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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Birkhuhn, Haselhuhn, Schneehuhn, Fasan; von zahmem Geflügel: Huhn, Taube, Truthahn; von Fischen: Karpfen, Hecht, Forelle.

Das Fleisch, welches am häufigsten auf unserem Tische erscheint, stammt vom Rinde. Ein leicht verdauliches und nahrhaftes Rindfleisch nun muß von gut ausgemästeten Ochsen genommen werden, welche sich im Alter von vier bis fünf Jahren befanden; es darf nicht zu frisch für die Küche verwendet werden, soll vielmehr mindestens 12 bis 24 Stunden nach dem Schlachten gelegen haben. Erst dann ist es recht saftig und mürbe. Beim Kochen des Fleisches wird ein wesentlicher Theil seiner in Wasser löslichen Stoffe ausgelaugt und in der Brühe gelöst zurückgehalten. Um die Fleischbrühe recht reich an solchen Bestandtheilen zu machen, wird das Fleisch am besten in kleine Stücke zerschnitten, mit kaltem Wasser angesetzt, allmählich erhitzt und dann ausgepreßt. So bekommt man eine schmackhafte Bouillon; allerdings ist ihr Nährwerth dann noch immer kein großer, denn sie enthält nur kleine Mengen Leim, etwas Fett, unerhebliche Mengen Eiweiß, sowie einen Theil der Salze des Fleisches. Und dieser geringe Gehalt an wirklichen Nährstoffen ist der Grund, warum jetzt die Fleischbrühe ziemlich verächtlich behandelt wird und das Suppenessen sogar aus der Mode kommt. Mit Unrecht! Streichet nicht den „Suppenkaspar“ aus den Vorstellungen der Kinder und verbannet nicht die Fleischbrühe von eurer Tafel! Die kräftigende Diät bedarf der Fleischbrühe sehr wesentlich, denn sie ist ein mildes und leicht zu verdauendes Reizmittel für die Verdauungswerkzeuge, welches diese am besten auf die gröbere Aufgabe des Fleischverarbeitens vorbereitet. Eine gute Köchin versteht es übrigens, die Brühe nicht nur schmackhaft, sondern auch durch Zusatz von Eiern, Reis, Gerste, geriebenem Teige etc. nahrhaft zu machen.

Gebratenes Fleisch enthält den größten Theil der Eiweißstoffe, während ein Theil des Wassers, der Salze, des Leimes und Fettes beim Braten in die Sauce übergehen. Dieser Verlust wird am geringsten sein, wenn anfangs hohe, später mäßige Hitze zur Anwendung kommt. Die Spieß- und Rostbraten sind gewöhnlich saftiger und leichter verdaulich als die Pfannenbraten. Bei der Zubereitung am Feuer entwickeln sich außerdem in dem Fleische wohlschmeckende und wohlriechende Substanzen, deren die Eßlust anregende Wirkung noch durch verschiedene Gewürze und Zuthaten erhöht werden kann.

Wenn die Verdauungsorgane geschwächt sind, so ist es zweckmäßig, ihnen einen Theil ihrer Arbeit dadurch abzunehmen, daß dem Magen erspart wird, die Zertrümmerung des Gefüges der Speisen selbst vornehmen zu müssen. Dies geschieht, indem man das Fleisch fein zerhackt oder schabt und dann erst in Form von Kuchen mit Butter brät. Da rohes Fleisch schneller verdaut wird als gekochtes oder gebratenes, so sind englisch zubereitete halbrohc Beefsteaks von zartfaserigem mürben Fleische von hohem Werthe, ebenso rohes, quer zur Faser zerschnittenes und dann noch zu einem feinen Gemengsel zerhacktes, mit Salz gewürztes Fleisch. Selbstverständlich muß man aber beim rohen Fleische ganz besonders darauf acht haben, daß es von gesunden Thieren stamme.

Dem Rindfleisch zunächst steht in Hinsicht auf seinen Werth für die kräftigende Diät das Kalbfleisch. Es soll von einem mindestens sechs Wochen alten Kalbe entnommen sein, und zwar namentlich von dem Brust- und dem Nierenstück. Das Fleisch vom Kalbe ist durchschnittlich wasserreicher, aber ärmer an Eiweiß und Fett als Rindfleisch, vor dem es größere Zartheit der Muskelfasern und dadurch leichtere Verdaulichkeit voraus hat. Hammelfleisch sagt infolge seines großen Fettgehaltes weder dem Geschmack noch dem Magen jedermanns zu, obgleich es ebenfalls zarte Fasern besitzt. In erhöhtem Maße trifft ebendasselbe auf das Schweinefleisch zu. Junges Rehwild ist ebenso nahrhaft als wohlschmeckend und verdaulich. Fischfleisch ist weniger reich an Nährstoffen als das Fleisch der Säugethiere, aber es bildet eine angenehme Abwechslung für die Speisefolge. Es sind dann die fettärmeren Arten wie Hecht, Flußbarsch, Seezunge zu wählen. Eingeweide wie Rinds- und Kalbleber sind schwer verdaulich, auch das Gehirn ist wegen seines großen Fettgehaltes für geschwächte Organe nicht immer geeignet; hingegen sind Kalbsbröschen, in Suppe gekocht, ein sehr empfehlenswerthes Gericht.

Dem Nährwerth des Fleisches kommen Eier und Milch am nächsten. Namentlich die Milch bietet für geschwächte Personen ein ebenso leicht verdauliches als für den Stoffersatz ausreichendes Nahrungsmittel. Sie deckt durch ihre Eiweißstoffe (Caseïn, Albumin) den Stickstoffbedarf des Organismus und durch die in ihr enthaltene Butter und den Milchzucker das Bedürfniß an Kohlehydraten; auch Salze, Erden und Eisen werden mit der Milch in einer hinreichenden Menge und in leicht löslicher Form zugeführt. In erster Linie steht die Kuhmilch, ihr folgt Ziegenmilch und Schafmilch. Die Eier der verschiedenen Vögel, von denen vorzugsweise die Eier des Haushuhnes in Betracht kommen, haben im wesentlichen die gleiche Zusammensetzung; sie bieten im Weißen einen verdaulichen Eiweißkörper (Eieralbumin) und im Eigelb außer stickstoffhaltigen Körpern viel Fett. Auch die Eier der Fische sind wegen ihres bedeutenden Gehalts an eiweißartigen Substanzen nahrhaft, ja manche sind im eingesalzenen Zustand (Kaviar) als appetitanregendes Mittel bei Feinschmeckern sehr beliebt.

Stickstoffhaltige Pflanzennahrung ist für die kräftigende Diät weit weniger gut verwendbar, und zwar aus dem Grunde, weil in den pflanzlichen Nahrungsmitteln die stickstoffhaltigen Bestandtheile gegenüber den stickstofffreien in der Minderheit sind und weil ihre Vertheilung und Anordnung in den Pflanzen eine solche ist, daß ihre Verarbeitung für nicht sehr kräftige Verdauungsorgane eine schwer zu bewältigende Aufgabe bleibt. Einen annähernden Ersatz für das Fleisch hat man dadurch zu erzielen gesucht, daß man fein verarbeitetes Mehl von Bohnen, Linsen und Erbsen, sogenanntes „Leguminosemehl“ herstellte; und in der That verbindet dieses dank dem starken Stickstoffgehalt des Linsenmehls einen hohen Nährwerth mit verhältnißmäßiger Wohlfeilheit; allein das Fleisch läßt sich dennoch nicht ganz entbehrlich machen.

Indeß – aus Fleisch allein soll die kräftigende Diät durchaus nicht bestehen; sie bedarf auch der stickstofffreien Nahrungsmittel. Das ist der Platz, den die leicht verdaulichen Fette und Mehlspeisen auszufüllen haben. Am besten verträgt der Magen das Fett, welches sich in feinster Lösung in der Milch findet, dann dasjenige, welches im Eidotter vorhanden ist. Butter wird leichter aufgenommen als Speck. Die Mehlspeisen müssen so zubereitet werden, daß sie wenig Gährungsprodukte liefern und möglichst leicht von den Verdauungsorganen bewältigt werden können. Der Brei aus Mehl, Gries oder Reis, mit Milch gekocht, bildet die einfachste derartige Zubereitung, auch ein „Auflauf“ aus Mehl (Gries, Reis), Milch, Eiern und Zucker thut gute Dienste. Verbannt vom Speisezettel gehören jedoch die schweren fetten Gebäcke, Pasteten, Knödel und Kuchen, welche schon an einen ganz gesunden Magen hohe Ansprüche stellen.

Die Gemüse haben wenig Nährwerth und ihr Gefüge behindert die Verdaulichkeit, dennoch gehören auch sie auf die Tafel, um Abwechslung zu bringen. So namentlich junge grüne Gartenerbsen, junge grüne Bohnen, junge Karotten, Teltower Rübchen, Spargel, Spinat, Blumenkohl. Bei ihrer Zubereitung müssen sie fein zerschnitten, in Musform gebracht und gründlich gekocht werden. Kartoffeln sollen nur in geringer Menge, geröstet oder als Kartoffelbrei genossen werden.

Von den üblichen Frühstücksgetränken, Kaffee, Thee, Chokolade, verdient die letztere da, wo es sich um kräftigende Ernährung handelt, den Vorzug, weil sie am meisten Eiweißkörper enthält und reich an Fett ist. Wenn die Verdauungsorgane geschwächt sind und das Nervensystem Noth gelitten hat, werden die aromatischen Getränke Thee und Kaffee wegen ihres angenehmen Geschmackes und ihrer anregenden Eigenschaften schwer zu entbehren sein.

Unter allen Umständen ist es ersprießlich, die Ernährung auf mehrere Mahlzeiten am Tage zu vertheilen und die Verdauungsorgane an eine gewisse Regelmäßigkeit zu gewöhnen. Wir wollen dies an dem Beispiel einer Diät zeigen, welche sich für Blutarme (die jedoch nicht fiebern) eignet. Es empfiehlt sich ungefähr folgender Speisezettel: Früh sieben Uhr gleich beim Erwachen im Bette eine Tasse warmer Milch, in kleinen Schlucken zu genießen, damit sie leichter verdaut werde; nach einer Stunde zum Frühstück eine Tasse Chokolade, Kaffee oder Thee, Zwieback mit Butter bis zur Sättigung. Um zehn Uhr eine gute Fleischbrühe mit Ei, kaltes Fleisch mit Butterbrot oder ein halbrohes

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_590.jpg&oldid=- (Version vom 28.12.2022)