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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


unterstondt, ein Weib zu nehmen." Natürlich finden wir auch die Tracht abgebildet, in welcher er in die Kirche zur Trauung ging. Mit dem zunehmenden Alter stellten sich Gicht und andere Krankheiten ein, so daß Schwarz die Lust an den Kleidern verlor und sich z. B. in den sieben Jahren von 1554 bis 1560 nur einen einzigen Anzug anschaffte, der auf der 137. und letzten Figur seines Trachtenbuches vorgeführt wird. Matthäus Schwarz ist wahrscheinlich nicht lange nach dem letzteren Jahre gestorben.

Veit Konrad Schwarz lernt fechten.

„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamme." Matthäus’ Sohn, Veit Konrad, hatte die Liebhaberei seines Vaters für Kleider geerbt und legte sich, da er sah, daß die Welt „je länger je närrischer“ in seltsamen Kleidermoden war, ebenfalls eine solche Selbstbiographie in Kleidertrachten an, in die er aber nur die „fürnembsten", hübschesten und buntesten malen ließ. Auch Veit Konrad fängt von Kindesbeinen an; wir sehen ihn im Laufstühlchen, auf dem Steckenpferd etc. Er war ebenfalls ein böser Junge, denn er berichtet selbst, daß er aller Bosheit voll war und mit Vorliebe das that, was die Leute verdroß. Natürlich fehlte es da auch nicht an entsprechender Strafe, deren Andenken malerisch zu verewigen Veit Konrad sich nicht scheute. Dann sieht man, wie er in die Schule geschleppt wird und sich mit allen möglichen Spielen, ganz ähnlich denjenigen der heutigen Jugend, ergötzt. Mit 13 Jahren nahm ihn sein Vater in die Schreibstube der Fugger und mit 14 – 1555 – kam er nach Verona, um die italienische Sprache zu lernen. Im Juni 1555 besuchte er in einem rothen Kleide seinen Bruder zu Venedig; zu Weihnachten aber ließ er sich den Damen seines Veroneser Geschäftsherrn zuliebe einen weißen Anzug machen, denn sie sagten, „weiß stüend jungen Gesellen am besten“. Der Tochter seines Herrn, Honesta, hatte er’s angethan. Sein älterer Brnder, der von Venedig aus den Besuch erwiderte, fand, daß sie „um ihn buhlte“. „Das Schaaf was aber so einfältig, daß ers nit verstund.“ Später scheint er’s aber doch verstanden zu haben, denn als es zum Abschied kam, gab es auf beiden Seiten bittere Thränen, der ganze Kerl war aber damals noch nicht 15 Jahre alt!

Veit Konrad im Maskenanzug.

Veit Konrad 18 Jahre alt.

Es ist nicht möglich, alle die Kleidungen und Beschäftigungen zu erzählen, von den Thorheiten zu berichten, die in dem Buche wörtlich und besonders bildlich beschrieben sind; dem Leser wird es genügen, zu erfahren, daß es der Sohn nach seiner Rückkehr nach Augsburg gerade so machte wie seiner Zeit der Vater, daß er das Leben in vollen Zügen genoß, aber nie vergaß, zu melden, in welcher Kleidung er das gethan und was diese gekostet habe; ja sogar den Bekleidungskünstler, der die „schönen“ Werke geschaffen, nannte er nicht selten. Wenn nun auch ein gesunder Mensch an diesen Narreteien keine Freude haben kann, so muß doch jeder, der sich für deutsche Kulturgeschichte, im besonderen für die Geschichte der Trachten und der Mode interessiert, den beiden Schwarz sehr dankbar sein, daß sie durch die Anlage ihrer beiden Werke ein so hochwichtiges Quellenmaterial zum Studium des Trachtenwesens der Nachwelt überliefert haben. Schade ist es nur, daß sie dies nicht mit den Kleidern selbst gethan haben; dieselben würden heute ein höchst lehrreiches und werthvolles Museum, das nicht seinesgleichen hätte, bilden.

So ausdauernd wie der Vater hat aber der Sohn seine Aufschreibungen nicht fortgesetzt, denn bei dem letzten Bilde, das ihn darstellt, zählte er erst 19 Jahre 41/2 Monate. Was ihn bewog, diese Aufzeichnungen abzubrechen, verschweigt er uns leider; nicht unmöglich wäre es, daß der unsinnige Aufwand, den er gemacht hatte und den sich heutzutage kaum ein junger Mann in seinem Alter gestatten wird – er trug Kleider, die nebst Schwert und Schmuck bis zu 290 Gulden, nach damaligem Geldwerth eine bedeutende Summe, kosteten – seinen Vater veranlaßt hat, ein Machtwort zu sprechen und den übergroßen Ausgaben einen Riegel vorzuschieben. Schwarzseher, welche in der heutigen Welt nur Verderbniß, Genußsucht und Verschwendung sehen, mögen diesen Mittheilungen entnehmen, daß es vor 300 bis 400 Jahren nicht um ein Haar anders gewesen ist, und die Bemerkung, „daß die Welt je länger je närrischer wird, und noch kein Aufhören mit den neuen seltsamen Gebräuchen der Kleidungen bis dato ist", gehört nicht, wie man vielleicht annehmen möchte, der Neuzeit an, sondern ist von Veit Konrad Schwarz bereits im Jahre 1561 geschrieben worden.


Die Toten von Hawara.

Von Professor Dr. Heinrich Brugsch.

Als im ersten Jahrhundert unserer christlichen Zeitrechnung der römische Schriftsteller Plinius Secundus der Aeltere sein bekanntes enzyklopädisches Werk unter dem Titel „Naturgeschichte‟ niederschrieb, beklagte er bitter den zu seiner Zeit eingetretenen Verfall der Porträtmalerei.

Früher hätten Könige und Völker danach getrachtet, ihre berühmten Männer durch gemalte Bildnisse zu verherrlichen, um ihre Züge der Nachwelt zu überliefern, jetzt, d. h. zu seiner Zeit, habe der herrschende Luxus die alte gute Sitte verdrängt. Niemand denke mehr daran, ausgezeichnete Männer oder Mitglieder der eigenen Familie von einem lebenden Künstler porträtieren zu lassen, um das Andenken an dieselben auch nach ihrem Tode im Bilde zu erhalten. Man lege zwar Privatsammlungen alter Gemälde bekannter und unbekannter Personen an, doch lediglich nur zu dem Zwecke, um mit dem

Kunstwerth und den dafür gezahlten Preisen zu prahlen. Wie ganz anders sei es doch vordem gewesen! Man habe dafür Sorge getragen, im eigenen Hause die Porträtbilder der Familienmitglieder malen zu lassen, dieselben von Geschlecht zu Geschlecht den Nachkommen zu überliefern und die herkömmliche Sitte zu beobachten, bei Begräbnissen nicht nur die Ueberlebenden, sondern auch die Bilder der Vorfahren einer Familienleiche folgen zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_628.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)