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verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Wir haben diese und jene Feier in Mittel- und Volksschulen und Töchteranstalten mitangesehen und uns innig daran erfreut, wie die jungen Herzen und Geister in das Verständniß des größten österreichischen Dichters eingeführt wurden. Wir haben gesehen, wie Grillparzers Werke zu den Lieblingsbüchern unseres Volkes geworden sind. Und als der Bürgermeister von Wien in der feierlichen Ansprache, mit welcher er die Grillparzer-Ausstellung im Wiener Rathhause eröffnete, den Wunsch ausdrückte, neben des Dichters Werken selbst, die schon tief in das Volk eingedrungen, möchte die auf Kosten der Stadt Wien veranstaltete Lebensbeschreibung Grillparzers von Sauer unser aller Kenntniß über den Dichter noch zu einer vollkommeneren machen, da mußte ihm der laute Beifall von allen Seiten sagen, wie sehr er hiermit allen aus dem Herzen gesprochen hatte.

Grillparzers Sommerwohnung in Rudolfsheim.

Wie vertraut aber bereits die Bevölkerung Wiens mit den Einzelheiten des Lebens Grillparzers und seiner Zeit sich gemacht hat, konnte man täglich erfahren, wenn man sich unter die Scharen mischte, welche die Grillparzer-Ausstellung besuchten und in ihrer lebhaften Art ihre Bemerkungen über die einzelnen Gegenstände machten. Es waren natürlich vor allem jene geweihten Stätten, da der Dichter im Leben geweilt hatte, welche die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zogen, sein bescheidenes Wohn- und Arbeitszimmer in der Spiegelgasse, wo ich selbst vor dreißig Jahren dem Dichter die Schauspielerin Janausek, welche in Wien als Medea gastirte, vorstellen durfte. Eine theuere Reliquie ist auch die von Reinhold in Wasserfarben gemalte und für die „Gartenlaube“ von T. Rybkowski gezeichnete Sommerwohnung Grillparzers in Rudolfsheim, beziehungsweise der Gartenpavillon der Freiin Henriette von Pereira Arnstein in deren ehemaligem Palast auf dem „Braunhirschen-Grund“ in Sechshaus. Auf dieser Besitzung der ihm gastfreundlichen, sehr kunstsinnigen Familie pflegte Grillparzer in den dreißiger und vierziger Jahren seinen Sommeraufenthalt zu nehmen und er hing mit Vorliebe in diesem idyllischen Gartenhäuschen seinen Gedanken nach. In den letzten Jahrzehnten pflegte er das reizende Baden bei Wien aufzusuchen. Auch dort ist die Pietät seiner Verehrer seinen Spuren nachgegangen, und auf Betreiben H. Rolletts wurde an dem Hause, wo er wohnte, eine Gedenktafel angebracht. Eine solche ziert auch in Wien sein Geburts- und sein Sterbehaus, und der Wiener Schriftstellerverein Concordia ließ dieses letztere für die Grillparzerwoche in sinniger Weise schmücken. In demselben Haus, in dem er gewohnt hat, befindet sich zu ebener Erde die Wirthschaft „Zur Stadt Amberg“. Dort pflegte der Dichter fast täglich ein Stündchen zu verweilen und sich seinen Träumen bei einem Gläschen österreicher Weines zu überlassen. Ueber seinem Stammplatze hat nun der wackere Wirth auf Anregung des Schriftstellers Amster eine marmorne Denktafel mit entsprechender Inschrift anbringen lassen. Ein Kreis von Schriftstellern hat auch diese Dichterstätte durch eine würdige Feier eingeweiht, und jetzt kaun man allabendlich daselbst Wiener Bürger über ihren Lieblingsdichter erzählen hören. W. L.     


Die Straßenschleppe. Sie ist wieder da – wirklich und in Lebensgröße, die lästige, unschöne, vernunftwidrige Straßenschleppe, trotz aller Warnungen, die seit vorigem Herbst vom ästhetischen und gesundheitlichen Standpunkt auf die Kunde ihres Herannahens erhoben wurden. Wann hätten aber solche Warnungen jemals dem Anschwellen einer neuen Modeströmung Halt geboten? Abwechselung muß sein; ganze zwei Jahre lang war die Mode hübsch und zweckmäßig: einfache Faltenröcke ohne gebauschte Raffung, anmuthig sitzende Leibchen und Aerme!, es ist also hohe Zeit, daß der Unsinn wieder siegt! Und so wandeln sie denn bereits vor uns auf den Straßen, die bis zu den Ohren emporgebauschten Faltenärmel, einerlei, ob die Schulternlinie dazwischen abfallend oder gerade ist, und das unendliche Chicbewußtsein der Trägerin strömt durch alle Linien der Figur fort und findet seinen Abschluß in der straßenkehrenden Schleppe. Noch spaziert diese vereinzelt, das giebt uns den Muth, eine bescheidene Bemerkung zu wagen, die sich natürlich nicht gegen das Thörichte, Unschöne und Unappetitliche einer solchen Mode richten soll – denn das wäre verlorne Mühe – sondern gegen das Unfeine.

Unserer Ansicht nach kennzeichnet die Straßenschleppe eine Frau, welche nicht, wie die Damen der großen Welt, einen strengen Unterschied zwischen Straßen- und Gesellschaftstoilette macht. Sie trägt das „gute Kleid“ vorzugsweise auf der Straße und läßt sich also von der modischen Schneiderin als das Allerfeinste die Façon aufschwatzen, welche ausschließlich für das Parkett des Salons berechnet ist und auf diesem ebenso graziös als majestätisch aussehen kann. Aber alles schickt sich nicht für alle: welche Dame also nicht in der Lage ist, ihre Schleppe auf dem dazu gehörigen Untergrund zu entfalten, die möge auch für das „gute Kleid“ den einfach fußfreien Rock beibehalten, welcher die einzige feine Straßentracht ist. Möchten doch die deutschen Frauen diesen Gesichtspunkt zu dem ihrigen machen – es ist unzweifelhaft derjenige der Bildung und des guten Geschmacks! Br.     


Rettungskasten auf den Dörfern. Im unteren Moselthale in der Nähe von Winningen und auf den seitlich gelegenen Höhen der Eifel und des Hunsrück hat man eine nachahmenswerthe Einrichtung getroffen, um Verunglückten, Verwundeten und plötzlich Erkrankten auch in den kleinsten und entlegensten Orten sofort die erste Hilfe zu bringen und nach Eintreffen des Arztes die nothwendigsten Arzneimittel sogleich zur Stelle zu haben. Jeder Ortsvorsteher ist dort nämlich im Besitz eines Gemeinderettungskastens, welcher, entsprechend der ähnlichen Einrichtung auf den Eisenbahnen, Verbandstoffe, antiseptische Mittel und die gebräuchlichsten Arzneien enthält. Kommt ein Unglücksfall im Dorfe vor, so werden jenem Kasten sofort die nöthigen Stoffe oder Medikamente je nach Bedürfniß entnommen, wogegen der Kranke oder dessen Angehörige verpflichtet sind, aus der nächsten Apotheke alsbald Ersatz in Natur zu beschaffen, oder aber, wie beim geringeren Verbrauch von Flüssigkeiten, z. B. Karbolwasser, einen Beitrag zur Neubeschaffung zu entrichten.

Das Segensreiche dieser Einrichtung liegt auf der Hand. Wie sich aber das Gute immer erst mit Mühe Bahn brechen muß, so stieß auch an der Mosel die Einführung der Rettungskasten anfänglich auf ganz entschiedenen Widerstand bei den Landbewohnern. Heute freilich möchte man sie dort um keinen Preis mehr missen.


Kleiner Briefkasten.

B. F. in Trier. Die in unserem Artikel „Geschichte eines deutschen Liedes“ (Nr. 6 dieses Jahrgangs) von Bletzacher wiederholte Behauptung F. Hammas, daß die Melodie der Marseillaise deutschen Ursprungs sei, hat in der That vielfache Anfechtung erfahren und damals zu einer lebhaften Polemik Anlaß gegeben. Die „Gartenlaube“ selbst hat vor mehreren Jahren (Jahrgang 1887, Nr. 36) auf die Forschungen A. Loths hingewiesen, der in dem Oratorium „Esther“ des französischen Kirchenkomponisten Grison die vollständige Melodie der Marseillaise entdeckt hat. Dieses Oratorium soll in der Zeit von 1775 bis 1787 entstanden sein. Die Holtzmannsche Messe, welche Hamma als Quelle angab, stammt nach dessen Zeugniß aus dem Jahre 1776; er hatte dieselbe zu Meersburg am Bodensee kennengelernt und danach seine Angaben gemacht; doch haben die nachträglichen Forschungen anderer das Manuskript dieser Messe nicht wieder zu Tage zu fördern vermocht.


Inhalt: Eine unbedeutende Frau. Roman von W. Heimburg (7. Fortsetzung). S. 117. – „Es ist eine alte Geschichte –“. Bild. S. 117. – Wanderungen durch Wien. Von V. Chiavacci. Die innere Stadt. S. 123. Mit Abbildungen S. 120 u. 121, 123, 124, 125, 127. – Truggeister. Roman von Anton von Perfall (7. Fortsetzung). S. 128. – Die Geschwister. Bild. S. 129. – Die Komödie eines Königreiches. Von C. Falkenhorst. S. 131. – Blätter und Blüthen: Die Grillparzerwoche. S. 131. Mit Abbildung. S. 132. – Die Straßenschleppe. S. 132. Rettungskasten auf den Dörfern. S. 132. – Kleiner Briefkasten. S. 132.



Unseren neu eingetretenen Abonnenten

theilen wir hierdurch mit, daß sie den Jahrgang 1890 der „Gartenlaube“ vollständig geheftet bis auf Weiteres noch zum Preise von 7 Mark oder in Originaldecke komplet gebunden zu 9 Mark beziehen können. Derselbe enthält unter Anderem die folgenden Novellen und Romane:

Flammenzeichen. Von E. Werner.
Sonnenwende. Von M. Bernhard.
Madonna im Rosenhag. Von R. Ortmann.
Der Sprung im Glase. Von A. v. Perfall.
Quitt. Von Th. Fontane.
Ein Mann. Von H. Heiberg.

Außerdem bietet der Jahrgang 1890 eine Reihe kleinerer Erzählungen, eine große Zahl unterhaltender und belehrender Artikel und einen reichen Schatz vorzüglicher Illustrationen unserer ersten Künstler, u. a. zwei farbige Kunstbeilagen.


Zum Preise von 7 Mark geheftet, 9 Mark gebunden sind ferner noch zu haben die Jahrgänge 1858, 1863, 1868, 1869, 1870, 1871, 1872, 1873, 1875, 1876, 1877, 1878, 1879, 1880, 1881, 1882, 1883, 1884, 1885, 1886, 1887, 1888, 1889 der Gartenlaube.

Die übrigen Jahrgänge 1853, 1854, 1855, 1856, 1857, 1859, 1860, 1861, 1862, 1864, 1865, 1866, 1867, 1874, sind entweder ganz vergriffen oder nur noch antiquarisch zu erhöhtem Preise zu beziehen. Die meisten Buchhandlungen nehmen Bestellungen entgegen. Wo der Bezug auf Hindernisse stößt, wende man sich direkt an die unterzeichnete Verlagshandlung.

Leipzig, Februar 1891. Ernst Keil’s Nachfolger.     


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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