschichtete Granitblöcke bilden, und durch deren handbreite Fugen der Wind wie aus einem Blasbalge bläst. –

Am Nachmittage des Tages unserer Ankunft bei Bjarne waren wir durch die enge Felsschlucht und endlich auf Ziegenpfaden nach dem Fjeld aufgestiegen. Gegen Abend, als über den Thälern bereits dunkle Schatten lagen, erreichten wir den Kamm der Hochebene, die noch vom Licht der niedergehenden Sonne beschienen wurde. Ein Alpenglühen habe ich in den skandinavischen Alpen nie beobachten können, dafür bin ich oft entzückt gewesen über die wunderbare Pracht der Farben, welche über den Fjord- und Gebirgslandschaften liegen. Sind sie doch zu Zeiten satter, wechselvoller, als der Süden sie uns zeigt. Es wirkt hier auf Schritt und Tritt der Gegensatz von Fels und Meer, zwischen der üppigen Vegetation der Fjords und den darüber liegenden ungeheuren Gletscherfeldern.

Vor dem Schuß.

Als wir die einsame Steinhütte an dem Rande des unübersehbaren Hochmoors erreicht hatten, blieb ich noch lange draußen stehen und gab mich ganz dem Zauber des eigenartigen Landschaftsbildes hin: eine einzige, von braunem Heidekraut übersponnene Fläche, aus der kahle Felsblöcke hervorragten, dazwischen aber grüne, saftige Flecken von einer Lebhaftigkeit der Farbe, wie wir sie an der Patina auf kupfernen Bedachungen bewundern; endlich im Hintergrunde weiße Streifen in den Rinnen einer allmählich ansteigenden Felsmauer, deren Kamm ein einziges, großes Schneefeld bildet, darüber das rosige Licht des niedergehenden Tagesgestirns und eine Ruhe, eine heilige Stille, wie sie vielleicht nur noch die Wüste kennt.

B. rief mich herein.

Bjarne hatte in einer Ecke der Hütte ein Feuer aus Reisig angezündet und bereitete in einem kleinen Blechkessel heißes Wasser, um den unvermeidlichen Toddy herzustellen. Ich sah mich nach unserem Nachtlager um. Unweit der Thür lag ein Haufen halbvermoderten Strohs, das war alles; von irgend einem Stück Möbel keine Spur! Der innere Raum der Hütte war ein Ganzes. Die rohen Steinwände, deren Fugen mit Moos verstopft waren, zeigten kein Fenster, das Licht fiel durch die Thür herein. Kein Herd, kein Rauchfang! Der ätzende Dampf des feuchten Reisigs belästigte Augen und Lungen, sodaß wir herzlich froh waren, als Bjarne endlich den Kessel abhob und Torferde über die glimmenden Scheite warf, um die Gluth zu ersticken.

Unser Abendbrot bestand aus Toddy, steinhartem Roggenzwieback und einem Stück Wurst. Wir mußten sparsam mit unseren Vorräthen umgehen, weil wir nicht wußten, wie lange unsers Bleibens auf dem Hochfjeld sein würde. Frühzeitig streckten wir die müden Glieder auf dem Stroh aus, bedeckten uns mit unseren Mänteln und schliefen bald ein; das heißt, wenn man einem Zustand den Namen „Schlaf“ beilegen darf, in welchem man so ziemlich alles sieht und hört, was um einen her vorgeht. Mir entging kein Schnarchlaut des Alten, keiner der unterdrückten Flüche meines Gefährten, die der unliebsamen Schar von Blutsaugern galten, welche in dem Stroh lange genug gehungert haben mochten und jetzt über uns herfielen, als wollten sie sich auf vierzehn Tage sättigen.

Ich stand endlich leise auf und ging hinaus, wo ich mich neben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 658. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_658.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)