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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)


einer Dampfmaschine bewerkstelligen können, ist nichts als eine mit Hilfe der Wärmekraft herbeigeführte Aufhebung der Schwerkraft; denn Mensch oder Pferd stellen in diesem Falle nur eine Art organischer Dampfmaschine vor, bei welcher die Wärme statt durch die Kohle durch den Verbrennungsprozeß im Blute erzeugt wird. Die durch Hebung des Steins gewonnene Schwerkraft kann nun aber durch mechanische Mittel wieder in Wärme zurückverwandelt werden, und diese Ueberführung der einen Kraft in die andere heißt Arbeit. Wärme und Schwere sind im Grunde nichts anderes als der negative und der positive Pol der Bewegung. Die wesentliche Einheit dieser beiden sich gegenseitig bedingenden Energieformen (welche die Angeln des Weltalls bilden) und die Ueberführbarkeit der einen Form in die andere (ohne welche alle Entwickelung unmöglich wäre) nicht nur begriffen, sondern auch durch das Experiment nachgewiesen zu haben, ist die unsterbliche That Robert Mayers.

Vergeblich suchte Joule seine Urheberansprüche auf den Umstand zu stützen, daß er zuerst die richtige Verhältnißzahl des mechanischen Wärmeäquivalents festgestellt habe. Wenn man nämlich ein Gewicht von 1 Kilogramm auf die Höhe von 1 Meter hebt, so nennt man das eine Arbeit von 1 Meterkilogramm, und die Wärme, deren man bedarf, um 1 Liter Wasser von 0 auf 1° C. zu bringen, heißt eine Wärmeeinheit oder Calorie; es fragte sich nun, wie viel Meterkilogramm Arbeit einer Wärmeeinheit entsprechen. Mayer, dem es an einem brauchbaren Apparat fehlte und der sich mit den primitivsten Hilfsmitteln behelfen mußte, berechnete, daß zur Erzeugung einer Calorie die Arbeit von 365 Meterkilogramm nöthig sei, während später Joule die Zahl 424 als die richtigere feststellte. Selbstverständlich aber ist die Richtigstellung dieser Zahl nur eine Frage längerer Versuche und besserer Instrumente und hat mit der Entdeckung des Prinzips selber nichts zu thun. Robert Mayer vielmehr, indem er zeigte, daß ein bestimmtes Maß Wärme ein bestimmtes Maß Hebekraft erzeugt, und daß diese Hebekraft das zu ihrer Erzeugung verbrauchte Maß Wärme wieder herstellt, und so fort ins Unendliche, begründete das Gesetz von der Erhaltung der Kraft, vermöge dessen die Energie der Welt ebenso ewig dieselbe bleibt, wie ihre unzerstörbare Materie niemals um ein Atom verringert werden kann. Dieses Gesetz hat eine Wichtigkeit, welche wohl kaum von irgend einer der bisherigen Entdeckungen erreicht wurde und sicherlich von keiner künftigen übertroffen wird, weil es den Grundstein der ganzen Erklärung für die in der Welt wirkenden Urkräfte bildet und, als der Haupt- und Schlußring der Kette, die übrigen Glieder des Naturgesetzes zu einem geschlossenen Ganzen zusammenfaßt.

Robert Mayer ist am 20. März 1878 in Heilbronn gestorben. Es fehlt ihm heute nicht am gebührenden Nachruhm: vor dem Gebäude der technischen Hochschule zu Stuttgart steht seine Büste und seine Vaterstadt Heilbronn rüstet sich, ihm ebenfalls ein Denkmal zu errichten. Der Entwurf desselben ist vollendet, die Ausführung desselben in der Form, wie unser Bild ihn zeigt, wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die allgemein als glücklich anerkannte Lösung der Aufgabe ist wohl – neben der charakteristischen und lebendigen Auffassung der Hauptfigur und den ebenso natürlich als allmuthig bewegten Linien der Nebenfiguren – dem Umstand zuzuschreiben, daß hier die zu Grunde liegende Idee zu bildlichem Ausdruck kommt, ohne daß die Kunst aus ihrem eigentlichen Bereich zu treten und die Abwege abstrakter Allegorie zu beschreiten genöthigt wird. Die beiden Kinder mit Flamme und Gewicht bringen den Inhalt der Mayerschen Entdeckung durch eine Handlung zur Anschauung, welche dieselben keineswegs den Grenzen des kindlichen Alters und Lebens entrückt. So bleiben sie Kinder, poetische Symbole, und werden nicht zu allegorischen Masken gleich jenen dekorativen Kinderfiguren, die mit Abzeichen ausstaffirt und zu Handlungen verwendet werden, wie sie sich nur für Erwachsene eignen.

Im übrigen ist das vorliegende Ergebniß wohl auch dem Umstand zu danken, daß sich hier Kunstkritiker, Bildhauer und Architekt zu gemeinschaftlicher Schöpfung vereinigten. Gewöhnlich kommt die Kritik erst zum Wort, wenn das Kunstgebilde fertig und nichts mehr daran zu ändern ist; hier aber betheiligte sie sich beim Werden desselben, um als verbindendes Glied die darzustellende Idee durch die harmonische Uebereinstimmung von Skulptur und Architektur zu ungetrübter ästhetischer Wirkung zu bringen.




Truggeister.
Roman von Anton von Perfall.
(14. Fortsetzung.)

An gemeinsamer Tafel zu Abend zu essen, galt nicht mehr für fein. Stefanelly hatte alle Räume des ersten Stockes ohne Ausnahme den Gästen überlassen, und während im großen Saale getanzt wurde, standen in allen andern Zimmern reich mit allen Leckerbissen des In- und Auslandes gefüllte Buffets, Batterien von Flaschen, stets bereite Diener. Zeit und Ort sollten keine lästigen Schranken bieten, die verschiedenartigsten Elemente der Gesellschaft sollten sich nach freier Wahl ungebunden zusammen finden. Und so war überall ein ununterbrochenes Rauschen und Flüstern, ein lautloses Auf- und Abwallen über die teppichbelegten Gänge, ein Hin- und Wider durch die lichterfüllten großen und kleinen Gemächer an all den vielgestaltigen unnennbaren Kostbarkeiten vorüber, die mit der sorglosen Ueppigkeit des Reichthumes umhergestreut standen und lagen.

Das monumentale Stiegenhaus, welches ein architektonisch reich gegliederter Kuppelbau krönte, war in einen duftigen Garten von Palmen, Lorbeerbäumen und anderen Ziergewächsen verwandelt und in diesem eine Tafel für die bevorzugten Gäste des Hauses gedeckt. Die Familie Brennberg, Excellenz Graf Derwitz mit seiner Gattin, Rath Stürmling mit seinen Damen trafen sich dort, Loni selbst machte hier die Honneurs.

Christian hatte vergebens gewartet, von Stefanelly angesprochen zu werden, und auch jetzt schien der Banker die fragenden Blicke des alten Freiherrn noch immer nicht zu bemerken. Bertha und Theodor hatten ihre Besorgnisse ganz vergessen; erstere war wieder ganz in Beschlag genommen von ihrem alten Gönner, dem Grafen Derwitz, der die junge Frau mit Liebenswürdigkeiten überhäufte und über ihr sogar den nicht von seiner Seite weichenden Stefanelly vernachlässigte. Aber Bertha vermochte heute keine Freude an diesem neuen Triumph ihrer Schönheit zu empfinden; es störte sie das geradezu jede gute Sitte verletzende kokette Spiel, welches Loni mit Theodor trieb, und das schmerzlichste für sie war dabei, daß Theodor offenbar nicht ganz unberührt davon blieb, denn er ging heute zum ersten Male auf diesen Ton ein und vernachlässigte seine Frau auffallend.

Eben war Baron Anspacher an den Tisch getreten. Stefanelly trank ihm zu, indem er lachend rief:

„Auf gute Kameradschaft! Und daß Sie mir nicht noch einmal solch einen Streich spielen!“

Allgemeine Heiterkeit entstand. Man machte schlechte Witze über die Angst der kleinen Leute, über die drollige Idee, daß sich, wie der Minister scherzend bemerkte, „zwei Krähen die Augen aushackten“.

Endlich kam die Sprache auch auf das Bergwerk. Anspacher erkundigte sich angelegentlich bei dem Minister nach dem augenblicklichen Stande der Angelegenheit. Jetzt verließ Stefanelly seine bisherige heitere Ruhe, seine Züge spannten sich, er lauschte auf jedes Wort. Der Minister hielt sich sehr zurück und gab nur oberflächliche Andeutungen; die Sache sei noch nicht reif, im besten Falle würden darüber noch einige Wochen, vielleicht Monate verstreichen.

Bei diesen Worten wechselte Stefanelly sichtlich die Farbe und warf einen langen Blick auf Brennberg, der diesen nichts Gutes ahnen ließ.

Im Saale begann wieder die Musik, die Damen verließen am Arme ihrer Herren den Tisch, sie begannen sich ohnehin bei dieser geschäftlichen Unterhaltung zu langweilen.

Stefanelly benützte den Augenblick.

„Folgen Sie mir, Herr von Brennberg, ich habe mit Ihnen zu reden,“ flüsterte er.

Die Stunde der Entscheidung nahte. Mit kopfendem Herzen folgte der Freiherr. Stefanelly sprach kein Wort; erst als die Thür seines Arbeitszimmers sich hinter ihnen schloß, frug er kurz:

„Sie haben gehört, Herr von Brennberg, was eben der Minister sagte?“

Seine Stimme klang trocken, sein schwarzes stechendes Auge ruhte drohend auf dem Baron.

„Daß das Geschäft mit dem Staat gemacht wird,“ entgegnete dieser hoffnungsvoll.

„In Monaten,“ klang es kurz, scharf. „Also müssen Sie noch Monate warten –“

„Mit den – mit den 400000 Mark noch Monate warten?“ Brennbergs Unterlippe zuckte krampfhaft – „das ist unmöglich!“

Der Banker stampfte auf den Boden, ein haßerfüllter Blick traf den Aufsichtsrath.

„Es muß möglich sein, verstehen Sie mich!“

Einen Augenblick schien Brennberg dem dämonischen Willen des Unternehmers zu unterliegen – nur einen Augenblick, dann bäumte sich in ihm eine ihm selbst bisher unbekannte Kraft empor, ein wilder Zorn gegen diesen Mann, der ihn zum Betrüger gemacht hatte, ein plötzlicher Drang, die verhaßte Kette abzuschütteln, die ihn an Stefanelly band. Dieser innere Vorgang drückte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_250.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)