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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Zimmerer, Schuhmacher, Schneider oder dergleichen, während andere kleine Kaufläden haben, darin die Dorfbewohner die nothwendigen Einkäufe an Fleisch, Mehl und Krämerwaren machen können. Eine Schenke giebt es nicht. Die Verwaltung wird zum Theil von gewählten Gemeindeältesten bewirkt, die Oberleitung liegt natürlich in den Händen der Missionäre.

Die Kinder erhalten Unterricht ähnlich dem unserer deutschen Volksschule. Sind sie älter geworden, so werden die besseren in die Schmiede, die Schreinerei oder andere Werkstätten genommen und die begabtesten in dem Seminar zu Hilfslehrern ausgebildet. Die nöthigen Unterrichtsbücher und Gesangbücher, sowie zwei regelmäßig erscheinende Blätter, der „Bode van Genadendal“ und der „Kindervriend“, werden in der 1859 errichteten Druckerei und Buchbinderei hergestellt, und zwar von Eingeborenen, gerade wie das z. B. von seiten der englischen Mission für die Betschuanen in Kuruman geschieht.

Es ist selbstverständlich, daß eine so umfassende Thätigkeit auch eine größere Anzahl von leitenden Kräften erforderlich macht, und so finden wir hier neun Missionäre mit ihren Familien, welche mit den ihrer Obhut anvertrauten Eingeborenen ein großes patriarchalisches Gemeinwesen bilden.

Keine der anderen Missionsniederlassungen hat es nun allerdings zu derselben Bedeutung wie Genadendal gebracht, aber dennoch leuchtet es ein, daß die Thätigkeit dieser Männer für die Kultur des Landes von dem größtem Gewicht ist. Kommt sie auch nicht immer unmittelbar dem Deutschthum zu gute – diese Missionäre müssen sich natürlich der unter ihren Pfleglingen am meisten verbreiteten Sprache anbequemen – so ist es doch die Arbeit deutscher Männer, die hier im Dienste des Fortschritts und der Gesittung geleistet wird. Und das giebt ihr ein Recht, genannt zu werden, wo von dem Deutschthum in Südafrika die Rede ist.




Zum Antiquitätenschwindel unserer Zeit.

Von Georg Buß.

Unser Kunstgewerbe hat mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, um seine Leistungsfähigkeit zu behaupten und zu erweitern. Einer der tiefstgreifenden Schäden erwächst ihm aus der gesteigerten Vorliebe des Publikums für „Alterthümer“. Es mag diese Vorliebe aus einer erfreulichen Pietät gegen unserer Väter Werke erwachsen sein, aber sie ist allmählich zur Modesache geworden und entbehrt zumeist jenes kritischen Verständnisses, welches in dem Alten nur das Schöne und wirklich Schätzenswerthe bevorzugt. Der Grund für diese bedauernswerthe Erscheinung ist nicht weit zu suchen: er liegt in dem Beispiel, welches die öffentlichen Museen mit ihrem Sammeleifer gegeben haben, und in einer allzu stark betriebenen Schönfärberei bezüglich der Leistungen vergangener Tage.

Die begeisterten Schilderungen von den „gesegneten Zeiten der Renaissance“, wie das Schlagwort lautet, reden nur von behaglich eingerichteten Bürgerhäusern, von trefflichem Hausrath, von meisterlich getriebenen Silbergefäßen, von schön verziertem Linnen, von Glasmalereien, welche in den Strahlen der Sonne leuchten und funkeln wie Topas, Smaragd und Rubin. Aber diese Schilderungen vergessen ganz die elenden Hütten, an denen die mittelalterlichen Städte so reich waren, ganz der kleinbürgerlichen Aermlichkeit und Beschränktheit, die sich in diesen Hütten kundgab, ganz des genügsamen, schier spartanischen Sinnes, der in der Mehrheit der Bevölkerung vorwaltete. Sie vergessen ganz, daß dasjenige, was in unsere Museen gelangt, schon damals als hervorragende Leistung bewundert und aus diesem Grunde sorgsam gehütet wurde, so daß es dem Zahne der Zeit entgehen und auf unsere Tage gelangen konnte. Tiefe Einseitigkeit hat dem Publikum eine keineswegs zutreffende Vorstellung von dem Leben und den Leistungen jener Vergangenheit beigebracht: sie läßt es glauben, daß Schlechtes und Unschönes damals überhaupt kaum geschaffen worden sei.

„Alt“ und „schön“ wurden so gleichbedeutend - das Alte mußte schön sein, denn die Renaissance hat nur Vorzügliches aufzuweisen! So wird das, was patiniert, fleckig, wurmstichig, verbeult und verblaßt aussieht, mit aufrichtigster Hochachtung angestaunt, mag es auch im Grunde genommen Plunder sein.

Es giebt industrielle Naturen, welche ihre Zeit zu nehmen und aus den Verirrungen derselben Kapital zu schlagen wissen. Diese Naturen warfen sich auf den Handel mit Antiquitäten, um der steigenden Nachfrage zu genügen und ein gutes Geschäft zu machen. Und so blüht heute in jeder größeren Stadt eine Menge solcher Läden; man veranstaltet in ihnen große Auktionen und setzt immer neue Antiquitäten an Stelle der verkauften, so daß die staunende Frage berechtigt ist: wo kommen denn alle diese „Alterthümer“ her?

Aber nicht allein in den größeren Städten, sondern auch in den Badeorten sind solche Geschäfte in Menge anzutreffen. In gewissen süddeutschen Bädern ist der Kurpark mit Trödelläden geradezu umschlossen. In Fülle hängen da die tief gedunkelten und glänzend aufgefirnißten Bilder, welche der „Schule“ des Rubens, Rembrandt, Hals, Brouwer, Teniers, Steen, Metsu, Breughel oder gar einem großen Niederländer oder Italiener selbst zugeschrieben werden, und zu den Bildern gesellen sich Rüstungen, Schwerter, Spieße, Emaillen, Goldschmuckstücke, Möbel, Holzschnitzereien, Elfenbeinarbeiten und andere Dinge aus „alter“ und „ältester“ Zeit.

Auf den Bildern findet sich in irgend einer Ecke so etwas wie ein Monogramm, und die Phantasie des Beschauers wird angenehm erregt: sie findet ein P. W. heraus – gewiß, das ist ein Philips Wouwerman, zumal der Gegenstand „Aufbruch zur Jagd“ von dem Meister mehrfach gemalt worden ist. Der Händler erklärt, er werde selbst aus dem Monogramm nicht so recht klug, jedenfalls sei es ein gutes Bild, aber trotz alledem wolle er mit 500 Mark zufrieden sein. Und so zahlt der Enthusiast, der bereits einige Wouwerman in dem Museum der Hauptstadt flüchtig gesehen hat, in der frohen Hoffnung, ein vorzügliches Werk des Meisters zu erwerben, die 500 Mark für ein Bild, welches kaum 100 Mark werth ist.

Wie mit den Werken des Pinsels, so geht es mit allen anderen Kostbarkeiten, welche der Händler auf Lager hat – sie wandern zu hohen Preisen in den Besitz der Kurgäste, die ja so gern irgend ein Andenken an ihren Badeaufenthalt mit nach Hause bringen. Unter solchen Kurgästen befinden sich auch manche, welche in dem eigenen Aufspüren von Alterthümern ein ganz besonderes Vergnügen finden. Auch für diese Herrschaften ist gesorgt. Auf den umliegenden Dörfern, wohin sich die Spaziergänge der Kurgäste richten, besitzt der Herr Antiquitätenhändler seine Agenten in Gestalt pfiffiger Bauern und Wirthsleute. Man tritt in ein Bauernhaus ein, verlangt zur Erfrischung ein Glas Milch und erblickt zur größten Ueberraschung dort in der Ecke der Stube eine prächtige, tief gebräunte Eichenholztruhe. Bei näherer Betrachtung liest man an der Front des anheimelnden Möbels eine Jahreszahl aus dem 16. Jahrhundert, sieht auch die Wurmstiche, bewundert die schöne architektonische Gliederung und die Schnitzerei – kurz, man ist begeistert und sucht zu erfahren, woher das Kunstwerk stamme. Treuherzig erzählt die Bäuerin von alten Erbstücken, von den Urahnen, aus deren Hausrath sich noch manches bei ihr erhalten habe, von alten Schränken und Krügen, die noch auf dem Boden stehen, so daß der Heißhunger des Enthusiasten nach der Truhe nur noch mehr gesteigert wird. Aber die Bäuerin trennt sich nicht gern von dem „alten Erbstück“ und erst allmählich, nachdem das Geldgebot höher gestiegen ist, läßt sie sich erweichen – sie schlägt ihren Schatz für 400 Mark los.

Die Unschuld vom Lande hat ein gutes Geschäft gemacht, denn 25 Prozent sind ihr sicher.

Wie hier, so geht es auch in dem Krug, dessen Besitzer so hinterwäldlich und treuherzig aussieht. Auch dieser Biedermann hat noch eine Fülle von Hausrath „aus der Väter Tagen“ aufbewahrt. Erst nach langem Zaudern, Zureden und Bitten entschließt sich der Brave gegen gute Bezahlung zur Trennung von einem Theile seiner Schätze. Uebrigens hat er die alten Bilder, welche zu unserem Staunen in der Wirthsstube hängen, von einem Geistlichen geerbt, der einstmals Kaplan an der holländischen

Grenze gewesen ist! Mit geheimnißvoller Miene weiß er auch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_062.jpg&oldid=- (Version vom 12.8.2021)