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verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Gefühl kündigte sich sogar schon an, noch ehe die beiden in meinem Hause miteinander in Berührung kamen. Seit der öffentlichen Verlobung habe ich meinen Liebling nur selten gesehen, Delmont ist keine gesellige Natur! Das Paar hat uns natürlich seinen Brautbesuch gemacht, dann hatten wir es eines Abends in kleinem Freundeskreise bei uns – Sie waren ja auch zugegen, liebe Hedwig! und einmal war ich gegen Abend dort; in Heinrichslust trafen wir noch ein paar Mal zusammen – und das ist alles! Aber jedesmal, so sehr ich mich dagegen sträubte, hat sich mein Empfinden verstärkt: dieser Mann macht Annie nicht glücklich – und Annies Herz wird schwer zu leiden haben, denn leider liebt sie den Mann, gegen den ich beim besten Willen nichts einzuwenden habe als mein Gefühl, daß er Annie unglücklich macht! – So – und nun lachen Sie die ‚sensitive Frau‘ nur tüchtig aus! Ich wollte von Herzen, ich könnte mit Ihnen lachen! Ich wollte, ich hätte niemals Erfahrungen gemacht, die mir die Heiterkeit vergehen ließen!“

Es lachte niemand in dem kleinen Kreise, Frau Rainer sah betrübt aus, ihr Töchterchen hatte gar Thränen in den Augen, und der Ulanenoffizier war sehr nachdenklich geworden. Er wußte ja genau, wen Frau Weyland mit dem einen, den sie Annie Gerold gegönnt und gewünscht hätte, meinte, und seine Gedanken weilten bei Reginald, der ja äußerlich unverändert war, weder bleich und krank umherschlich, noch einen unlustigen, gebrochenen Eindruck machte … aber Fritz kannte den Vetter! Reginald hatte seinen Stolz, und in Dinge, die ihn allein betrafen, die kein anderer wandeln oder bessern konnte, ließ er sich nicht hineinreden, die machte er mit sich ab. Daß es auch gerade Annie Gerold sein mußte, an die er sein gutes und großes Herz verloren hatte! Wer dies Mädchen aus tiefster Seele liebte, für den gab es sobald keine Hilfe und kein Vergessen!

In etwas gedrückter Stimmung machten die vier sich endlich auf den Weg.

Bei dem Brautpaar indessen hielt der Ernst nicht lange vor – sie waren ja jung, gesund und glücklich, in guten Verhältnissen, mit der Anwartschaft auf eine schöne Zukunft; dazu heller Sonnenschein, frohe, geputzte Menschen, wohin das Auge sah – es mußte ja alles, alles gut werden, die Welt war gar zu herrlich! Die beiden lachten und schäkerten miteinander, und der Weg zu Professor Delmonts Haus erschien ihnen so kurz, daß sie beide ein erstauntes „Schon!“ hören ließen, als man sich plötzlich am Ziel befand.

In dem prächtigen Treppenflur stand Frau Krämer, die Haushälterin, festlich angethan, und knixte – eben diesen Augenblick sei das Fräulein Braut angekommen: die Herrschaften möchten nur so gütig sein, sich nach dem Atelier hinaufzubemühen. –

„Bist Du schon oft in einem Maleratelier gewesen, Fritz?“ unterbrach Hedwig Rainer die feierliche Stille, während welcher nur der Schleppsäbel des Ulanen gegen die Treppenstufen geklirrt hatte.

„Ja, o ja, verschiedene Male, Mäuschen! ’s ist ganz hübsch, aber mach’ Dir nicht zu ungeheuerliche Vorstellungen von dem, was Du in solchem Atelier zu sehen bekommen wirst!“

„Ich war noch nie bei einem Künstler! Mir ist ganz feierlich und beklommen zu Muthe!“

Fritz stieß ein vielsagendes: „Na!“ aus. Aber als nun Frau Krämer die breite, dunkle, mit hellfarbigen Hölzern eingelegte Thür, die in das Atelier führte, öffnete, da stieß auch er, gleich den andern, einen Ruf der Ueberraschung und Bewunderung aus. – Nicht für sie, die Fremden, hatte Karl Delmont den weiten Raum so herrlich ausgeschmückt – er wußte es, daß seine Braut heute in Gesellschaft ihrer Freunde kommen würde, sein Atelier zu sehen – da mußte es würdig hergerichtet werden. Mit seinen raschen Künstlerhänden hatte er das reiche, köstliche Material, das ihm zu Gebot stand, hierhin und dorthin vertheilt, hatte aus Truhen und Schränken immer mehr neue und kostbare Stoffe hervorgekramt, seine besten Skizzen auf die regellos umherstehenden Staffeleien gestellt und eigenhändig die prachtvollen Gobelins, die allein schon das Entzücken eines Kenners bilden konnten, abgestäubt und anders geordnet.

Die breiten, gleißenden Fensterscheiben waren heute mit scheinbar kunstlos gerafften Brokatstoffen von einer satten Purpurfarbe drapirt und eine verschwenderische Fülle von Blumen war über den ganzen Raum ausgeschüttet. In schöngeschweiften Urnen, in bizarr geformten Vasen und Schalen blühte und duftete es, und auf einem seitwärts gerückten Tische waren die schönsten Früchte in seltenen Krystallgefäßen aufgehäuft, dazwischen standen gläserne Kannen, in denen goldfarbener und dunkelrother Wein funkelte, und auch hier schlanke Büschel von zartgelben und gluthrothen Rosen mit halberschlossenen Kelchen.

Das allerschönste aber in diesem künstlerisch schönen Raume war doch Annie Gerold – Annie in ihrem zartblauen, duftigen Kleid, einen Strauß auserlesener Rosen an der Brust, voll von einem sonnigen Strom des hellen Lichtes getroffen, die freudig erstaunten Augen auf ein Bild gerichtet, das Delmont ihr hinhielt. Es war in Pastell nach jener flüchtig hingeworfenen Bleistiftskizze ausgeführt, die er damals im Geroldschen Garten hastig auf das Papier gestrichelt hatte: Annie, wie sie mit hocherhobenen Armen eine ganze Last schaukelnder weißer Fliedertrauben zu sich niederzieht, das feine Profil aufwärts gerichtet.

Keines von den beiden, die so vertieft auf das Bild schauten, wurde der Kommenden gewahr, – nur Ego, der zur Feier des Tages einen Jasminstrauß im Halsband trug, erhob sich würdevoll von seinem Platz neben dem Marmorkamin und kam den Fremden langsam entgegen, um ihnen, statt seines Herrn, die Honneurs des Hauses zu machen.

„Wie schön – wie entzückend schön ist das alles!“ flüsterte Hedwig Rainer ihrem Verlobten zu und drückte begeistert seinen Arm.

Fritz nickte nur, aber sein Blick streifte immer wieder bewundernd über den prachtvollen Raum, die wunderschön malerische Ausstattung und das lebende Bild, das er vor sich sah.

Ein leichtes Räuspern von Frau Weyland ließ die Gruppe sich lösen.

„Ah – da seid Ihr!“ rief Annie erfreut, lief auf ihre Freundinnen zu, umarmte sie, drückte Frau Rainer ehrfurchtsvoll die Hand und schüttelte dem Ulanenlieutenant die Rechte wie ein guter Kamerad. „Die Thür muß lautlos in den Angeln gehen, wir haben Euch nicht gehört, nicht wahr, Karl?“

Wenn Professor Delmont auch nicht gerade von der Anwesenheit der Gäste und Annies herzlicher Begrüßung derselben erbaut war, so ließ er sich dies doch nicht merken. Freundlich und verbindlich klang sein Willkommensgruß, er lud zum Sitzen ein und lachte fröhlich, als kein einziges der Anwesenden davon etwas wissen wollte. Sie wären gekommen, um zu sehen und zu staunen, nicht aber, sich auszuruhen, erklärte Fritz von Conventius, und zu sehen gebe es hier, daß man tagelang damit zu thun hätte. Mit diesen Worten stellte er sich mitten ins Atelier und sah sich mit einem bewunderungsvollen: „Donner und Wetter, ist das aber brillant hier!“ rundum.

„Hedwig, Liebste, sag’, ist es nicht schön, einzig schön hier – bei ihm?“ flüsterte Annie Gerold in Frau Weylands Ohr und schob ihren Arm durch den der Freundin, während Delmont bei Frau Rainer den Erklärer spielte.

„Entzückend, mein Herz!“

„Er hat mir gesagt, ich darf bei ihm sitzen, wenn er malt, sobald ich seine – seine Frau bin –“ Annie erröthete und lächelte – „er meint, er wird immer nur mich malen … aber das leid’ ich nicht! Einseitig soll er durch mich nicht werden! Sieh nur, die Waffen und Rüstungen und die venetianischen Spiegel! Diese Gobelins sind aus Brüssel, und der Teppich, auf dem wir stehen, ist flandrische Arbeit! Das große Wüstenbild rückt langsam vor, er malt viel zu viel dummes Zeug dazwischen – das heißt, es sind eben lauter Porträts von mir, in Wasserfarben, in Oel, mit farbigen Stiften, in Kreide – wie es gerade kommt! Wenn ich denke, ich soll bald hier sitzen und ihm zusehen! Es ist nicht auszudenken –“

„Wann soll Deine Hochzeit sein, Vögelchen?“

„Ach, Karl will sie schon zu Ende Juli haben, aber Thea meint, dann könne nichts in Ruhe besorgt, alles müsse überstürzt werden. Und weißt Du, Hedwig“ – hier sah Annie sich vorsichtig um und dämpfte die Stimme „so gern ich ihm alles zuliebe thue – hier bin ich auf Theas Seite. Nicht wegen der Ausstattung! Ob wir ein paar Stücke Möbel früher oder später geliefert bekommen und ob mir noch zwei Dutzend Servietten fehlen oder nicht … was thut das? Aber Thea bricht es das

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verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1890, Seite 840. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_840.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)