Seite:Die Gartenlaube (1893) 061.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Lisette.
Nach einem Gemälde von G. Courtois.

seinem Wege von Chile nach Sansibar auch Port Elizabeth anlief. Ein Kommers und am zweiten Tage ein Ball, auf welchem wohl 250 Personen anwesend waren, bewies den deutschen Offizieren, welcher Blüthe sich die dortige kleine Kolonie erfreut, und wie stolz sie darauf war, auch wieder einmal die deutsche Kriegsflagge in ihrem Hafen wehen zu sehen.

In Kapstadt mit seiner viel größeren, aber weniger wohlhabenden deutschen Bevölkerung bestehen zur Zeit zehn deutsche Vereine, von denen ein jeder einen besonderen Zweck verfolgt. Der „Hilfsverein“, der „Schulverein“, der „Jünglingsverein“, der „Plattdeutsche Verein“ und der „Kegelklub“ kennzeichnen sich durch ihre Namen; die „Germania“, der „Gothenbund“ und die „Palme“ pflegen besonders die Geselligkeit, die „Amicitia“ ist ein Krankenunterstützungsverein, und die Ortsgruppe des „Allgemeinen Deutschen Verbandes“ verfolgt ähnliche Zwecke wie der Verband in der Heimath. Sie alle aber sind Erhalter des Deutschthums am Kap.

Leider hat es keiner dieser Vereine bisher möglich machen können, ein eigenes Heim zu erwerben. Das Bedürfniß dafür ist jedoch in letzter Zeit so stark hervorgetreten, daß die Deutschen Kapstadts jetzt im Begriff sind, ein „Deutsches Haus“ zu begründen, das geeignete Versammlungsräume bieten und ein Mittelpunkt für die Deutschen Südafrikas werden soll. Vertreter der verschiedenen Vereine haben einen Ausschuß gebildet, um die nöthigen Mittel zusammen zu bringen. Die Zeichnungen zum Baukapital betragen schon über 35000 Mark, aber noch zweimal soviel dürfte erforderlich sein. Um einen Schritt weiter zu kommen, hat am 1. und 2. September 1892 ein großartiger Jahrmarkt und Bazar stattgefunden, welcher den stattlichen Reinertrag von 10000 Mark abwarf. Ist erst einmal die Hälfte des Baukapitals beisammen, so ist der Plan gesichert, und die deutschen Vereine Kapstadts, welche sich jetzt mühselig mit höchst unzureichenden Räumlichkeiten behelfen müssen, können sich dann unter eigenem Dache viel besser ihren verschiedenen Aufgaben widmen.

Und auch ihr, Landsleute in der Heimath, die ihr Werth darauf legt, daß dieser vorgeschobene Posten des Deutschthums gekräftigt und gestärkt werde, auch ihr könnt dazu beitragen![1]

Soll die vorstehende Schilderung der Stellung, welche das Deutschthum in Südafrika einnimmt, nicht unvollständig sein, so dürfen wir nicht unterlassen, auch die Leistungen der Missionsgesellschaften zu betrachten. In der Heimath haben freilich die meisten Leute eine höchst mangelhafte Kenntniß von der Thätigkeit derselben. Sie meinen, die Aufgabe der Missionäre bestehe nur darin, in unbekannte Gegenden vorzudringen, um den Wilden das Evangelium zu predigen und die rohen Heiden zu gläubigen Christen zu machen. Eine solche Wirksamkeit gehört jedoch zu den Ausnahmen. Die meisten widmen ihre Kräfte nicht der Eroberung neuer Gebiete, sondern der Erhaltung der gewonnenen. Sie widmen sich denjenigen Volksstämmen, welche schon zum Theil oder ganz zum Christenthum bekehrt sind; eine ganz beträchtliche Anzahl der Missionäre wohnt in den Städten und Dörfern des Landes als Seelsorger der farbigen Eingeborenen.

Von den vier deutschen Missionsgesellschaften, welche besonders erfolgreich in Südafrika wirken, unterhält die Hermannsburger 50, die Berliner 46, die Rheinische 25 und die Herrnhuter Mission 24 Stationen. Das sind also im ganzen 145, wozu wohl noch einige in den letzten Jahren gegründete, sowie einige Baptistengemeinden kommen. Von diesen Stationen haben sich einige im Laufe der Zeit zu ganz bedeutenden Niederlassungen entwickelt.

Betrachten wir z. B. Genadendal, eine Station der Herrnhuter Brüdergemeinde. Im Jahre 1792 in Baviaanskloof, einem Thale im Südwesten der Kapkolonie, gegründet, erhielt sie später die ziemlich ausgedehnten Ländereien von der englischen Regierung zum Eigenthum überwiesen. Heute besteht daselbst ein blühendes Dorf, von mehreren tausend Farbigen meistens hottentottischer Abkunft bewohnt. Die Leute treiben vorzugsweise Ackerbau und vermiethen sich auch als Tagelöhner während der Erntezeit oder an der Eisenbahn. Einige haben ein Handwerk erlernt und sind nun Maurer, Schmiede,

  1. Die Redaktion der „Gartenlaube“ ist gern erbötig, Beiträge für diesen Zweck zu übermitteln.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_061.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)