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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

vergrößert sich der Umfang und als eigentlich windgebender Theil wird das gefältelte Blatt eingefügt. Aber das Gestell behält noch die ursprüngliche geschlossene Form; seine Verzierung kümmert sich nicht um die einzelnen Speichen und zieht sich als geschlossenes Bild über die ganze untere Fläche des Fächers. Herrliche Werke dieser Art, aus Perlmutter geschnitten und mit verschiedenfarbigem Golde belegt, erzeugte das Frankreich des achtzehnten Jahrhunderts unter der Regentschaft des Herzogs Philipp von Orleans und der Regierung Ludwigs XV. Allmählich aber verlangte die Mode in diesen Verzierungen größere Durchbrechungen, eine luftigere Komposition, und diese Entwickung endete damit, daß man die einzelnen Speichen selbständig behandelte. Hat die Zeit Ludwigs XVI. auch in dieser Form noch äußerst geschmackvolle Erfindungen aufzuweisen, so wird in den Tagen des ersten Kaiserreichs die einzelne Speiche am Ende so dünn, das Fächerblatt schrumpft zugleich so zusammen, daß die Fächer einen entschieden mageren, dünnbeinigen Eindruck machen. Ueberaus reich an schönen, mit höchstem Geschmack durchgeführten Fächern war in Frankreich die Zeit Louis Philipps und des zweiten Kaiserreichs. Die besten Gestelle aus alter Zeit wurden von gewandten Händen nachgebildet, für die Bemalung der Blätter die ersten Künstler herangezogen.

So kommt es, daß noch heute Paris fast die ausschließliche Geburtsstadt aller Fächer ist, die auf künstlerische Form Anspruch machen. Allerdings traten die großen Wiener Fabrikanten nicht ganz ohne Erfolg in den Wettbewerb mit Paris ein, und es giebt in der That einen besonderen Wiener Stil, der sich durch reizvolle Erfindungen verräth. Außerdem erzeugt Oesterreich köstliche Stoffe für die Fächerindustrie, unter anderem Hölzer von überaus feiner Art, und so erlangten die österreichischen Fächer ganz wie die spanischen Heimathrecht auf den größeren europäischen Märkten. Auch Deutschland ist neuerdings, wie wir nachher sehen werden, in gutem Fortschritt begriffen, aber die erste Stelle kommt doch nach wie vor den Erzeugnissen der französischen Kunsthandwerker zu.

Diese letztere, wohl von keinem unbefangenen Sachverständigen geleugnete Thatsache ist vielleicht ein Hauptbeweggrund gewesen, daß der Vorstand des Badischen Kunstgewerbe-Vereins durch eine Fächer-Ausstellung, verbunden mit einem Wettbewerb für deutsche Künstler und Industrielle, unser Vaterland von der Alleinherrschaft der Pariser Industrie unabhängig zu machen suchte. Ob dies schwierige und weitgesteckte Ziel erreicht wird, diese Frage kann heute wohl noch niemand beantworten; daß aber auf dem angedeuteten Wege der erste Schritt mit Glück gethan worden ist, glauben wir mit dem Blick auf die glänzend gelungene „deutsche Fächerausstellung in Karlsruhe“ freudig bestätigen zu können. Wie aus dem Vorausgeschickten hervorgeht, hat diese Ausstellung neben der künstlerischen und kunstgeschichtlichen Seite auch eine volkswirtschaftliche von weittragender Bedeutung, – eine Seite, die unsere volle Aufmerksamkeit und Theilnahme in Anspruch nimmt. Man weiß, daß die tief in unser wirthschaftliches Leben einschneidende Frage der Frauenarbeit eine unermüdliche Beschützerin in der Großherzogin von Baden hat, daß eine Lösung dieser Frage nach der künstlerischen und kunstgewerblichen Richtung eine Hauptaufgabe des von ihr gegründeten Badischen Frauenvereins bildet. Bekannt sind auch die Schwierigkeiten, welche sich diesen Bestrebungen entgegenstellen; der schwerste Einwand, die ganze Frauenarbeitsfrage sei nur aufgeworfen, um den Arbeitslohn der Männer herabzudrücken, wird am leichtesten da widerlegt werden, wo es sich um zarte leichte Arbeiten, um einen gefälligen Geschmack handelt. So wird die Domäne der Putzmacherei, der künstlichen Blumen den Frauenhänden wohl unbestritten bleiben. Und die Fächermalerei, dieses spielende liebliche Kind der Mode, gehört unzweifelhaft auch in diese Reihe. Thatsächlich finden wir an dem Hauptsitz dieser Industrie, in Paris, weibliche Arbeiter nicht nur für Marktware beschäftigt, sondern auch für die vornehm ausgestatteten Erzeugnisse namhafte Künstlerinnen, welche das Bemalen von Fächerblättern als Besonderheit betreiben.

In italienischem Barockstil.

Daß auch unsere deutsche Künstlerschaft sowohl in ihren weiblichen wie in ihren männlichen Vertretern die Ausschmückung des Fächers mit Erfolg versucht hat, das beweisen deutlich die ausgestellten Arbeiten. Daß das Publikum, welches dieses schöne Luxusgeräth kauft und bestellt, sich mehr wie bisher den deutschen Künstlern zuwendet, wird die segensreiche Folge sein, welche die Veranstalter für viele Mühe und Anstrengung entschädigen muß. Ehe wir dem Leser eine kurze Blumenlese aus der Karlsruher Ausstellung vorführen, sollen aber in wenigen Worten die Grundsätze, nach welchen die Verzierung des Fächers vorgenommen wird, berührt werden.

Sehr beliebt bei dieser Kunstübung wie bei den meisten unserer Tage ist das Zurückgreifen auf klassische Muster, und auch hierin hat die Ausstellung dem Bedürfniß Rechnung getragen, indem sie nach vielen Hunderten die Fächer aus dem 18. Jahrhundert vereinigt hat, geschmückt mit jenen Meisterwerken der Kleinmalerei, für welche die Namen der französischen Künstler Watteau, Boucher etc. in Anspruch genommen werden. Dies „Watteau-Genre“ findet auch heute noch seine Verehrer. Jene galanten Spiele im Freien, seien sie im Schäfer- und Schäferinnenkostüm, seien sie von weltlichen oder geistlichen Vertretern der Hofgesellschaft veranstaltet; jene zierlichen Allegorien, in welchen der lose Liebesgott oder der Hirt Paris eine Hauptrolle spielt, begeistern auch noch die heutigen Künstler. Das überaus schöne Blatt, welches Prof. Eugen Klimsch in Frankfurt gemalt hat, bietet neben den Werken von Wittig, Schrödl, Rößler (Wien) ein besonders sprechendes Beispiel für diese Richtung. Weit mehr jedoch als dieses Zurückgreifen auf alte Vorbilder zeigt sich der Einfluß von Japan in der neuzeitlichen Fächermalerei. Es ist gewiß ein berechtigter Gedanke, da in die Schule zu gehen, wo die Faltfächer ihren Ursprung genommen haben; und dank der Hinneigung zu der Kunstweise Japans, welche seit mehr als einem Jahrzehnt unser gesammtes Kunstgewerbe zeigt, fehlt es nicht an vorzüglichen Mustern. Dazu kommt, daß die Eigenthümlichkeit der japanischen Kunst: das zwanglose, anscheinend an keine Kompositionsregeln gebundene Ueberstreuen der Fläche mit einzelnen Darstellungen, sowie die liebevolle naturwahre Wiedergabe der Wirklichkeit unserm modernsten Kunstempfinden allen Vorschub leistet. Und thatsächlich giebt die Karlsruher Ausstellung zu lehrreichen Betrachtungen über die Vermischung dieser beiden geistesverwandten Kunstweisen, oder wenn man lieber will, über die Uebersetzung des Japanismus ins Modern-Europäische vielfach Anlaß.

Wo diese völlig freie Dekorationsweise Beifall findet, kann man für die strengere Art, welche das Speichengerüste des Fächers zum Ausgang nimmt und den Drehpunkt desselben als idealen Mittelpunkt der Komposition betrachtet, wenig Vorliebe erwarten. So haben denn auch nur wenige Künstler sich in dieser Art versucht. Koberstein nimmt mit seinen Motiven aus dem Sommernachtstraum hier wohl die erste Stelle ein. Auch der Flötenspieler von Dannenberg und der schöne Fächer, welchen Max Koch in einer Sauerwaldschen Montierung ausstellt – beides glänzende Zeugnisse für die Berliner Fächerfabrikation – müssen hier an hervorragender Stelle genannt werden. Dem gleichen System, wenn auch in freierer Auffassung, gehört dann auch der Fächer an, welcher von vielen für die Perle der Ausstellung erklärt wird, eine Komposition von Prof. Eyth in Karlsruhe, die „Musik“ darstellend, mit einer prächtigen, von Rothmüller in München ausgeführten Fassung.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 574. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_574.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)