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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Die Frauen eines Königs von Uganda zählten oft nach Tausenden; neben seinem Hofhalt befand sich derjenige der Königin-Mutter, einer in Negerstaaten angesehenen Persönlichkeit. Ferner bauten in der Nähe des Herrschers selbstverständlich die Minister ihre geräumigen Gehöfte für ihre zahlreichen Frauen und ihre noch zahlreicheren Sklaven; außerdem waren die Mkungu und Mtongoli verpflichtet, neun Monate in ihren Kreisen und Provinzen zu wirken, drei Monate aber in der Hauptstadt zu weilen. So waren die Audienzhöfe stets mit Menschen gefüllt, und in diesem Gedränge fehlten nicht Musikbanden und Spaßmacher. Außer den Hofleuten erschienen auch getreue Unterthanen mit Geschenken, die sie freiwillig dem Kabaka überreichten; mit Kühen und Ziegen und Hühnern stellten sie sich ein, ja Väter brachten ihre Töchter, um des Königs Haushalt zu mehren.

Daneben standen in alten Zeiten Abtheilungen von Soldaten, mit Speer, Pfeil und Bogen bewaffnet, mit allerlei Thierhäuten bekleidet, mit Kriegsfarben bunt bemalt. Und dieser Hof war kein Gemenge von nackten, schmutzigen Negern. Es gab von jeher eine Kleiderordnung in Uganda; jeder Unterthan mußte sich bei der Audienz in den „Mbugu“ kleiden, einen mantelartigen Umwurf aus Rindenstoff, und wehe dem Manne, der sich einen Verstoß gegen diese Vorschrift zu Schulden kommen ließ, er mußte der Todesstrafe gewärtig sein. Diese wurde am Hofe der Kabaka gar oft vollzogen, und an den Stufen des Thrones saßen stets die „Herren vom Stricke“, wie man die königlichen Pagen nannte, die zugleich Henkerdienste versahen und zum Zeichen ihres Amtes einen aus Stricken zusammengelegten Turban trugen.

Die Kabaka waren Heiden wie ihre Unterthanen; sie glaubten an Dämonen, welche im See, auf Bergeshöhen und in Bäumen hausen sollten; sie glaubten auch an Zaubermittel, durch welche die feindlichen Geister beschwichtigt werden könnten, glaubten an das Behexen und hielten sich für Propheten. Sie waren schlimme Traum- und Zeichendeuter und opferten Hunderte von Menschen auf einmal, wenn ihre geheimnißvollen Beobachtungen das zu verlangen schienen. Das Menschenleben war überhaupt feil in Uganda und niemand vor dem Zorn oder der Laune des Herrschers sicher. Zürnte dieser einem der Häuptlinge, so erhielt irgend ein anderer den Auftrag, den in Ungnade Gefallenen zu strafen. Eines Nachts erschien in dem Kreise oder der Provinz des Unglücklichen eine Truppenabtheilung, nahm ihn gefangen, legte Beschlag auf sein Hab und Gut und suchte in ähnlicher Weise die Bevölkerung des Bezirkes heim, die mit ihrem Häuptling leiden mußte.

Trotz dieser Willkürherrschaft wuchs Uganda von Geschlecht zu Geschlecht; es war ein wehrhaft eingerichteter Staat, der ein starkes bewaffnetes Aufgebot stellen konnte und seinen Nachbarn furchtbar wurde. Wie ein Halbmond lagerte sich das ursprüngliche Uganda um die Nordwestecke des Viktoria-Njansa, die beiden Hörner dehnten sich nach Süden und Osten aus. Die Nachbarländer wurden unterjocht, das tapfere Usoga mußte die Waffen strecken und der Wahumastaat Karagua wurde in ein Lehnsverhältniß gebracht.

Nur einen Rivalen hatte Uganda, der unbezwingbar blieb, es war das aus denselben Anfängen hervorgegangene, obwohl in der Kultur mehr zurückgebliebene Reich von Unjoro, das sich im Nordwesten von Uganda bis zum Albertsee erstreckte. Die Könige von Unjoro, eingesessen auf den Gründen des alten Kittarareiches, hielten die Kabaka von Uganda für Emporkömmlinge, und die mächtig gewordenen Herrscher der Waganda betrachteten umgekehrt die Nachkommen der alten Wawitudynastie von Unjoro als unbotmäßige Vasallen. Es herrschten daher, soweit die geschichtliche Kunde zurückreicht, fast unaufhörlich Kriege zwischen Unjoro und Uganda, in denen aber keiner der beiden Gegner über den andern einen entscheidenden Sieg zu erringen vermochte.

So waren die politischen Verhältnisse an dem Westufer des Viktoria-Njansa beschaffen, als die Wahumareiche aus ihrer Abgeschiedenheit heraustreten und mit fremder Gesittung in Berührung kommen sollten. Um die Mitte unseres Jahrhunderts saß auf dem Throne Ugandas Suna II., ein finsterer Herrscher, dem die Geschichte von Uganda in Anbetracht seiner Siege den Beinamen des Großen und in Anbetracht seiner maßlosen Wuth den des Grausamen beilegen könnte. Unter seiner Regierung kamen die Araber, von Tabora vordringend, zum ersten Male ins Land. Der Hof des Wahumakönigs blendete diese fahrenden Leute Afrikas, und sie wälzten sich vor Suna nicht weniger demüthig im Staube wie seine eigenen Unterthanen. Doch war der Einfluß der Araber um jene Zeit nur ein mittelbarer, sie brachten Erzeugnisse der Kultur ins Land und weckten in den Waganda ein lebhafteres Verlangen nach europäischen Stoffen, nach Glasperlen und Feuerwaffen.

Suna wurde krank; um den ihm feindlichen Dämon zu versöhnen, ließ er fünfhundert Menschen opfern, allein die gewünschte Heilung blieb aus, und als er eines Tages von einem Spazierritte heimgekehrt war, den er auf dem Nacken seines ersten Ministers unternommen hatte, rührte ihn der Schlag. Das geschah im Jahre 1860. Das Land athmete auf. Sunas Leiche wurde durch Räuchern zur Mumie verwandelt und ein neues Grabgemach für den zweiunddreißigsten Sprossen des Herrschergeschlechts errichtet. Dort legte man die Mumie mit den Waffen und Lieblingsgeräthen des Toten nieder, und zwölf schwarze Jungfrauen traten in der über dem Grabe erbauten Hütte die Totenwache an, die so lange währen sollte, bis man das Grab für den Nachfolger errichtet haben würde. Dann trat der große Rath „Lukicho“ zusammen, um aus den Söhnen Sunas einen neuen Herrscher zu wählen; die Wahl fiel auf einen gutmüthigen mildäugigen Jüngling: der sanfte Mtesa wurde Kabaka von Uganda. Indessen, der Jüngling gebrauchte die Macht, die ihm gegeben wurde, in grausamer Weise. Er ließ nicht nur seine Brüder morden, damit ihm niemand seine neue Würde streitig machen könnte – das wäre nach afrikanischer Anschauung nichts gar so Frevelhaftes gewesen und war althergebracht in Uganda – sondern er ließ auch diejenigen hinrichten, welche ihn auf den Thron gehoben hatten. Er war eine jener selbstischen und ehrgeizigen Naturen, welchen die Empfindung des Dankes fremd oder lästig ist, und erklärte rundweg, er wolle keinen Unterthanen um sich haben, dem er wegen irgend etwas sich verpflichtet fühlen müßte.

Im Jahre 1862 betraten die ersten Europäer, Speke und Grant, den Boden Ugandas, wo der junge Mtesa seine Herrschaft in blindem Wüthen mißbrauchte; als ihm z. B. eine seiner Frauen auf einem Spaziergange eine frisch gepflückte Frucht überreichte, übergab er die Aermste für diese „Frechheit“ den „Herren vom Stricke“. Mit der Zeit wurde Mtesa ernster. Die Einflüsse, die von außen nach Uganda kamen, gaben seinem von Natur aus hellen Geist eine andere Richtung. Ein arabischer Sklavenhändler Muley bin Salim ließ sich in seiner Residenz nieder, und Mtesa lernte viel von ihm: er gestaltete seinen Hofhalt nach arabischem Muster um, so daß die Araber meinten, er habe den Glauben des Propheten angenommen. Einige Jahre später erschien Stanley[WS 1] im Lande; Mtesa führte mit ihm gern religiöse Gespräche, erlaubte, daß in Uganda eine christliche Kirche errichtet wurde, und öffnete später sein Reich den Missionaren. Stanley glaubte, Mtesa zum Christenthum bekehrt zu haben – aber er irrte sich ebenso wie vorher die Araber. Der König blieb dem Aberglauben seiner Ahnen treu, weil dieser ihm am bequemsten war. Nicht die Religion, nur die Bildung Mtesas machte Fortschritte; er eignete sich das Kisuahili an, die Verkehrssprache Ost-Afrikas, er lernte von den Arabern schreiben, und seine Minister folgten seinem Beispiel. Er sah auch gern Weiße in seinem Lande, nicht nur wegen der Geschenke, die sie ihm brachten, sondern weil er wohl merkte, daß seine Waganda von ihnen viel Nützliches absehen konnten. So öffnete er wunderbarerweise dem Islam und dem Christenthum, den Katholiken und den Protestanten die Thore. Freilich, er duldete die Fremden nur, denn er hielt sich nach wie vor für den mächtigsten Fürsten der Welt und gab diesem Selbstbewußtsein den deutlichsten Ausdruck, indem er von der Königin von England eine ihrer Töchter zur Frau verlangte.

Unter Mtesas Regierung stand Uganda auf der Höhe der Macht; die Einwohnerzahl betrug etwa 5 Millionen. Keiner der Nachbarn wagte einen Angriff, und Mtesa brauchte selbst Gordon-Pascha[WS 2] nicht zu fürchten; zuletzt verfügte er sogar über eine uniformierte Leibgarde und über einige tausend Flinten.

Trotzdem gährte es schon unter seiner Regierung in Uganda. Die Mohammedaner hatten einen starken Anhang unter den Waganda, und ebenso fand das Christenthum unter den fleißigen Mkopi lebhaften Anklang. Nach Mtesas Tode sollte diese Gährung stürmisch werden und Uganda in eine Reihe von Bürgerkriegen verwickeln. Mtesa starb im Jahre 1884. Zu seinem Nachfolger wurde sein Sohn Muanga gewählt, scheinbar ein gutmüthiger Bursche, wie einst sein Vater; allein gleich diesem wüthete auch er in roher

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 623. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_623.jpg&oldid=- (Version vom 28.9.2023)