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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)


Trittes und zankend daherzogen, zu der häßlichen Gesellschaft bei Arnold.

Das Gespräch stockte, sie fürchteten sich beide vor Worten, und dieses lautlose Dahinwallen, die stummen heißen Blicke, der leise Druck des Armes – das alles war ja viel süßer als Worte!

Viel zu früh kamen sie in die Neustadt. Baugerüste, denen sie ausweichen mußten, scharfer Mörtelgeruch erinnerten sie daran, ja, sie waren schon achtlos an dem Hause Weinmanns vorbeigeeilt, den Eltern weit voraus.

Der alte Margold schrie in wahrer Todesangst: „Bertl! Bertl!“

Das war ein fürchterliches Erwachen! Die Qual der plötzlichen Empfindung preßte ihr die Worte heraus: „Verlassen Sie mich nicht, Theodor, ich verzweifle sonst!“ Hastig hatte sie ihm das ins Ohr geflüstert, er aber wandte sich rasch, drückte einen Kuß auf ihre Lippen und sagte leise. „Ich verlasse Dich nicht! – Nur Geduld, Bertha! Ich liebe Dich!“

Sie wankte in seinem Arm, das Flüsterwort gellte betäubend tausendfältig in ihr Ohr – da standen auch schon der scheltende Vater, die Mutter vor ihr.

„Ich sag’s ja, Herr Baron, das Mädel ist den starken Wein nicht gewohnt, Sie müssen es nicht so genau nehmen mit dem, was sie jetzt alles daher schwatzt!“ brachte Margold mühsam stotternd hervor.

Theodor aber löste fast gewaltsam den Arm Bertls, der den seinen ängstlich umklammerte, und empfahl sich mit einigen scherzenden Worten, einem herzlichen Händedruck, mit der Gewandtheit eines in jeder Lage gefaßten Weltmannes.

Als hinter Bertha die schwere Hausthür in das Schloß fiel, dröhnte der dumpfe Schlag schmerzlich durch ihr Hirn; sie ächzte laut auf.

„Bring’ das Mädel zu Bett, es ist ihr ja todtenübel,“ sagte Margold, während er sich um das Schließen der Thür bemühte.

Die Mutter befolgte seinen Rath und führte ihr halb ohnmächtiges Kind die Treppe hinauf; sie konnte es ohnehin nicht erwarten, bis sie mit Bertl allein war.

Der Alte stolperte lärmend durch das finstere Stiegenhaus, das der Neubauten eigene dunstig feuchte Geruch erfüllte, und brummte von Schwindel und Schande.

Oben in der Stube fiel Bertl schluchzend der Mutter um den Hals.

„Macht er Ernst, sprich, Kind?“ fragte sie neugierig.

„Er liebt mich, er hat es mir gestanden!“ jubelte das Mädchen auf unter Thränen, ihr Gesicht im Sturm der Gefühle an das der Mutter pressend.

„Sonst nichts? – das kann jeder!“ entgegnete diese in kaltem ärgerlichen Tone.

Bertl riß sich los. Hier fand sie kein Verständniß – nur einen Augenblick hatte sie, in dem Drang, sich mitzutheilen, vergessen, daß sie allein stand – jetzt war sie sich dessen wieder voll bewußt. Sie wich den Vorwürfen, mit denen sie von der Mutter jetzt überhäuft wurde, weil sie mit dem Baron nicht deutlich gesprochen habe, aus und ging auf ihr Zimmer. Dort genoß sie auf ihrem Lager mit geschlossenen Augen tausendfältig den glückseligen Heimgang an seinem Arme: – der Säbel klirrte, die Blicke bohrten sich ineinander, es zuckte hinüber und herüber von Arm zu Arm, und das Zauberwort: „Ich liebe Dich!“ zitterte ihr im Ohre. Da störten der die Treppe herauffluchende Weinmann, das gemeine Lachen Lonis die Bilder ihrer Seele – der Tag graute schon hinter dem Vorhang.

(Fortsetzung folgt.)

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_097.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)