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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

(Regensburg), verband und der alten Feste den bedeutungsvollen Namen gab – darüber grübelte der Prinz sicherlich nicht nach; ihn zog des Herzens Verlangen zu der Mühle, die noch heute nach seiner Geliebten den Namen der „Gredlmühle“ trägt.

Die „Gredlmühle“.   Bei den alten Ulmen.

Diese ist ein Gehöfte im uralten Stile bajuwarischer Siedlungen; um den Hof gruppieren sich im offenen Vierecke die Gebäulichkeiten, auf der einen Seite das langgestreckte Wohnhaus mit Stall, auf zwei anderen Schupfe und Stadel. Auf steinernem, weiß getünchtem Sockel ist das Wohnhaus aus festen, durch die Stürme der Jahrhunderte dunkelbraun gebeizten Balken gezimmert. Zahlreiche Blumenstöcke, besonders blutrothe Nelken, an den niedrigen und kleinen, aber blitzblanken Fenstern verleihen dem schmucken Aeußern ein anheimelndes Gepräge. Schupfe und Stadel sind einfache Holzbauten, mit hoch ansteigenden steilen Strohdächern, deren dichte Moosschicht in weitentlegene Zeiten zurückreicht. Am Wege steht eine Reihe Ulmen mit dicken, starken Stämmen, aber leider mit gekappten Kronen; ob es noch dieselben Bäume sind, in deren Schatten der Sage nach die Mühle sich barg, als Herzog Otto sie so gern besuchte?

Damals als er, verlassen von der Gattin und vom Glücke, in die Heimath zurückkehrte und mit wenigen Getreuen Aufenthalt auf der schon längst vereinsamten Burg Wolfstein nahm, hauste in der Mühle ein ehrsamer Müller mit seinem rechtschaffenen Weibe und einer jugendlichen, in blühender Schönheit prangenden Tochter Margaretha oder „Gredl“, wie der Volksmund den Namen kürzt.

Wenn Gredl ihre Flechten löste, dann fielen, so heißt es, die goldbraunen Haare nieder bis über den Gürtel; wenn sie die Wimpern hob, leuchtete ihr Auge wie das Himmelsblau, und wenn die kirschrothen Lippen lachten, dann klang es aus ihrer Kehle wie silberner Glockenton.

An einem schwülen Hochsommertage war es, da kehrte der von der Anstrengung der Jagd und von des Tages Hitze ermüdete Fürst in der Mühle ein und begehrte eine Erfrischung. Des Müllers Töchterlein kredenzte ihm einen Trunk „gestandener Milch“ – und von Stund an kam der Markgraf öfter und öfter und schließlich alltäglich, bis er die Gredl auf die rothen Lippen küßte, um so nach manchem trüben Tag sich neuen Lebensmuth zu schöpfen. Die rechtmäßige Gemahlin war ihm gewissermaßen in betrügerischem Handel aufgenöthigt worden und sie hatte ihn verlassen, nachdem ihr Vater, der Urheber des schnöden Tausches, den Eidam schmählich um sein ererbtes Land gebracht hatte; am Herzen der schönen Müllerstochter fand der Vergrämte Trost für die Unbill, fand, was ihm bis dahin fremd gewesen war, das stille Glück selbstloser Liebe, in ihren Armen vergaß er der schweren Sorgen, mit denen der Kurhut von Brandenburg sein Haupt belastet hatte, vergaß er seiner Würden und der Händel im Heiligen römischen Reiche. Und als nach einigen glücklichen Jahren am 15. November 1379 das Herz des Fürsten stille stand, das nur für sie geschlagen hatte, da blieb Gredl trauernd unter dem väterlichen Dach zurück und die Wasser des Baches mischten sich mit den Thränen aus ihren rothgeweinten Augen. –

So verrann die letzte Welle eines weltgeschichtlichen Stromes an den Mauern der Burg Wolfstein und in der Idylle der Gredlmühle.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_525.jpg&oldid=- (Version vom 1.9.2023)