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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Hilfe zu bringen verstehen. Zu diesem Zwecke rief Esmarch im Jahre 1881 nach dem Vorbilde der englischen „Ambulance classes“ die Samaritervereine ins Leben.

Unsere Leser sind mit dem Thema vertraut. Hat doch Esmarch selbst beim Beginn der Bewegung eine Reihe von Artikeln über die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen und über die Bedeutung und die Ziele der Samaritervereine in der „Gartenlaube“ veröffentlicht. Es fehlte anfangs nicht an Männern, welche die Befürchtung aussprachen, daß diese Verbreitung chirurgischen Wissens in Laienkreisen Schaden bringen könnte. Seit der Eröffnung der ersten Samariterschule in Kiel sind nun aber zwölf Jahre verflossen, und von Auswüchsen des Samariterwesens hat man nichts gehört, während dagegen die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen in Fabriken, auf Eisenbahnen, bei den Feuerwehren und in Polizeiwachen an sehr vielen Orten aufs trefflichste organisiert ist. Diese schönen Erfolge sind Esmarchs Werk; durch diese That hat er bewiesen, wie warm sein Herz für die leidende Menschheit schlägt, und darum entspringen die Glückwünsche des 9. Januar nicht bloß der aufrichtigen Bewunderung des großen Gelehrten, sie gelten auch Friedrich Esmarch, dem edlen Menschenfreund!


Die letzten Büffel von Nordamerika. Die weiten Prairien Nordamerikas wurden vor 350 Jahren zum ersten Male von den Europäern betreten. Im Jahre 1540 brach der Spanier Coronado von Mexiko auf, um das Wunder- und Goldland Cibola zu entdecken. Er fand es nicht, aber er brachte der Welt die Kunde von den Prairien und von den unzähligen Büffelherden, die in denselben grasten. Stellenweise sah man dort laut den Berichten des Spaniers Castaneda nichts als Himmel und – Büffel.

Die Spanier waren in den Prairien flüchtige Gäste. Erst im Anfang dieses Jahrhunderts ergoß sich von den Gestaden des Atlantischen Oceans ein neuer Auswandererstrom gegen die Prairien. Jäger folgten den zurückweichenden Indianern auf der Spur und stießen auf Büffelherden, in deren Reihen sie Tod und Verderben brachten. Mit glühenden Farben schildert der amerikanische Dichter Washington Irving seine Prairiefahrten aus dem Jahre 1832, und trotz aller Jagden schien der Büffelreichthum unerschöpflich; noch in den sechziger Jahren zogen die Wagenkarawanen tagelang unaufhörlich zwischen Büffelherden dahin, und den ersten Eisenbahnzügen, welche die Prairie durcheilten, stellten sich noch erstaunte Büffel in den Weg; aber schon damals bleichten tausendmal mehr Schädel erlegter Büffel in den Prairien, als Büffel noch in ihnen lebten.

Und heute! Die mächtigen Herden sind verschwunden, und die Amerikaner sind glücklich so weit gekommen, daß sie ihre Büffel zählen können. In einer amerikanischen Veröffentlichung finden wir eine Büffelstatistik aus den letzten[WS 1] Jahren; hier die deutlich sprechenden Zahlen: es leben laut derselben 254 Büffel gefangen in verschiedenen Parks von Amerika, 200 Stück wild im Yellowstone Park, 85 Stück gleichfalls wild in verschiedenen anderen Gegenden der Vereinigten Staaten, 550 Stück wild in dem fernen Norden Amerikas am Athapascastrome, 7 Stück gefangen im Auslande. Das macht zusammen 1096 Stück.

Eine solche Viehzählung kann keinen Anspruch auf volle Genauigkeit erheben; es mögen sich noch viele ungezählte Häupter in der Wildniß umhertreiben, aber die Schätzung wird von der Wahrheit nicht weit entfernt sein, und wir können heute in der That von den letzten Büffeln Nordamerikas sprechen. Den amerikanischen Büffel oder Bison hat dasselbe Schicksal erreicht, wie seinen europäischen Vetter, den Wisent, der einst über weite Strecken Europas verbreitet war und heute in dem Walde von Bialowicza in Rußland als zoologische Merkwürdigkeit sein Gnadenbrot frißt. Auch die Amerikaner fühlen jetzt Erbarmen mit ihrem „Buffalo“ und man agitiert drüben lebhaft für den Schutz der winzigen Ueberreste der einst so zahlreichen Thiere. Optimisten hoffen, daß sie sich noch leicht vermehren könnten, wenn man ihnen Ruhe gönnen würde. Sei dem, wie ihm wolle, vorderhand müssen wir uns damit begnügen, daß der Bison im Nationalparke von Yellowstone ein Gegenstück zu dem Wisent im Walde von Bialowicza bildet! *     


Deutschlands merkwürdige Bäume: Die Linde zu Grimmenthal. (Mit Abbildung.) Etwa eine Stunde von Meiningen entfernt liegt das alte Hospital Grimmenthal, das schon vor mehreren hundert Jahren zur Pflege alter Leute gegründet wurde. Aber das Hospital Grimmenthal ist nicht bloß ein Haus für Alte und Kranke, es ist auch ein Haus für Junge und Gesunde, denn es führt zugleich eine besuchte Gastwirthschaft. Für die Pflegebefohlenen beider Arten ist nun an schönen Sommertagen der liebste Aufenthaltsort der Platz unter oder auf der mächtigen Linde, welche unsere Abbildung darstellt.

Deutschlands merkwürdige Bäume: Die Linde zu Grimmenthal.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph R. Bachner in Meiningen.

Diese Linde gehört sicher mit zu den ältesten auf deutschem Boden. Ist es auch nicht möglich, ihr Alter genau anzugeben, so läßt sich doch urkundlich nachweisen, daß ihre Stützen schon vor 400 Jahren „repariert“ wurden. Danach müssen diese Stützen, muß noch mehr aber der Baum damals schon ein erkleckliches Alter besessen haben. Die Linde mißt 1½ m über dem Boden 14 m im Umfang, und auf der überbrückten Höhlung zwischen den zwei Hauptästen, wohin man auf einer Treppe von außen gelangen kann, mögen wohl 20 Personen Platz haben. Die Belaubung der weit ausladenden Krone ist voll entwickelt. Ein majestätisches Bild von Fülle und Kraft, steht der Baum vor uns, über den schon so viele Jahrhunderte hinweggerauscht sind.

Ziethen-Husaren auf Patrouillenritt. (Zu dem Bilde S. 33.) Es ist ein schwerer Dienst, der Patrouillendienst der Kavallerie im Kriege. Die höchsten Anforderungen aber an die geistige und körperliche Spannkraft des Reiters stellt er im Winter, wenn die Wege mit spiegelglattem Eise oder mit knietiefem Schnee bedeckt sind, wenn die kurzen Tage alle Unternehmungen in enge Schranken bannen, die trüben Nebel alle Fernsicht hindern und den Mann mit den unheimlichsten Gestalten einer überreizten Einbildungskraft umgaukeln. So hatte auch das Ziethen-Husarenregiment (3. brandenburgisches) in den Dezembertagen des Jahres 1870 schwere Arbeit, als es südlich Orleans in der Sologne gegen die Reste der französischen Loirearmee aufzuklären hatte.

Von der letzteren standen noch Theile in Bourges und Nevers, und die Vortruppen derselben schoben sich so nahe an Orleans heran, daß die Patrouillen der Ziethen-Husaren von ihrem Standort Olivet aus wiederholt mit ihnen zusammenstießen. Der Maler unseres Bildes schildert uns eine solche Begegnung zwischen den deutschen Reitern und französischer Infanterie. Eine feindliche Kugel hat das Pferd des führenden Unteroffiziers getroffen, es ist zusammengebrochen, und während der eine der Husaren den andrängenden Gegner durch Karabinerschüsse einzuschüchtern sucht – es sollen wohl zugleich auch Alarmschüsse sein – ist ein anderer bemüht, seinem Unteroffizier unter dem gestürzten Pferde hervorzuhelfen. Das ganze Bild ist äußerst lebenswahr erfaßt und läßt uns vermuthen, daß der Maler persönlich Gelegenheit hatte, solche Auftritte wie den auf unserem Bilde wiedergegebenen zu beobachten.


Inhalt: Freie Bahn! Roman von E. Werner (1. Fortsetzung), S. 21. – Friedrich von Esmarch. Bildniß. S. 21. – Unterbrochene Lektüre. Bild. S. 25. – Weltverbesserer. Von Dr. J. O. Holsch. I. S. 27. – Eine Zauberwurzel. Kulturgeschichtliche Skizze von Martin Beck. S. 29. Mit Abbildungen S. 29 und 30. – Auf geben und Nehmen. Novelle von Johannes Wilda (1. Fortsetzung). S. 31. – Ziethen-Husaren auf dem Patrouillenritt im Winter 1870. Bild. S. 33. – Blätter und Blüthen: Friedrich von Esmarch S. 35. (Mit Bildniß S. 21.) – Die letzten Büffel von Nordamerika. S. 36. – Deutschlands merkwürdige Bäume: Die Linde zu Grimmenthal. Mit Abbildung. S. 36. – Ziethen-Husaren auf Patrouillenritt. S. 36. (Zu dem Bilde S. 33.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: letzen
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_036.jpg&oldid=- (Version vom 2.10.2020)