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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

„Aber mit tausend Freuden! Was willst Du – alte Gobelins, Rüstungen, Teppiche, Metall, Gläser?“

„Alles!“ sagte Andree kurz.

„So? Also alles!“ Hilt lachte abgebrochen und kniff die Augen ein. „Ich dachte, Du wolltest nur für kurze Zeit hier in Hamburg bleiben, da ist doch so ’ne kostbare Ateliereinrichtung die heilloseste Verschwendung!“ Der kleine Mann blinzelte vor sich hin wie ein Spürhund, der eine Fährte wittert.

„Ich kann ja alles hinterher verkaufen, wenn ich hier meine Zelte abbreche!“ warf Andree so harmlos wie möglich hin.

„Gewiß kannst Du das! Aber für’n Butterbrot! Bedenk’ den seligen Rembrandt, was der für ein Lumpengeld für seine wunderbaren Alterthümer bekommen hat! Aber wie Du willst! S’ ist ja Dein Geld und nicht meines – ein Jammer übrigens! Wär’ ich Du, ich wüßte was anderes mit meinem Vermögen anzufangen, als es in Augenblendwerk und hübsche Spielereien zu stecken. Gar kein Talent in Dir, das Leben zu genießen! Na, aber komm, helfen will und kann ich Dir! Hoffentlich hast Du Dir die Taschen gehörig voll Geld gesteckt?“

„Ja, ich denke, es wird reichen! Wenn nicht, giebt man mir schon Kredit!“

„Und nachher gehen wir zur Belohnung zu Pfordte, nicht wahr?“

„Meinetwegen!“

Mochte Hilt als Mensch unangenehm sein – bei praktischen Dingen war er gut zu brauchen, das erfuhr Andree jetzt von neuem. Die Einkäufe wickelten sich rasch und glatt ab. Andree wußte auch recht gut, was schön und echt war, aber Hilt verstand zu feilschen, und das konnte er selbst nicht. Der kleine Maler verbot ihm gleich zu Anfang den Mund und führte die Unterhandlungen allein – er sah Andree nach den Augen, ob ihm das betreffende Stück gefiel, und sobald er das festgestellt hatte, that er, als sei er selbst der Käufer und als handle es sich um seine eigene Börse. Dabei kam Andree gut weg, sie erstanden für verhältnißmäßig günstige Preise eine ganze Menge hübscher, malerischer Dinge und saßen dann noch ein paar Stunden, eifrig plaudernd und exquisit essend und trinkend, bei Pfordte zusammen – das heißt, Hilt plauderte, und Andree warf nur selten ein Wort in all die Berliner und Hamburger Skandalgeschichten und Liebesabenteuer, die der kleine Schwätzer ihm unermüdlich vortrug. –

Als Andree gegen Mitternacht heimkam, sagte er sich selbst, daß er den Abend nach seiner Verlobung anders und würdiger zuzubringen gehofft hatte. Warum denn hatte er es nicht gethan? Er war ja Herr seiner Handlungen. Gewöhnt, sich jederzeit ehrlich Rechenschaft zu geben, sagte er sich, daß er seinen Gedanken hatte aus dem Wege gehen wollen und daß ihm dazu so ziemlich jedes Mittel gut genug gewesen war.

Am nächsten Tage kamen alle bestellten Sachen an, und er hatte sich tüchtig zu tummeln, sie sammt und sonders an richtiger Stelle unterzubringen. Hilt hatte ihm seine Hilfe angeboten, war aber abschlägig beschieden worden. Andree wünschte nicht, daß er die „Eos“ sehen sollte.

Gegen drei Uhr machte er sich dann auf den Weg, wählte einen kostbaren Ring aus mit wundervollem Opal, der von kleinen äußerst fein geschliffenen Diamanten umgeben war, und befand sich etwas vor vier Uhr in dem Hause auf dem Alsterdamm.

Zu seiner mehr als unliebsamen Ueberraschung fand er noch mehrere Mittagsgäste vor – den Ritter von Tillenbach nebst seinem Herrn Sohn, den jungen Leskow und einen ältlichen Bankier Fischer, den er noch nie gesehen hatte. Stella, die ihm im Vorzimmer entgegengekommen war, hatte ihm zugeflüstert, die Eltern hätten dies bestimmt, ihnen sei der Gedanke gekommen, Andree als einziger Mittagsgast am heutigen Tage hätte den Leuten sehr viel zu denken geben können und allerlei naheliegende Mutmaßungen gestattet. Das müsse man natürlich um jeden Preis vermeiden – und nun solle er um Gotteswillen kein so bitterböses Gesicht machen – sie sei ja doch selbst ebenso unglücklich über diese Störung wie er!

Wenn sie das war, dann konnte sie sich meisterhaft beherrschen! Andrees finsterer Blick maß immer wieder mit peinlichem Staunen das strahlend schöne und strahlend heitere Geschöpf, das mit Kuno scherzte und sich mit dem Bankier Fischer, einem jovialen Herrn, der gern Witze machte, lustig neckte. Ihm war unsäglich traurig und enttäuscht zu Muthe. Gewiß, so würde das nun immer sein, er würde sich jedesmal fügen müssen und sie nie für sich allein haben … nie!

Er fühlte in seiner Brusttasche das Etui mit dem Ring, und ein bitteres Lächeln verzog seine Lippen – er würde wohl gar keinen unbewachten Augenblick finden, ihr denselben zu geben! Fand Stella doch kaum Zeit, ihm bei Tisch einen flüchtigen Dank für seine „köstlichen Blumen“ ins Ohr zu sagen. Sie deutete dabei mit dem Blick auf zwei wunderschöne Rosen, die sie an ihrem Gürtel befestigt hatte. Andree nickte dazu, aber sein Gesicht wollte sich nicht aufhellen.

Sie sah, wie unglücklich er war, und er that ihr leid. Eigentlich hatte sie ihn doch sehr gern! Sie mußte versuchen, ihn nach Tisch für die Qualen, die er jetzt litt, einigermaßen zu entschädigen, sie konnte das schon so einrichten! Ein Gutes wenigstens hatte dies Diner – von den geladenen Gästen hatte niemand auch nur eine Ahnung von dem wahren Sachverhalt. Daß man in diesem wortkargen, verstimmten Herrn etwa den heimlichen Verlobten der glänzenden Stella Brühl zu suchen habe, das fiel keinem auch nur eine Sekunde ein.

„Mir ist dieser Maler Andree als ein liebenswürdiger Mensch geschildert worden,“ sagte Bankier Fischer nach aufgehobener Tafel zu Brühl, „aber ich kann das nicht unterschreiben; er hat ja kaum von seinem Teller in die Höhe gesehen und kaum ein Wort gesprochen. Er hat wohl Künstlerlaunen – wie?“ Papa Brühl, dem diese Annahme sehr bequem lag, nickte bestätigend. „Das ist aber schade, Freundchen!“ fuhr der behäbige Herr fort. „Ich seh’ es eigentlich nicht ein, warum ein Künstler nothwendig Launen haben muß, bloß weil er Farben reibt oder Marmor punktiert, ebenso wie unsereins die Kurse studiert und den Geldmarkt absucht! Und wenn er denn durchaus mal schlecht gelaunt sein muß – ja, warum bleibt er dann in Teufels Namen nicht zu Hause in seinen vier Pfählen, anstatt hier andere Leute mit solch’ einer Grabesmiene anzusäuern?“ –

Als der Kaffee gereicht wurde, brachte Stella, die viel von ihren Reisen zu erzählen wußte, das Gespräch auf allerlei hübsche Sachen, die sie sich unterwegs gekauft, unter anderem auf ein kleines Marinebildchen, von dem sie so entzückt gewesen sei, daß Papa es ihr habe schenken müssen. Sie wisse trotz des hohen Preises nicht, ob es etwas wirklich Werthvolles sei – ob Andree so gut sein wolle, es sich anzusehen und seine Meinung darüber abzugeben?

Kuno wollte sich den beiden anschließen, aber Stella wehrte ihn neckisch ab.

„Guter Kuno, was wollen Sie denn bei Bildern? Sie meinen doch nicht etwa, davon etwas zu verstehen? Nehmen Sie mir’s nicht übel, wenn ich auf Ihr Urtheil über solche Dinge kein Gewicht lege! Sie brauchen darum keine so trübselige Miene aufzusetzen! Nicht wahr?“ nickte sie ihm lächelnd zu und nahm Andrees Arm. „Auf Wiedersehen also, Kuno!“

Die beiden durchschritten stumm die beiden nächsten Zimmer, und erst im dritten machte Stella Halt. Sie ließ es gar nicht dazu kommen, daß Andree ihr Vorwürfe machte. Sie hob sich auf die Fußspitzen empor, umstrickte seinen Hals mit ihren weichen Armen und zog sein Haupt zu sich nieder.

Er gefiel ihr ja wirklich ausnehmend gut, und sie empfand es mit wahrem Jammer, wie schade es sei, daß sich die Persönlichkeit Andrees mit dem Rang und der Stellung des Prinzen nicht in eins zusammenschmelzen ließ – wie herrlich wäre das gewesen, und mit welcher Freudigkeit hätte sie einen solchen Mann geheirathet! Es war alles so unvollkommen im Leben!

Sie schmeichelte, sie bat, sie setzte ihre Gründe für die Anwesenheit dieser fremden Gäste noch einmal auseinander. Und sowie Andree die Lippen zu einer Frage oder Klage öffnen wollte, verschloß sie ihm dieselben mit einem Kuß. Er wäre kein Mann mit heißem Künstlerblut in den Adern, er wäre kein Verliebter gewesen, wenn ihm dies Verfahren nicht die Besinnung geraubt hätte! Er gab alles auf – berauscht von seinem Glück preßte er das schöne Mädchen an sein glühendes Herz.

Nun holte er doch den Ring aus der Brusttasche hervor und steckte ihn ihr an den Finger. Wie sie ihm dankte und sich freute – sie, das verwöhnte, mit Kostbarkeiten aller Art überschüttete Prinzeßchen! Und sie brauchte ihre Freude und ihre Zärtlichkeit nicht zu heucheln, sie kamen ihr in diesem heimlichen glücklichen Zusammensein wirklich von Herzen, nur

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 858. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_858.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)