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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Halbheft 17.   1892.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Jahrgang 1892. Erscheint in Halbheften à 25 Pf. alle 12–14 Tage, in Heften à 50 Pf. alle 3–4 Wochen vom 1. Januar bis 31. Dezember.



Ketten.
Roman von Anton v. Perfall.
(2. Fortsetzung.)


Hans faßte neue Hoffnung, der widerliche Mann neben ihm gehörte nicht zu des Vaters Freunden und fühlte sich nicht wohl in der „Fackel“, das war ein gutes Zeichen. Er war noch zu unerfahren, um in die wirren Reden seines Führers den rechten Sinn zu bringen, aber er begriff in dieser Umgebung instinktiv, welchem Lose er durch Herrn Berry entrissen worden war – nein, durch Claire, nur durch sie. Und inmitten der häßlichen Eindrücke ringsum füllte sich seine Seele wieder ganz mit ihrem Bilde.

Da stand er vor der „Fackel“. Lärmende Stimmen drangen heraus. Vorsichtig blickte er durch die Spalten der rothen Vorhänge. An einem runden Tische saßen Männer in Arbeitskleidern hinter Schnaps und Bier, an einem anderen einige Weiber, Mörtelträgerinnen mit weißen Kopftüchern, Kanalarbeiterinnen in Männerjoppen und plumpen Stiefeln, mit gemeinen harten Gesichtern dem erregten Gespräch der Männer lauschend. Den Vater konnte er nicht sehen. So scheute er sich doppelt, einzutreten, lieber wollte er warten; gewiß war der Vater noch nicht von der Arbeit gekommen. Leute mit wenig Vertrauen erweckenden Gesichtern gingen an ihm vorbei und blickten erstaunt auf den jungen Mann, der für diesen Ort auffallend gut gekleidet war. Vom „Jörgl“ herüber tönte noch immer das verstimmte Klavier und grelles Lachen. Da näherte sich von der Höhe her eine einzelne Gestalt, ein Helm blitzte im Laternenschein – ein Schutzmann!

Plötzliche Furcht beschlich den Wartenden – wenn man ihn fragte, was er hier wolle! Aengstlich wie ein Dieb huschte er in das Lokal und setzte sich, ohne sich umzusehen, in die nächste Ecke; niemand von den Gästen achtete auf ihn.

Eine ältere Frau, wohl die Wirthin, fragte mit forschendem Blicke auf die hier ungewohnte Erscheinung nach seinem Begehr.

Der „Schwarze Jakob“ wollte ihm nicht über die Lippen. In dieser Umgebung kam ihm der Name noch unheilverkündender, düsterer vor. Schüchtern bestellte er ein Glas Bier und sah sich dann vorsichtig in der Stube um.

Die Männer am runden Tische gehörten ihrem Aeußeren nach verschiedenen Berufsarten an. Zwei in arg mitgenommener, aber sonntäglicher Kleidung führten das Wort. Das Gespräch drehte sich um die Arbeitsverhältnisse – die beiden hatten „die Plackerei nun einmal satt“ und wollten es eine Woche so probieren. Wenn alle ebenso denken und handeln würden, meinten sie, dann wäre die Sache bald anders. Die Arbeiter der ganzen Welt einmal eine Woche feiernd – und es sollte allen ein Licht aufgehen, was der Arbeiter eigentlich sei – allmächtig, wenn er wolle! „Aber am Zusammenhalten fehlt’s, das verstehen die anderen, von denen muß man lernen! Zum Henker mit dem bloßen Geschrei der Maulhelden in den Versammlungen! Einfach Millionen Hände in die Hosentaschen und einmal ruhig zugeschaut, wie’s dann weitergeht, wenn auch mit bellendem Magen!“

Das Senefelder-Denkmal für Berlin.
Entworfen und in Marmor ausgeführt von R. Pohle.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 517. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_517.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2022)