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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Mittel, gegen ein Handgeld von 200 Gulden als Stellvertreter für einen anderen beim Militär einzutreten — man nahm ihn nicht zum Dienste an, weil er ein geborener Ausländer war.

Um diese Zeit (1796) erregte ein schlechter Notendruck seine Aufmerksamkeit; wie wäre es, wenn er sein Verfahren zunächst zum Drucke von Musikalien verwerthete? Er zweifelte nicht, daß er mit seinem Steindruck den bisher üblichen Letternsatz an Schönheit und den Kupferstich an Billigkeit übertreffen würde. Vielleicht war es möglich, einen Musikalienverleger für seine Erfindung zu erwärmen und von ihm die nöthige Geldunterstützung zu erhalten. Er wollte mindestens den Versuch wagen und machte sich auf den Weg, um mit dem Musikalienverleger Falter in München Rücksprache zu nehmen. Als er jedoch an dessen Thür stand, verließ ihn der Muth, unentschlossen kehrte er wieder um und schlich schüchtern nach Hause.

Auf dem Rückweg erfuhr er durch einen bekannten Musiker, daß der Hofmusikus Gleißner beabsichtige, einige Kirchenmusikstücke drucken zu lassen. Da Senefelder mit Gleißner von früher her bekannt war, so stattete er diesem einen Besuch ab und suchte ihn für sein Unternehmen zu gewinnen.

Gleißner sowohl wie seine kluge, unternehmende Frau waren durch einige Proben bald von dem Werthe und der Tragweite der Erfindung überzeugt. Sie wurden Senefelders treue Berather, Mitarbeiter und Geschäftstheilhaber, und ihr Schicksal blieb fortan innig mit dem seinigen verflochten. Gleißner, obgleich selbst in bescheidenen Verhältnissen, brachte die Mittel zur Einrichtung einer kleinen Druckerei auf, eine rohe Holzpresse hatte Senefelders Mutter bereits für 6 Gulden von einem Zimmermann herstellen lassen, und so konnte der Druck der Gleißnerschen Kompositionen beginnen. Das geschah mit solchem Glücke, daß die drei Unternehmer in vierzehn Tagen einen Reingewinn von 70 Gulden erzielten — das erste, mit der Steindruckerei verdiente Geld! Ferner sendete der Kurfürst Karl Theodor für einen ihm überreichten Abdruck 100 Gulden und stellte die Ertheilung eines Privilegiums in Aussicht. Kurz darauf brachte der Druck von „Duetten für zwei Flöten“ weitere 40 Gulden Reingewinn und außerdem ging eine Druckbestellung von der Gräfin Herting in der Höhe von 150 Gulden ein.

Senefelder schwelgte im Glücke, seine Zuversicht wuchs, er wagte es, der Akademie der Wissenschaften eine Probe zur Begutachtung einzureichen, wobei er zugleich bemerkte, daß dieselbe auf einer Presse gedruckt sei, welche nur 6 Gulden herzustellen gekostet habe. Der Erfolg war ein ungeahnter: die gelehrte Körperschaft schickte ihm 12 Gulden und den Bescheid, „daß man wohlgefällig über seine Erfindung votiert und ihm beifolgende Ehrengabe von 12 Gulden bewilligt habe, mit welcher er, als dem doppelten Betrag seiner Auslagen, wohl zufrieden sein werde.“

Eine noch größere Enttäuschung als diese wegwerfende Behandlung durch die Akademie der Wissenschaften mußte der bisher so glückliche Erfinder bei dem Baue einer neuen, kostspieligeren Druckpresse erleben. Als diese Presse, an die er große Hoffnungen geknüpft hatte, fertig war, zeigte es sich, daß sie zum Steindruck nicht geeignet und ganz unbrauchbar war. Der Schlag traf ihn um so härter, da er die alte Presse vernichtet hatte und sich so in der peinlichen Lage befand, die Bestellung der Gräfin Herting nicht rechtzeitig ausführen zu können. In seiner qualvollen Angst und Aufregung gelang es ihm nicht, den Fehler an der Presse zu entdecken, viel Papier wurde verdorben, der Druckauftrag endlich zurückgezogen und das Ende vom Liede war — ein Verlust von 150 Gulden und der Spott mißgünstiger Nebenmenschen!

Die drei Gesellschafter waren in einer wirklich üblen Lage. Senefelder besaß gar nichts mehr; auch Gleißner hatte sein Besitzthum allmählich zu Geld gemacht und obendrein noch eine beträchtliche Schuldenlast übernommen, die zu tilgen ihm bei einem jährlichen Gehalt von 300 Gulden nicht wohl möglich war. In dieser Noth griff der Musikalienhändler Falter ein. Er bewilligte die Mittel zum Baue einer neuen, sorgfältig ausgearbeiteten Walzenpresse und ließ seine Verlagswerke von Senefelder drucken. Lange blieb dem Erfinder indessen das Glück auch jetzt nicht hold; sein treuer Mitarbeiter Gleißner erkrankte gefährlich, er benöthigte der Pflege seiner Frau und Senefelder sah sich plötzlich der werthvollen, für ihn fast unsersetzlichen Hilfe seiner Gesellschafter beraubt. Da ihn selbst die Herstellung der Platten vollständig in Anspruch nahm, so war er gezwungen, den Druck durch Falters Leute ausführen zu lassen, die er in der Eile angelernt hatte. Diesen mangelte jedoch die tiefere Kenntniß der Technik, sie verdarben unmäßig viel Papier, und Falter zog es daher vor, seine Noten wieder in Kupfer stechen zu lassen.

War so die Krankheit Gleißners für Senefelder die Quelle großer Sorgen, so gab sie doch auf der anderen Seite den Anstoß zu neuen, noch wichtigeren Erfindungen, als die bereits gemachte es war. Gleißner hatte bisher die Noten verkehrt mit Bleistift auf den Stein vorgeschrieben und Senefelder, welcher im Verkehrtschreiben nicht gleich geübt war, hatte sie mit chemischer Tinte überzeichnet. Während Gleißners Krankheit nun war Senefelder gezwungen, die Spiegelschrift der Noten selbst auszuführen, und da ihm dies äußerst beschwerlich war, so suchte er ein Mittel zur Erleichterung. Er sann, probierte — und erfand schließlich eine chemische „Umdrucktinte“, mit welcher die Schrift in gewöhnlicher Weise auf Papier geschrieben und von diesem verkehrt auf den Stein „umgedruckt“ werden konnte.

Während dieser Versuche, die er mit den verschiedensten Stoffen vornahm und unermüdlich Monate hindurch fortsetzte, wurde er darauf aufmerksam, daß seine fetthaltige Steintinte alle Nässe, besonders aber dünne Gummilösung, von sich abstieß, wogegen sie die fettige Druckfarbe leicht annahm. Die fettige Druckfarbe aber wurde wieder von der Nässe abgestoßen, setzte sich also bei einem Stücke Papier, welches mit Steintinte beschrieben und hierauf mit dünner Gummilösung überstrichen war, nur auf der Steintinte fest und ließ sich von da leicht auf ein anderes Papier überdrucken. Diese Wahrnehmung führte Senefelder endlich zu seiner größten Erfindung, zur eigentlichen Lithographie oder chemischen Druckkunst. Er folgerte, daß sich eine Solnhofener Steinplatte, mit fettiger Tinte beschrieben, ebenso verhalten würde wie ein Stück Papier, und schon die erste Probe überzeugte ihn von der Richtigkeit seiner Voraussetzung. Alsbald machte er sich an den chemischen Notendruck. Auf einen reingeschliffenen Stein schrieb er mit seiner fetten Tinte Noten, behandelte den Stein leicht mit Aetze und befeuchtete ihn hierauf mit Gummiwasser; als er dann Druckfarbe über den feuchten Stein rieb, blieb diese auf den fetten Noten haften, wurde dagegen vom Steine nicht angenommen, so daß also nur die Noten eingeschwärzt wurden. Nun legte er ein Stück Papier auf den Stein, zog beides durch die Presse und fand zu seiner Freude, daß sich die Noten rein und scharf bis auf die zartesten Striche abdruckten.

Die Proben, welche Senefelder nunmehr mit seiner Kunst lieferte, waren von einer Vollkommenheit, die keinen Zweifel über den Werth der Erfindung mehr übrig lassen konnte; es gingen denn auch soviel Aufträge ein, daß Senefelder mit dem wieder arbeitsfähigen Gleißner bereits daran denken mußte, die Druckerei zu vergrößern. Senefelder lernte auch zwei seiner Brüder an und führte sie in sein ganzes Geheimniß ein, wofür ihm später diese Brüder mit schnödem Undank lohnten. Außerdem beschäftigte er noch einige Lehrlinge und machte bald recht gute und umfangreiche Geschäfte, so daß sich seine und seines treuen Gleißners Lage erheblich besserte. Im Jahre 1799 wurde ihnen endlich auch das Privilegium zur alleinigen Ausbeutung der Erfindung in Bayern auf fünfzehn Jahre verliehen, allerdings, wie sich später zeigte, nur dem Buchstaben nach, nicht als wirklich kräftiger Schutz.

So hätte nun Senefelder aus seiner Erfindung unabsehbar Nutzen ziehen können, wenn er es verstanden hätte, überall seinen Vortheil zu wahren. Aber eine Natur wie die seinige eignete sich hierzu nicht. So groß er als Erfinder war, so ungeschickt war er in kaufmännischen Dingen und in Geldsachen. Dem genialen Manne war der Eigennutz völlig fremd, ihm war es aber auch undenkbar, daß Hinterlist und Selbstsucht die Handlungen anderer leiten könnten, er brachte jedem unbeschränktes Vertrauen und treuherzige, ehrliche Offenheit entgegen.

Senefelders Druckverfahren erregte natürlich schon nach kurzer Zeit die Aufmerksamkeit weiter Kreise. So hatte auch der Offenbacher Musikalienverleger André davon gehört, und als er gelegentlich durch München reiste, erkundigte er sich bei Falter über die Erfindung und ließ sich, ohne seinen Stand zu nennen in die Senefeldersche Druckerei führen. Als er dort die Einfachheit des Verfahrens, die Schnelligkeit des Druckens und die Vollkommenheit der Arbeit sah, erkannte er sogleich den großen Werth der Erfindung, und, indem er sich zu erkennen gab, machte

er Senefelder das Anerbieten, ihm gegen eine Entschädigung von

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