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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


dem Schiffchen wieder spielen kannst, mein armer, schwacher Bub’!“

„Nun sag’ ganz laut, was Du mir eben ins Ohr gesagt hast, Magnus,“ wiederholte Eva, das Kind fest in die Arme drückend. „Dann hab’ ich Dich noch zehnmal lieber als bisher! Es ist doch wahr – ganz gewiß wahr?“

„Ich bin in der Klausenschlucht gewesen und habe gesehen, wie Burkhard in den Wasserfall gekürzt ist,“ sagte Magnus so laut er konnte, in dem ehrlichen Bestreben, Evas verzehnfachte Liebe zu verdienen, und ohne von der Tragweite seiner Worte eine Ahnung zu haben, „eine zeitlang sah man noch seinen Stiefel, dann gar nichts mehr.“

„Das hast Du gesehen?“ frug der Otterhofbauer erregt. „Wo warst Du denn?“

„Auf der andern Seite vom Wasserfall; ich war über die Steine gelaufen, ans andere Ufer. Und da liegt auch noch mein Schiffchen in einem hohlen Baum.“

„Ueber die Steine bist Du gelaufen, über die das Wasser stürzt?“ rief der Bauer entsetzt. „Magnus, Magnus, das darfst Du nie wieder thun!“

„Aber der böse, schlechte Burkhard lief ja mit seinem großen Messer, nein, mit Pertels großem Messer hinter mir her!“ rief Magnus kläglich; „und seine Augen sahen ganz roth aus und sein Gesicht war ganz roth und er schnaufte wie unser schwarzer Stier, wenn er wild werden will, und er rannte hinter mir her und rief: ‚Wart’, Range, Dich will ich stumm machen!‘“

Unsere Erregung wuchs mit jedem Worte, welches das Kind sprach; allen war es klar, daß hier Ruperts Unschuld doch noch an den Tag kam. Der Arzt kämpfte mit seiner Begierde, alles zu erfahren, und seinem ärztlichen Gewissen, welches ihn mahnte, den kleinen Magnus nicht von so aufregenden Dingen reden zu lassen; aber die erstere siegte. Der Otterhofbauer war außer sich.

„Hinter Dir lief er mit dem Messer her?“ schrie er. „Der niederträchtige Hund! Was hattest Du ihm denn gethan? Und wo steckte Rupert?“

„Den hatte der Burkhard mit dem großen Hackeklotz vom Baume heruntergeworfen!“ rief Magnus, sich erregt aufrichtend. „Der schlechte Burkhard! Ich hab’ es gerade gesehen, wie ich oben in der Schlucht ankam. Ich war Rupert heimlich nachgelaufen, Vater,“ fügte er reuig und ängstlich hinzu, „um mein Segelschiffchen auf den Wassersturz zu setzen. Aber ich thue es gewiß nie wieder!“


Photographie von Franz Hanfstaengl Kunstverlag A.-G. in München.
Pferdetrieb auf der Pußta.
Nach einem Gemälde von A. Wagner.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 888. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_888.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)