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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Dieses besteht zunächst aus den Inhabern der Hauptrollen, den „Espadas“ (Degen), die in ihrer Kunst einen mehr oder minder glänzenden Ruf genießen, in den öffentlichen Anzeigen der Aufführungen daher mit Namen genannt und landauf landab zu Gastrollen berufen werden. Wer wollte auch nicht einmal Don Rafael, den „Igel“, oder Don José, den Krauskopf – Spitz- oder Schmeichelnamen haben sie alle – bewundern? Sie sind die Angesehensten ihrer Gilde, nennen den Herzog so und so ihren Freund und die Condesa so und so ihre huldvolle Gönnerin und tragen sich außer Dienst untadelhaft in ihrer eigenartigen Kleidung. Der Name „Matadores“, d. h. „Schlächter“, wie sie der Fremde meist irrthümlich nennt, würde sie schwer beleidigen; diese Benennung kommt, wie wir später sehen werden, ganz anderen Persönlichkeiten zu. Sie kennzeichnen sich wie durch die Kleidung und durch ein feines Zöpfchen im Nacken so durch eine typische Physiognomie, und es ist beinahe schwierig, auf flüchtigen Blick hin zu unterscheiden, wer jung oder alt von ihnen ist. Sie sind schlank, von theatralischem Gebahren; ihre Gesichter sind völlig bartlos, bleichgrau oder bronzefarbig, hart in den Zügen, und ihre Augen von stechendem Ausdruck mit muthigem, stolzem, kaltblütigem Blick. Sie sind berufen, dem Stier mit ihrem Degen den Tod zu bringen.

Eine zweite Gattung dieser „Toreros“ – dies die Gesammtbezeichnang aller in einem Stiergefechte auftretenden Personen – sind die „Banderilleros“, die in ihrer Besonderheit nicht minder gerühmt werden und eigentlich die liebenswürdigste Rolle bei einer Corrida haben. Ist der Espada des Stieres Tödter, so schmückt der Banderillero das Opfer, ehe es fällt. In der malerischen Festkleidung, der bunt und goldgestickten Sammetjacke, den seidenen, mit breiten Stickereien an den Seiten gezierten Kniehosen, den weißen Strümpfen und leichten, offenen Schuhen, dem roth- oder gelbseidenen Mantel, gleichen sich beide; aber die Rolle des Espada ist eine tragische, die des Banderillero eine mehr humoristische. Er spielt mit dem Stier, er tanzt vor ihm und wirft ihm dabei kühn und gewandt die mit farbigem Papierschmuck umhüllten Harpunen in den Nacken – die Banderillas –, die ihm gleich Federbüschen anhaften bleiben, sehr wider seinen Willen und sein Gefallen, denn ihre Widerhaken sitzen schmerzhaft in seinem Fell.

      Picador.   Espada.   Capeadores.

Banderilleros.
Stierkämpfer.

Die dritte Stufe in der Rangordnung nehmen die athletischen „Picadores“ ein, welche zu Pferde in der Arena erscheinen und mit langen, kurzstacheligen Lanzen die ersten ernsten Angriffe auf den Stier machen und ihm blutige Wunden beibringen. Ihre Aufgabe ist meist die aufregendste und grausamste; durch sie nimmt das Spiel erst eine ernste Wendung. Während bis dahin mit dem Stier nur eine Art Neckerei getrieben wurde, schreibt ihm der Picador mit Blutschrift gleichsam sein Todesurtheil auf den Leib, und der Stier rächt sich dafür, indem er die Pferde mit seinen Hörnern niederstößt. Der Picador selbst ist in ein Gewand von dickem gelben Leder mit Eisenschienen darunter gehüllt, so daß er zu Pferde vor dem Angriff des gereizten Thieres gesichert ist. Aber wenn sein Roß zum Tode getroffen zusammenstürzt, so sinkt er hilflos in seiner Rüstung mit zu Boden, und aus dieser gefährlichen Lage müssen ihn seine Genossen schnell befreien.

Außerdem giebt es noch „Mantelschwenker“, „Capeadores“, ihrer zehn, zwölf bei jeder Vorstellung, welche, ebenfalls in Torerotracht, ihre rothen oder gelben Tücher dem Stier vor Augen halten und ihn bei der Jagd, die er danach macht, in Wildheit zu versetzen suchen. Das übrige Personal besteht aus einigen Reitern, Herolden in altspanischer Tracht, die nur beim Anfang zur vollständigen Räumung des Kampfkreises in der Arena erscheinen, und aus den Wächtern in dem freien Rundgang unmittelbar hinter der Barriere, in welchen sich der in die Enge getriebene Torero mit keckem Sprunge flüchten kann und wohin oft der mächtige Körper des Stiers auch selber übersetzt, um dann durch die schnell geöffneten Innenthüren wieder in den verhängnißvollen Kreis zu traben.

Der Pächter hat auch die Stiere und die Pferde zu besorgen, welche bei der Corrida nöthig sind. Er schließt zu diesem Zweck feste Verträge ab, insbesondere wird er darauf sehen, daß der Stierlieferant schon durch seinen Namen eine gewisse Bürgschaft für die Tüchtigkeit seiner Thiere biete; denn es kommt viel darauf an, ob der Stier aus Andalusien oder aus Galicien stammt, ob er von dieser oder jener Rasse, ob er muthig oder phlegmatisch ist. Er darf auch auf der freien Heide, wo er aufwuchs, noch nicht viel mit Menschen in Verkehr gekommen sein, und der Hirt darf ihn nicht schon durch Spielereien mit dem Mantel verdorben haben. In aller Naturwüchsigkeit muß er vor versammeltem Volk erscheinen und sie in einem grausamen Spiel beweisen, bis er den Todesstoß empfängt.

Die den Picadores gestellten Pferde sind natürlich zum Tode verurtheilt und daher ausgesucht aus der Schar solcher, deren Leben nicht mehr für werthvoll erachtet wird. Der Lieferant hat nur ein Interesse daran, daß ihrer möglichst wenig in einem Gefechte fallen, weil er den ganzen Bedarf gegen eine Pauschalsumme beschaffen muß. So sucht er denn die Picadores zu gewinnen, daß sie die Thiere nicht unnöthig opfern, während der Pächter-Direktor seinerseits den Picadores empfiehlt, zur Befriedigung des Publikums es auf ein paar Pferde mehr oder weniger nicht ankommen zu lassen.

Vor Beginn der Vorstellung spielt eine Musikkapelle ihre Stücke, sie füllt auch die Pausen aus; denn eine Corrida dauert drei Stunden und länger. Nicht als ob es so lange währen würde, bis ein Stier schließlich unter dem tödlichen Stoße zusammenbricht; nein, die unersättliche Schaulust der Menge verlangt eine mehrmalige Wiederholung des wilden Spieles, und oft fallen sechs bis acht Thiere hintereinander einer einzigen Corrida zum Opfer. In der Hauptsache gleicht natürlich ein Gefecht dem andern; aber häufig kommt es doch vor, daß die besondere Kraft und Tücke eines Stiers oder außerordentliche Zufälle ernstester Art eine „interessantere“ Abwechslung herbeiführen.

Ein Schauspiel von echt spanischem Glanz und südländischer Farbenfülle leitet die Vorstellung ein. Von Fanfaren angekündigt, begrüßt von Musik und von dem tausendstimmigen Beifallruf der Menge, hält die „Quadrilla“ ihren Einzug in die Arena. Vorauf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_438.jpg&oldid=- (Version vom 31.8.2023)