Seite:Die Gartenlaube (1891) 332.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Das Thonquetschen.

So hat denn die Stadt Bürgel seit Jahrhunderten weit über die engeren Grenzen Thüringens hinaus die Haushaltungen mit ihren Schöpfungen versehen und thut dies noch heute; auf allen Märkten sind die Bürgeler Töpferweiber wohlbekannte Erscheinungen.

Da Bürgel noch keine Eisenbahnverbindung besitzt, so werden die Waren zum größten Theil mittels Wagen im Lande herumgefahren, und nur größere Lieferanten befördern dieselben, wenn es sich um einen Versand in weitere Entfernungen handelt, zur Bahnverladung nach Jena. Es ist demnach natürlich, daß die neunundzwanzig Töpfereien von Bürgel bei weitem nicht den Erfolg haben, den sie haben könnten, da die theuren Fuhrlöhne, welche von den Töpfern bei dem Fortschaffen der fertigen Waren noch besonders bezahlt werden müssen, den Verdienst sehr erheblich vermindern.

Bis gegen, Ende der siebziger Jahre ist denn auch in Bürgel nur einfache, marktgängige Gebrauchsware mit gelber, brauner und blauer Glasur hergestellt worden; zu der genannten Zeit jedoch fing man auf Anregung des Bürgermeisters Hermann Schauer an, Versuche mit Herstellung schön geformter Vasen und Krüge zu machen, und der Großherzog von Sachsen-Weimar, Karl Alexander, welchem einige solche Stücke überreicht wurden, widmete auch sofort bei dem ihm eigenen Kunstsinn dieser Industrie lebhafte Aufmerksamkeit. Auch das großherzogliche Staatsministerium ergriff die Sache mit großem Eifer und sorgte dafür, daß den geschickten und zum Kunstgewerbe geeigneten Arbeitern eine Anzahl geschmackvoller Modelle von künstlerischem Gepräge zugänglich gemacht wurde. So geschah es, daß schon im Jahre 1880 die zur Ausstellung nach Halle gebrachten Geschirre durch ihre schönen Formen die allgemeine Aufmerksamkeit des Publikums auf sich lenkten; sie wurden mit Preisen ausgezeichnet und große Aufträge waren die weitere Folge.

Bei den Drehern.

Damit war denn der Uebergang zum Kunstgewerbe auf Grund einer vorhandenen, gut vorbereiteten Technik hergestellt, und es galt nun, fleißig fortzuarbeiten und das Erreichte weiter zu entwickeln. Mit staatlicher Unterstützung wurde unter Leitung des Professors Kugel eine Modellir- und Zeichenschule eingerichtet, welche von älteren und jüngeren Mitgliedern des Töpfergewerbes eifrig besucht wurde. Diese Schule ward dann später dem Rektor Neumärker übergeben, welcher sich der Heranbildung eines geschickten, für Formenschönheit empfänglichen Arbeiterpersonals bis auf den heutigen Tag befleißigt. Der Großherzog stellte

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_332.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2023)