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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

wurde, z. B. die in unseren Alpen vorhandenen Wasserkräfte mittels der Elektricität hinab in die Ebene leiten und mit ihnen ganzen Provinzen und Ländern Elektricität liefern kann.

Wenden wir uns nunmehr der Anwendung der Elektricität auf den verschiedenen Gebieten des menschlichen Lebens zu und beginnen wir mit der uns am meisten in die Augen fallenden Verwendung des elektrischen Stromes, mit der Erzeugung des elektrischen Lichtes!

Vielerorts leuchtet uns heutzutage schon der goldene Schimmer des Glühlichtes und der märchenhafte Schein der Bogenlampe entgegen. Je mehr aber die hervorragenden Eigenschaften des elekrischen Lichtes in Hinsicht auf Hygieine und Feuersicherheit bekannt werden, desto mehr findet es Ausbreitung, und wie es heute schon kaum mehr eine größere Stadt giebt, die nicht eine oder mehrere elektrische Centralanlagen besäße, so werden in nicht zu ferner Zeit bald auch kleinere Ortschaften ihr Lichtbedürfniß durch Elektricität befriedigen können.

Um einen Begriff von dem riesigen Verbrauch an elektrischem Licht zu geben, erwähnen wir, daß in einer einzigen Centrale in London an 20 000 Pferdekräfte zur Erzeugung von Elektricität verwendet und daß die Berliner Elektricitätswerke im kommenden Jahre über mehr als 10 000 Pferdekräfte verfügen werden.

Es braucht nicht hervorgehoben zu werden, daß die Frankfurter Ausstellung in einem Lichtmeer schwimmen wird, wie es auf verhältnißmäßig so engem Raume wohl kaum jemals gesehen worden ist. Glühlichter bis hinauf zu einer Stärke von 1000 Kerzen Leuchtkraft und Bogenlampen aller Systeme und Größen bis zu einer Stärke von 40 000 Kerzen werden erstrahlen. Ein künstlicher Wasserfall, der seine Fluthen aus einer Höhe von 10 Metern herabstürzen läßt, wird ähnlich den fontaines lumineuses der Pariser und der Wiener Ausstellung feenhafte Beleuchtungsspiele darbieten. Den Gipfel des Felsens, aus dem die Wasserfluten herabstürzen , wird eine romantische Burg bekrönen, vor deren Eingang ein riesiger grimmer Drache Wache hält. Mächtige Dampfwolken, durch elektrische Reflektoren in glühende Farbentöne getaucht, sprühen aus dem Rachen des Ungethüms. Wer aber mit dem Muthe eines Siegfried durchdringt bis zum Innern der Burg, den wird, wenn auch keine Brunhilde, so doch eine trauliche Trinkstube begrüßen.

Daß die Anwendung des elektrischen Lichtes für Theaterzwecke in erschöpfender Weise dargestellt werden wird, ist selbstverständlich. Ein großes Ausstellungstheater nach dem Entwurfe des bekannten Bühnentechnikers der Münchener Hofoper, Karl Lautenschlägers, ausgeführt, wird in größeren Ballets, Pantomimen etc. den ganzen Zauber der modernen Bühnentechnik vorführen. Ein zweites kleineres Theater wird noch besonders die technischen Eigenthümlichkeiten elektrischer Bühnenbeleuchtung veranschaulichen.

Riesige Scheinwerfer, wie sie für Küstenbeleuchtung, militärische Zwecke etc. dienen, werden von einem eigens hierzu errichteten Leuchtthurm aus ihren Schein bis Mainz zum Vater Rhein entsenden.

Im engen Zusammenhang mit der Erzeugung des Lichts steht die Verwendung der elekrischen Kraft für gewerbliche Zwecke jeder Art.

Gleichwie der Bürger von einer Centrale aus sein Haus elektrisch beleuchtet erhalten kann, so kann er auch von dorther nach Bedürfniß elektrische Arbeitskraft beziehen und dieselbe zum Betrieb von Arbeitsmaschinen und zu mannigfachen sonstigen Vornahmen verwenden.

Es liegt hierin die größte Bedeutung der Elektricität, da der Elektromotor ein Betriebsmittel ist, welches, ähnlich wie die Druckluft, durch seine außerordentliche Einfachheit in Konstruktion und Bedienung die längst ersehnten billigen Arbeitskräfte zu liefern und daher den Kleinbetrieb wieder konkurrenzfähig mit dem großen Dampfbetrieb zu machen imstande ist. Die Gefahrlosigkeit des Elektromotors sowie die außerordentlich einfache Ausführbarkeit elektrischer Leitungen erlauben es, ihn überall, wo mit Maschinen gearbeitet wird, anzuwenden. Unsere auf diesem Gebiete außerordentlich ausgebildete Technik hat dafür gesorgt, daß fast jedem Gewerbe und auch dem kleinsten Mann vorzügliche derartige Maschinen zur Verfügung stehen. Der Tischler z. B. kann eine Kreis- und Bandsäge, eine Hobelmaschine etc. einstellen und eine Reihe von Arbeiten leisten, die er sonst gar nicht, oder doch nur mit großem Zeitaufwand und deshalb nicht lohnend hätte ausführen können.

Wie beim Tischler, so verhält es sich auch beim Mechaniker, Blech- und Metallarbeiter, Buchdrucker, Lithographen, Drechsler etc.

Auf Bauplätzen kann der Elektromotor für Hebezwecke, für Schmiede, Steinmetz- und Zimmermannsarbeiten Verwendung finden; in der Landwirtschaft kann er die verschiedenartigsten Hilfsdienste thun: kurz und gut, es giebt kaum ein Feld, auf dem er nicht seine Thätigkeit entfalten könnte.

Außer in den genannten Industrien hat der elektrische Strom auch schon erfolgreiche Anwendung gefunden zur Bleichung des Papierrohstoffes, zur Gerbung des Leders, zum Zusammenschweißen von Metallen etc., und er hat es ferner auch vermocht, gefährliche Betriebe mit den ausreichendsten Sicherheitsmaßregeln zum Besten aller dabei Betheiligten zu versehen. Es sei hier vor allem der Bergbau genannt. Hier findet die Elektricität Verwendung zum Betriebe elektrischer Grubenbahnen, Förderschalen, Bohrmaschinen, für Bergwerkslampen, Signalapparate, welche die Entwicklung schädlicher Gase melden, Instrumente, welche das Steigen und Fallen der Grundwasser anzeigen etc. Ja, vermittelst der Elektricität ist es sogar möglich, die mörderischen Geschosse unserer modernen Schußwaffen auf gefahrlose Weise herzustellen.

Eine ganz hervorragende Bedeutung hat die Elektrotechnik für die Sicherung unseres gesammten Verkehrswesens gewonnen. Zu der Abtheilung für „Eisenbahnwesen“ werden alle jene zahlreichen Alarm- und Signalapparate Platz finden, deren Thätigkeit wir es zu verdanken haben, daß die Gefahren des Eisenbahnbetriebs nur selten zu Unglücksfällen führen. Hier werden auch die elektrischen Beleuchtungswagen aufgestellt sein. welche künftig auf den Knotenpunkten des Eisenbahnverkehrs bereit stehen sollen, um bei vorkommenden Störungen, Unglücksfällen etc. sofort Licht und Hilfe bringen zu können.

Ihre volle Wirkung im Eisenbahnwesen wird die Elektricität freilich erst dann gewinnen, wenn sie sich dasselbe einmal in seinem ganzen Umfange zu eigen gemacht hat. Bisher hat sie hauptsächlich zum Betrieb kürzerer Strecken gedient, besonders in Amerika, wo etwa 200 Städte mit elektrischen Trambahnen versehen sind und Tausende von Kilometern mit solchen elektrischen Straßenbahnen befahren werden. Selbst in kleineren Städten, z. B. in Southington, Connecticut, mit 5400 Einwohnern, ist eine elektrische Bahn eingerichtet worden.

Der Umstand, daß in Amerika immer mehr Pferdebahngesellschaften zur Elektrizität als bewegender Kraft greifen, liefert den besten Beweis, daß letztere den Pferden nicht nur durch raschere Beförderung, sondern auch durch geringere Kosten überlegen ist. Die Frankfurter Ausstellung wird die verschiedenen Systeme elektrischer Bahnen durch fünf im Betrieb befindliche Linien und durch eine Anzahl von Modellen zeigen, auf deren Einzelheiten einzugehen hier zu weit führen würde. Es sei nur soviel erwähnt, daß die verschiedenen Systeme mit sogenannter „oberirdischer“ Zuleitung des elektrischen Stromes, von welchen die „Gartenlaube“ in Nr. 34 des vorigen Jahrgangs ein Beispiel vorgeführt hat, bis jetzt am meisten Verwendung gefunden haben, da sie am billigsten herzustellen sind. Die elektrischen Bahnen mit „unterirdischen“ Zuleitungen erfordern bedeutend höhere Herstellungskosten, doch zeigt z.B. eine in Budapest errichtete derartige Bahnanlage trotzdem zufriedenstellende Ergebnisse.

Als das Ideal der elektrischen Bahnen könnte diejenige mit Akkumulatorenbetrieb bezeichnet werden, bei der durch mitgeführte Akkumulatoren die nöthige Kraft zur Fortbewegung des Wagens geliefert wird und keinerlei Veränderungen des Bahnkörpers nöthig sind. Hier ist indeß vor der Hand noch der Uebelstand zu berücksichtigen, daß sich die Last des Wagens um das sehr beträchtliche Gewicht der Akkumulatoren erhöht und also viele Kraft zur Fortbewegung allein schon des todten Gewichts notwendig ist - ein Uebelstand allerdings, der da, wo billige Wasserkräfte zum Laden der Akkumulatoren verwendet werden können, nicht sehr ins Gewicht fiele.

Unternehmungen, wie die großartige elektrische Untergrundbahn in London, welche sich in einer Länge von sechs Kilometern unterirdisch hinzieht und bei der sich die Baukosten für den Meter auf rund 4000 Mark stellen, sind überhaupt nur unter Anwendung der Elektricität möglich.

In Amerika, wo das Riesenunternehmen der transandinischen Bahngesellschaft einen Schienenweg von San Francisko bis zum Panamakanal führen will, ist es wiederum die Elektricität, welche die maschinellen Arbeiten für einen Tunnelbau in der Höhe von 3000 Metern über dem Meer ermöglicht. Da in dieser Höhe die Verwendung von Dampfmotoren unerschwingliche Kosten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_284.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)