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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Wasserfläche aus ihrem Zusammenhang gebracht. Aus dem „pannonischen“ Meeresgolfe wurde ein brackischer, d. h. schwach salziger Binnensee, alsdann – gegen Ende der Neogenperiode – ein Süßwasserbecken, das vom Kahlenberg bei Wien bis in die Gegend von Basiasch unterhalb Belgrad reichte. Zuletzt wichen hier die Felsen auseinander, der Binnensee floß ab, und auf dem ungeheueren Schlammgrunde, den heute das ungarische Tiefland einnimmt, blieb ein Netzwerk von Flußläufen zurück, mit der Donau als Hauptstrom.

Die Széchényi-Straße.

Der Schlund aber, durch welchen sich die Wasser Bahn gebrochen haben, sind jene romantischen Engen in der südwestlichen Ecke Ungarns, welche gemeinhin „das Eiserne Thor“ genannt werden. Die Sache verhält sich aber genauer so: das eigentliche Eiserne Thor ist eine ungeheuere Felsbank, ein Klippengewirre, das bereits außerhalb jener Engen liegt, mit sehr unansehnlichen Ufern und von einer Gestaltung, welche lebhaft an die sogenannten „Nilkatarakte“ erinnert. Es ist ein mächtiges Schäumen der Wasser zwischen Riffen und Blöcken in einsamer Gegend. Zwischen dieser Kataraktenstelle im Osten – der „Prigrada-Bank“ – und dem westlichen Eingange in die Donau-Enge entrollt sich ein Strombild von urwüchsiger Schönheit, umrankt von den Arabesken der Sage und von der Erinnerung an die Thaten großer Männer, die mit eisernem Schritte durch die Welt gegangen sind. Hier, wo die Steinadler über der grünen Schlange des Stromes kreisen und in der Abendbeleuchtung die hohen Felsen wie Natriumfackeln aufleuchten, ruderten einst Jason und seine Begleiter dem Unbekannten entgegen. Die Phantasie, welche das Spiel der Gegensätze liebt, sieht neben der schwarzhaarigen Medea das braune Zigeunermädchen stehen, das vor einem geflickten Zelte lagert, die Hand über die Augen legt und in das gleißende Licht hinaufschaut. Durch die Schluchten wimmert der Ostwind und giebt den symphonischen Grundton zu dem eindrucksvollen Bilde.

Gleich am Eingang zu den Engen steht ein hoher Fels mitten im Wasser – der „Babakaj“. Wenn ihn der Oststurm umwirbelt, klingt es in seinen Fugen wie dort am heiligen Nil um die Säule des Memnon. Die Einbildungskraft des Volkes hat hierzu eine Ballade geschaffen. Ein eifersüchtiger Türke soll seine Gattin an den Felsen geschmiedet und sie dem Hungertod preisgegeben haben. Von ihren Jammerrufen hallten die nahen Felsen wieder; daher „Babakaj“, was so viel heißt wie das „schreiende Weib“. In nächster Nähe erhebt sich die malerische Ruine „Golubac“, einst von Fehde umklirrt, jetzt ein runzeliges Gemäuer, an dessen felsigen Fuß die Wellen anschlagen. Hier erschienen einst am Ende des 14. Jahrhunderts die ersten Türken, welche von der Uferhöhe in das jenseitige Land, das ihre Nachkommen erobern sollten, hineinschauten. Es waren die Janitscharen Bajesids I. Sie setzten den Halbmond auf die Stromburg, in welcher später Brankowitsch mit seinen Kumpanen zechte und die Spielleute Romanzen aus dem serbischen Heroenzeitalter zum besten gaben.

Serbischer Sänger. 0 Sprengarbeiten am Felsenriff „Greben“

Weniger romantisch ist die „Golubacer-Fliege“; diese Mücke überwintert in ungeheuren Schwärmen in der nahen Golubacer-Höhle, die am österreichischen Ufer, hart an der Straße, sich öffnet, und überfällt mit Eintritt der wärmeren Jahreszeit das Weidevieh. In Bezug auf die Verheerungen, welche diese kleine Bestie anrichtet, ist sie ein würdiger Geschlechtsgenosse der afrikanischen Tsetsefliege. Alle Versuche, sie unschädlich zu machen sind bisher gescheitert. Dem Menschen ist sie ungefährlich, dem Vieh aber bringt ihr Stich sicheren Tod.

Bald hinter diesen Oertlichkeiten beginnt sich das Strombett einzuengen. Die sogenannte „Kataraktenstrecke“ nimmt ihren Anfang. Es sind Felsriffe und Bänke, welche das Strombett durchsetzen und der Schiffahrt schwere Hindernisse bereiten. Das erste dieser Riffe führt den Namen „Stenka“. Weitaus die meisten drängen sich aber auf der kurzen Strecke von Drenkowa bis über Milanowac hinaus zusammen. Da ist zunächst die „Kozla“, alsdann die Bank „Dojke“, die Klippen, welche die Bezeichnung „die Büffel“ führen, die Felsrippen „Islaz“, „Tachtalia“ und „Greben“ und die Stromschnelle von „Jucz“.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_008.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2022)