Seite:Die Gartenlaube (1891) 506.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

sich gesund und rüstig; er schaut auf sein Weib, das er niemals wärmer liebte als jetzt, schaut auf die glückliche Braut und sagt sich: die frohere Hälfte des Lebens steht noch vor dir.

Als Ida in die Küche ging, um ihr Werk selbst aufzutragen, harrte er der Festschüssel mit gleicher Ungeduld und ebenso viel Vergnügen wie in seinen unschuldigsten Tagen.

Ida kehrte ohne Mehlspeise, dafür mit einem Briefe zurück, der durch seinen großen Umschlag und durch das mächtige Siegel einen wichtigen Inhalt versprach.

Und allerdings war er wichtig! Ida las über die Schulter ihres Mannes mit diesem, aber laut die Mittheilung des Ministeriums der Justiz, daß er zum Stadtrichter erster Klasse in der Haupt- und Residenzstadt befördert sei, seinem Nachfolger in Hohenwart, dem bisherigen Amtsgerichtsassessor Thomas Tannhauser dort sämmtliche Gerichtssachen zu übergeben und innerhalb acht Tagen sein neues Amt anzutreten habe. Das alles war im Kanzleistil, gedrängt, dennoch schwerfällig gesagt.

Stadtrichter – erster Klasse!

Verena flog zu ihm hin. „O Papa!“ jubelte sie, „ich wußte es schon gestern. Tausend, tausend –“

Sein hohler Blick ließ sie verstummen.

„Schon gestern – schon gestern,“ wiederholte Vitus und lachte, allein seine Empfindungen und Gedanken hatten nichts gemein mit diesem Gelächter.

„Aber,“ fragte Verena betroffen, „freut Dich denn die Nachricht nicht?“

(Fortsetzung folgt.)



Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Wanderungen durch Wien.

Von V. Chiavacci.0 Mit Zeichnungen von W. Gause.
Vorstädte und Vororte.

Wie die Jahresringe einer mächtigen Eiche haben sich im Laufe der Jahrhunderte die gewaltigen Häusermassen, welche heute die zehn Bezirke und die sogenannten Vororte von Wien umfassen, um den Kern der inneren Stadt geschlossen, anfangs lückenhaft, vielfach von Feldern, Weingärten und saftigen Wiesengründen durchsetzt, dann immer dichter und dichter. Um die Besitzungen der Adelsgeschlechter und reicher Klöster bauten Handwerker, Gärtner, Fischer ihre ärmlichen Hütten; an den Heerstraßen, welche schon im 12. Jahrhundert einen lebhaften Verkehr mit Ungarn und Böhmen, mit den steyrischen Ländern und Kärnten, sowie mit dem „Reiche“ vermittelten, entstanden Einkehrwirthshäuser mit weitläufigen Gehöften, Wagenschuppen und Stallungen für das zahlreiche Lastfuhrwerk; und nach Jahrzehnten des Friedens schlang sich um die gewerbreiche Stadt ein anmuthiger Gürtel von Dörfern, Meierhöfen, Mühlen, die einzelne Gemeinwesen bildeten, welche den Namen „Luken“ führten und als die ersten Anfänge unserer Vorstädte sich bis nahe an die Stadtmauern drängten.

Eine der ältesten dieser Ansiedlungen war die St. Niklas-Vorstadt, welche an der Stelle der jetzigen Vorstadt Landstraße stand; ferner Michelbeuern, welches schon im 12. Jahrhundert als Ansiedlung um das gleichnamige reiche Kloster genannt wird. Der „mittelbairische Grund“ war bis in unsere Tage der Name einer der 34 Vorstädte.

Aber die Einfälle der Türken, Ungarn, Kurutzen vernichteten oftmals die aufblühenden Niederlassungen, und die Sicherheit der Stadt verlangte es, daß ein Theil von jenen, welche sich zu nahe an die Stadtmauern geschmiegt hatten, wieder abgetragen werden mußte. Eine Verordnung Rudolfs II. verfügt, daß niemand in weniger als 50 Klafter Entfernung vom Stadtgraben ein Gebäude aufführen dürfe. Vor dem zweiten Türkenkriege wurde diese Vorschrift auf 200 Klafter Entfernung ausgedehnt und nach demselben endgültig mit 600 Schritt bemessen. Vor allem besiedelten sich die Anhöhen, welche die späteren Vorstädte Mariahilf, Windmühle, Laimgrube, Gumpendorf bildeten. Das St. Theobaldkirchlein wird schon zu Anfang des 14. Jahrhunderts genannt; hier befanden sich bereits zu Ende des 13. Jahrhunderts ausgedehnte Ziegeleien, von welchen damals die erste Ansiedlung „ob der Laimgrube“ hieß. An den sanften Abdachungen gegen den Wienfluß zu zogen sich reiche und ergiebige Weingelände hin, welche den Herren von Gumpendorf gehörten.

Ein Stück vom alten Linienwall.

Bei der Währinger Linie.

Diese Weinrieden erzeugten den köstlichsten Tropfen in der ganzen Umgebung. Von ihnen behielt die Vorstadt Gumpendorf ihren Namen. Die Benennung der auf einem Hügel gelegenen Vorstadt Windmühle erklärt

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 506. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_506.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2023)