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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Handhabung der Magistrat und das Gouvernement, und wenige Jahre später, 1742, bestimmte Friedrich der Große den jedesmaligen Stadtpräsidenten zum Polizeidirekor. Dieser war nach einer 1782 erschienenen ausführlichen neuen Instruktion nur vom König und von dem Generaldirektorium abhängig. er hatte die alleinige Anordnung und Erkenntniß in allen Polizeisachen und mußte auch für alles, was damit zusammenhing, einstehen. Seine Zuständigkeit in Polizeisachen war daher allgemein, und es standen hierin alle Einwohner wie Fremde unter ihm; er konnte in dringenden Fällen sogleich Arreste verfügen, wobei alle Wachen, auf sein oder der Polizeikommissarien auch nur mündliches Verlangen, die nöthigen Mannschaften stellen mußten.

Der Polizeidirektor berichtete jährlich unmittelbar an den König vom Zustand der Stadt, von der Zahl der Einwohner, von der Zu- und Abnahme der Manufakturen und Fabriken sowie anderer Beschäftigungszweige, schließlich von allen übrigen, das Wohl und die Verbesserung der Residenz betreffenden Sachen. Ihm standen als Beisitzer drei Rathsmänner zur Seite. außerdem waren unter ihm ein Polizeiinspektor und zwei Polizeimeister, neben mehreren Marktmeistern und Polizeidienern, thätig; von letzteren versahen 24, darunter drei berittene, den Dienst auf den Straßen; für die Ruhe während der Nacht sorgten etwas über hundert Nachtwächter, mit einem Horn, einer Pfeife und einer „Pike“ ausgerüstet. Das Arbeitsfeld dieser vier Männer war ein sehr ausgebreitetes, sie hatten nicht nur alle Polizeisachen zu erledigen, sondern auch „die Sorge für gehörige Feier der Sonn- und Festtage, die Direktion des Gesindeamts, die Besorgung, daß die Residenz mit Getreide, Brot, Fleisch, Bier, Fischen und allen Viktualien, Heu, Stroh etc. versorget, die Zufuhr befördert und niemand übersetzet noch bevortheilt werde. Alle Marktaachen, Hökersachen und Verkäufereyen. Die Aufsicht auf das Stadtmagazin, aufs Schlachten, Backen und Brauen nebst Anfertigung der Taxen; die Aufsicht auf die Wirthshäuser, Garküchen, Wein-, Bier-. und Kaffeehäuser, und daß darin keine Hazardspiele geduldet werden, die Aufsicht auf die Glückstöpfe etc., auf gemeine Tanzböden und lüderliche Häuser. Aufsicht auf richtige Ellen, Maß und Gewicht, auf daß solche geeichet sind, aufs Hausiren, auf die Fiaker und Fuhrleute, und auf den Leichenkomissar, auf die Nachtwachen, auf die nächtliche Sicherheit der Straßen, auf die Reinigung derselben, aufs Pflastern, Aussetzung der Steine an den Kanälen und Konservation der Linden, auf Verhinderung der Aufläufe des gemeinen Volks, und andern Muthwillen, und Aufmerksamkeit auf die sich einschleichenden Vagabunden und verdächtige Leute.“ Eine gewaltige Aufgabe, wie man sieht, und nur ein paar Dutzend Menschen zu ihrer Bewältigung, von denen, wie schon erwähnt, genau 24 die Sicherheit der Stadt anvertraut war!

Ueber den Grad der öffentlichen Sicherheit in dem Berlin jener Tage gehen die Meinungen der Zeitgenossen auseinander; denn wenn Friedrich Nicolai behauptet, daß viele Jahre vergehen, ehe man von einem Straßenraube höre, daß man von Diebesbanden nie etwas vernehme, von einem Mord überhaupt nicht und von Einbrüchen und anderen beträchtlichen Diebstählen vergleichungsweise nicht oft, daß man auf den Straßen die ganze Nacht hindurch ebenso sicher gehen könne wie bei Tage – so wissen andere Chronisten von Diebstählen, und zwar sehr beträchtlichen, ebenso von gewaltsamen Anfällen zur Abendzeit auf öffentlichen Plätzen zu berichten, und sie heben hervor, daß, wenn die Polizei aufpaßte, viele Dieberei verhindert werden könnte, daß ferner bei der Nachlässigkeit der Bettelvögte das Gesindel freies Spiel habe und in ruhiger Sicherheit fortlebe, da es wisse, daß es seine Wächter mit einigen Groschen abfinden könne! –

Bei der Städteordnung, welche im November 1808 in Kraft trat, wurde die Polizeiverwaltung gänzlich vom Magistrat getrennt und ein besonderes Polizeipräsidium gebildet, welches erst einem eigenen Polizeiministerium, dann aber – und so ist’s noch heute – dem Ministerium des Innern unterstellt wurde. Damals waren von jenem Präsidium abhängig die Polizeiintendantur, die Aichungskommission und die (später aufgelöste) Kommission von Bauhandwerkern, ferner sonderbarerweise die Charité, die Thierarzneischule sowie sämmtliche in Berlin wohnenden approbirten Aerzte. Als ausübende Gewalt diente zunächst die 1812 gebildete Bürger- und Nationalgarde, dann, nachdem diese von der Bildfläche verschwunden war, die Gendarmerie, bis endlich 1848 der Polizeipräsident von Minutoli diesem zwitterhaften Zustande ein Ende machte und nach dem Muster der Londoner Polizei eine eigene, blauuniformirte, mit Säbeln und großen, schwarzen, numerirten Filzhüten versehene Schutzmannschaft einrichtete, die zunächst aus 1 Oberst, 4 Hauptleuten, 15 Lieutenants. 95 Wachtmeistern und 654 Schutzmännern bestand. Mit dem Wachsthum Berlins trat auch eine allmähliche Vermehrung ein, und heute bildet diese „Schutztruppe“ schon eine kleine Armee für sich, denn sie setzt sich jetzt zusammen aus: 1 Oberst, 16 Hauptleuten, 4 Kriminalpolizeiinspektoren, 104 Lieutenants, 42 Kriminalkommissaren, 331 Wachtmeistern, 3369 Schutzmännern, davon 240 beritten, und 20 Polizeianwärtern. Den Dienst während der Nacht versehen 1 Nachtwachtinspektor, 47 Nachtwachtmeister und 475 Nachtwächter. Alles in allem stehen im Dienste der Berliner Polizei, deren Leitung seit einem starken Jahrzehnt Freiherr von Richthofen in Händen hat, Bureaubeamte und alles eingeschlossen, 5577 Personen, die Kosten belaufen sich jährlich auf weit über 8 Millionen Mark!

Nun eine kurze Uebersicht der Eintheilung des Polizeipräsidiums, die uns zugleich einen Begriff giebt von der ungeheuer vielfältigen Inanspruchnahme dieses großartigen Organismus. Das Polizeipräsidium zerfällt in sechs Abtheilungen, von denen die erste („Regierungsabtheilung“) im großen und ganzen die eigentlichen Verwaltungs- und landespolizeilichen Sachen bearbeitet, während die übrigen fünf mehr die Geschäfte der örtlichen Polizei besorgen. Von der ersten Abtheilung sind außerdem einzelne Geschäftszweige abgetrennt worden, welche sich mit der Zeit zu selbständigen Unterabtheilungen entwickelt haben, wie z. B. die unter der persönlichen Leitung des Präsidenten stehende politische Polizei. Mannigfach sind im übrigen die Geschäfte der ersten Abtheilung, von denen wir hier nur erwähnen wollen: die Bearbeitung derjenigen Angelegenheiten, welche auf die Verfassung und den Organismus der Polizeiverwaltung Bezug haben, ferner jener Verwaltungssachen, welche sich auf Eigenthums- und sonstige Rechte des Staates und dessen Vertretung in gerichtlichen Streitverfahren beziehen, dann die Aufsicht über die Verwaltung der Stiftungen, die Angelegenheiten der öffentlichen und Privattheater, die Aufsicht über die Verwaltung der Versicherungsanstalten und der Unterstützungskassen etc., das Auswanderungswesen, die Straßen- und Verkehrs- sowie Strompolizei, die Regelung und Ueberwachung des Marktverkehrs, die Sanitäts-, Medizinal- und Veterinärpolizei, das öffentliche Anschlagswesen, die Angelegenheiten der Schutzmannschaft und Feuerwehr, die Fabrikinspektion etc.

Die zweite Abtheilung hat die eigentlichen ortspolizeilichen Geschäfte zu erledigen, so u. a. die Aufsicht über die Gast- und Schankwirthschaften, die öffentlichen Lustbarkeiten und Schaustellungen, die Musikanten, Drehorgelspieler, Kunstreiter etc., die Beaufsichtigung der Trödler und Pfandleiher, die Kontrolle der Gesinde- und Ammenvermiether, die Ertheilung der erforderlichen Berechtigungsscheine zum Gewerbebetriebe an Handlungsreisende, Hausirer etc., die Untersuchung und Abhilfe bei Beschwerden über gesundheitsschädliche Wohnungen, den Handel mit Giften, die Abladestellen für Schnee und Eis, die Sorge für die Unterbringung und den Unterhalt der Geisteskranken, die Aufsicht über die Haltekinder und Haltefrauen, ferner über die Vermiether von Schlafstellen und „Pennen“, die Ausfertigung der Jagdscheine, die Armen- und Unterstützungs-, sowie die Requisitions- und Militärsachen, die Aufsicht über das öffentliche Fuhrwesen etc.

Die dritte Abtheilung umfaßt die gesammte Baupolizei, soweit sie nicht als städtische Straßenbaupolizei in die Verwaltung der Stadt übergegangen ist.

Die vierte Abtheilung enthält die Sicherheits- und Sittenpolizei und zerfällt in drei Unterabtheilungen, in die allgemeine Sicherheits-, in die Kriminal- und in die Sittenpolizei.

Die fünfte Abtheilung fertigt die Pässe, Leichenpässe, Heimathskarten, Gesindebücher, Führungsatteste etc. aus, hat die persönlichen Verhältnisse Neuanziehender zu erörtern und die Gesindestreitigkeiten zu schlichten; zu ihr gehört auch das Fundbureau und das Einwohnermeldeamt.

Die sechste Abtheilung endlich beschäftigt sich mit der Bestrafung von Uebertretungen, allerdings nur von solchen, wo die Strafe fünfzehn Mark oder drei Tage Haft nicht überschreitet; sie erledigt ferner die dieses Strafgebiet betreffenden Gesuche auswärtiger Polizeiverwalter um Behändigung von Strafverfügungen oder um Strafvollstreckung. – –

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_258.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)