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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)


  Am hohen Mittag.
Er breitet seine vollsten Schwingen,
So hat die Sonne es gewollt,
Ihn freut, wie seine Adler dringen
Durch des erwärmten Aethers Gold.

Man fühlt des Lebens Quellen fließen
So nahe und so himmelweit,
Man hört die Stunden leise gießen
Die Tropfen in das Meer der Zeit:

Es fluthet wie für Ewigkeiten
Dahin, was der erfüllte Tag
Bis an der Ufer fernste Weiten
Verströmen und umfassen mag.

Des Weges aber zieht ein Wandrer,
Die Stirn mit Wunderlicht umsäumt,
Der, schon in dieser Welt ein andrer,
Von einer neuen Erde träumt.

  Gute Nacht.
Die letzten Sonnenstreifen schweben
An meiner Hütte gleitend ab,
So sinkt ein Tag, so sinkt ein Leben
und alles, was die Sonne gab.

O wärt ihr theuren festzuhalten,
Doch eure Neige schon zerfloß,
Gewohnte süße Lichtgestalten,
Wie sich das liebste Auge schloß.

Nun schwandet ihr, es ist geschehen,
Und wie der letzte Dämmer schied,
So wirst du selber niedergehen,
Du meine Seele, du mein Lied.


Mein Hans. So sehr sich der wilde Fischotter durch große Scheu und Mordlust und im Nothfall durch todesverachtende Tapferkeit auszeichnet, so bietet doch dasselbe Thier ein ganz anderes Bild, wenn es an die Berührung mit dem Menschen gewöhnt ist. Acht Wochen säugt die Mama Fischotter ihre 3 bis 4 Jungen, um sie dann ins Wasser zu führen und in den Künsten des Schwimmens und Raubens zu unterrichten, und sind sie erst damit bekannt, dann allerdings ist es vergeblich, sie zähmen zu wollen. Hat man dagegen Gelegenheit, ein ganz junges Exemplar zu erhalten, so belohnt sich die Mühe und es giebt für die Abrichtung nicht leicht ein gescheiteres und dankbareres Thier.

An den romantischen Ufern der Schlei, jenes tief eingeschnittenen Meerbusens an der Ostküste von Schleswig-Holstein, kommt der Fischotter besonders häufig vor, dort war auch die Geburtsstätte meines „Hans“.

Unter einer sogen. „Schleppstelle“, einer aus Bohlen hergestellten[WS 1] schiefen Ebene, die dazu dient, Boote ins Wasser zu lassen oder aufs Land zu ziehen, hatte ein Fischotterweibchen sein Wochenbett hergerichtet und bezogen, unmittelbar am Hafen mit seinem lärmenden Treiben. Einige Knaben hatten, aufmerksam gemacht durch die Laute der Jungen und in der Meinung, es seien Ratten, eine Bohle losgebrochen, um zu dem Nest zu gelangen. Als die Alte die Gefahr merkte, sprang sie mit einem Jungen im Maul ins Wasser. So blieben nur noch zwei Sprößlinge im Lager zurück, die mir zugetragen wurden. Ich brachte sie auf dem Boden in einer Kiste unter und ernährte sie mittels der Saugflasche, da das Gebiß mit Ausnahme der kleinen nadelscharfen Fangzähne noch vollständig fehlte. Leider ging das eine Exemplar nach wenig Tagen ein, während Hänschen mit Wollust saugte. Schon nach vier bis fünf Tagen hörte er auf seinen Namen, folgte mir in Haus und Garten auf dem Fuße nach, ja, als er an einem Morgen sehr früh die Treppe herunterpurzelte, fand er schon ganz allein durch mehrere Zimmer den Weg zu meinem Bett. Aus dem Hänschen ist nun ein Hans geworden von 105 Centimetern Länge, allein seine Anhänglichkeit und Gutmüthigkeit ist die gleiche geblieben. Als er zu groß für die Flasche wurde, nährte er sich von Zwieback, der in Milch eingeweicht wurde und den er sehr artig von einem Theelöffel nehmen lernte, während er früher das Maul in die Schale gesenkt und nach jedem Bissen die am Bart hängenden Reste durch Schütteln entfernt hatte. Jetzt frißt er alles, natürlich Fische und Fleisch mit Vorliebe, und zwar in jedem Zustande, roh oder zubereitet. Immerhin ist sein Geschmack etwas wählerisch. In erster Linie sagen ihm Aale zu, dann folgen Häringe, Butten und Dorsche, doch kehrt er sich von den größten Leckerbissen ab, wenn er schon durch andere Nahrung gesättigt ist.

Mein Hans.

Das ganze Wesen von Hans ist äußerst merkwürdig und in jedem Augenblick fesselnd. Er geht mit mir spazieren, selbst an die Schlei, ohne einen Fluchtversuch zu machen, ja als er eines Tages zufällig hineinfiel, sprang er so schnell wieder ans Land, als hätte er sich verbrannt, was mir um so auffallender war, als er täglich mit großem Behagen in einem Kübel sein Bad nimmt. Denn reinlich ist er im höchsten Grade und nie schmutzt er das Zimmer.

Bewundernswerth ist es, wie er seine Füße gebraucht. Das sind keine Werkzeuge nur zur Fortbewegung, es sind zugleich vier Hände, vollständig zum Greifen befähigt. Er schwimmt, er läuft, bald trottend wie ein kleiner Bär, bald in langen Sätzen wie der flüchtigste Hase, er folgt mir wie die flinkste Katze eine steile Leiter hinauf und spielt, auf dem Rücken liegend, wie ein Jongleur mit einer Glaskugel, indem er sie abwechselnd mit den Vorder- und Hinterfüßen blitzschnell erfaßt. Selbst fressen kann er in dieser Lage, er hält dabei die Nahrung mit den Vorderfüßen und beißt gemüthlich davon ab. Mit gleicher Eleganz und Leichtigkeit, nicht ruckweise wie etwa ein Hund, richtet er sich auf den Hinterfüßen auf, um Umschau zu halten und zu „sichern“. Ist er des Spielens müde, so kommt er zu mir; mit leise kicherndem Ton legt er seine Vorderpfoten auf mein Knie und sieht mich treuherzig und bittend an. Auf mein „Hopp Hans!“ springt er dann auf meinen Schoß und legt sich nieder, ohne sich zu regen. Wo er sich auch aufhält, im Garten oder im Haus ― ein leiser Ruf genügt, ihn zu mir zu locken. Ebensowenig scheu ist er gegen andere Menschen, die er schon einmal gesehen hat, er fühlt sich vielmehr so wohl in menschlicher Gesellschaft, daß es abends immer einer gewissen Ueberredung bedarf, ihn in sein Nachtquartier zu bringen.

Sein Verhältniß zu anderen Haustieren ist verschieden. Gegen Katzen hat er eine ausgesprochene Abneigung, seit ihm eine solche, als er mit ihr spielen wollte, einen Tatzenschlag gab; auch ergreifen sie sofort vor ihm die Flucht. An Haushühnern kann er ruhig vorübergehen, so lange sie nicht flattern; ihrerseits betrachten sie ihn immer sehr mißtrauisch, und ich möchte beide nicht gern ganz ohne Aufsicht zusammentreffen lassen. Verschieden benimmt er sich gegen Hunde. Neugierig geht er geradeswegs auf den fremden Hund los, in friedlicher Absicht; ist jener vernünftig genug, das zu verstehen und sich mit ihm einzulassen, dann gut. Zeigt er aber nur im geringsten eine feindliche Miene, pustet oder faucht ihm Hans ins Gesicht, und ich habe hier noch keinen Hund gesehen, der dann nicht schleunigst den Schwanz eingezogen hätte und ausgekniffen wäre. Seit März habe ich ihm einen Dachshund zum Gespielen gegeben. Anfangs ließ sich der Verkehr der beiden recht übel an, nach wenigen Tagen aber hatte ich sie überzeugt, daß sie sich recht wohl vertragen könnten, und nun ist die Freundschaft wirklich innig und unzertrennlich. Der eine ladet den andern förmlich zum Spielen ein, und dann geht das Necken und Ueberkugeln los. So ist Hans der Liebling des ganzen Hauses und durch sein possierliches Wesen ein Gegenstand der Aufmerksamkeit für alle geworden, welche ihn kennenlernen. O. Haserick.     




Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

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Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: hergegestellten
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 740. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_740.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)